OGH 12Os100/08k

OGH12Os100/08k22.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Wolfgang W***** wegen des Verbrechens des schweren und durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahls nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 3, 130 erster Fall StGB über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. November 2007, GZ 41 Hv 62/06p-176, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Generalanwältin Mag. Wachberger, und des Verteidigers Dr. Kollmann zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 30. November 2007, GZ 41 Hv 62/06p-176, verletzt im Ausspruch, dass „der Verurteilte die Strafhaft in der Justizanstalt Wilhelmshöhe zu verbüßen hat", das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 9 Abs 1, 10 Abs 1, 134 Abs 1 und Abs 6 StVG iVm Art 94 B-VG.

Dieser Ausspruch wird ersatzlos ausgeschaltet.

Text

Gründe:

Mit - trotz der zwingenden Norm des § 488 Z 7 in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 22. September 2006, GZ 41 Hv 62/06p-113, wurde Wolfgang W***** des Verbrechens des schweren und durch Einbruch begangenen gewerbsmäßigen Diebstahles nach §§ 127, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 3, 130 erster Fall StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 Jahren und 6 Monaten verurteilt. Deren Vollzug begann am 14. November 2006 (ON 118).

Am 8. Oktober 2007 stellte der Verurteilte einen Antrag „auf Enthaftung" (ON 164), weil er aufgrund klaustrophobischer Panikattacken sowie chronischen Asthmas haftuntauglich sei. Wolfgang W***** wurde am 17. Oktober 2007 zur weiteren Verbüßung der Strafhaft in die Justizanstalt Stein überstellt (ON 169). Das Landesgericht Wiener Neustadt wies nach Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zur Frage der Vollzugstauglichkeit Wolfgang W*****s (ON 174) dessen Antrag „auf Enthaftung" (richtig: auf nachträglichen Aufschub des Strafvollzuges) mit Beschluss vom 30. November 2007, GZ 41 Hv 62/06p-176, ab und ordnete gleichzeitig an, dass „der Verurteilte die Strafhaft in der Justizanstalt Wilhelmshöhe zu verbüßen hat".

In seiner Entscheidungsbegründung verwies das Landesgericht Wr. Neustadt auf die Gutachtensausführungen Dris. Anton F*****, wonach der Verurteilte vollzugstauglich sei, jedoch zu seiner besseren medizinischen Versorgung eine Verlegung in die Justizanstalt Wilhelmshöhe empfohlen werde (S 191/IV).

Dieser Beschluss erwuchs unbekämpft in Rechtskraft (ON 177, 180); eine daraus resultierende tatsächliche Änderung des Strafvollzugsorts ist nicht aktenkundig.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichts Wr. Neustadt vom 30. November 2007, GZ 41 Hv 62/06p-176, steht - wie die Generalprokuratur in ihrer zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Die Anordnung des Strafvollzugs (§ 3 StVG) sowie die Entscheidung über einen Strafaufschub (§§ 4 bis 6 StVG) steht nach § 7 Abs 1 StVG dem erkennenden Gericht zu.

Nach §§ 9 Abs 1, 10 Abs 1 und 134 Abs 1 und Abs 6 StVG fällt jedoch die Bestimmung der Anstalt, in welcher der Vollzug einer achtzehn Monate übersteigenden Freiheitsstrafe an einem Verurteilten durchgeführt werden soll, sowie eine spätere Änderung des Strafvollzugsorts in die ausschließliche Kompetenz der Vollzugsdirektion, weshalb die Anordnung einer derartigen Maßnahme nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein kann (12 Os 32/93).

Der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt greift damit in Verletzung der diesbezüglichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes und im Widerspruch zu dem im Art 94 B-VG verankerten Grundsatz der Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung in die der Vollzugsdirektion zugewiesene Kompetenz auf Anordnung einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10 Abs 1 iVm § 134 Abs 6 StVG) ein. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass dieser - infolge fehlender gerichtlicher Entscheidungskompetenz - das Gesetz verletzende Ausspruch des Landesgerichts Wr. Neustadt dem Verurteilten zum Nachteil gereicht, sah sich der Oberste Gerichtshof zu einem Vorgehen nach § 292 letzter Satz StPO veranlasst.

Stichworte