OGH 12Os32/93

OGH12Os32/931.4.1993

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. April 1993 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Rzeszut, Dr. Markel, Mag. Strieder und Dr. Mayrhofer als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Zawilinski als Schriftführerin in der Strafsache gegen Maximilian P* und andere wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, erster Fall, StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von der Generalprokuratur erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes gegen den Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. Mai 1992, AZ 22 Bs 107/92, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Wasserbauer, jedoch in Abwesenheit des Angeklagten zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1993:E34535

Rechtsgebiet: Strafrecht

 

Spruch:

 

Der Beschluß des Oberlandesgerichtes Wien als Beschwerdegericht vom 12. Mai 1992, AZ 22 Bs 107/92 (im Verfahren zu 12 b Vr 8713/83 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien) verletzt im Ausspruch, "daß die Freiheitsstrafe nach Bewirkung einer Strafvollzugsortsänderung in der Strafvollzugsanstalt Stein, Außenstelle Oberfucha anzutreten und zu vollziehen ist", das Gesetz in den Bestimmungen der §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1, 134 Abs. 1 StVG, iVm § 2 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 8. Mai 1989, BGBl 1989/236 und Art 94 B‑VG.

Die das Gesetz verletzende Wortfolge wird ebenso wie die Worte "mit der Maßgabe" aus der angefochtenen Entscheidung ausgeschieden.

 

 

Gründe:

 

Maximilian P* wurde mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien vom 26. Jännner 1990, GZ 12 b Vr 8713/83‑220, wegen des Verbrechens des schweren gewerbsmäßigen Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3, 148, erster Fall, StGB sowie der Vergehen der Veruntreuung nach § 133 Abs. 1 und 2, erster Fall, StGB und der fahrlässigen Krida nach §§ 159 Abs. 1 Z 1 und 2, 161 StGB zu einer zusätzlichen Freiheitsstrafe von zwei Jahren und dreieinhalb Monaten verurteilt. Zugleich wurden bedingt nachgesehene Freiheitsstrafen von drei und zwei Monaten widerrufen (4 d E Vr 829/86 und 4 d E Vr 3103/87 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien).

Mit Beschluß vom 3. Jänner 1992, GZ 12 b Vr 873/83‑312, wies dieses Gericht einen Antrag des Verurteilten auf Aufschub des Strafvollzuges wegen Vollzugsuntauglichkeit ab. Maximilian P* wurde darin aufgefordert, die Freiheitsstrafe unverzüglich in der Justizanstalt Göllersdorf, die mit Erlaß des Bundesministeriums für Justiz vom 28. November 1991, GZ 430271/1‑V 6/91 als Vollzugsanstalt bestimmt worden war, anzutreten.

Das Oberlandesgericht Wien gab mit Beschluß vom 12. Mai 1992, AZ 22 Bs 107/92 (ON 228 des erstgerichtlichen Aktes), der gegen diese Entscheidung erhobenen Beschwerde des Maximilian P* mit der Maßgabe nicht Folge, "daß die Freiheitsstrafe nach Erwirkung einer Strafvollzugsortsänderung in der Strafvollzugsanstalt Stein, Außenstelle Oberfucha anzutreten und vollziehen ist". Eine Änderung des Strafvollzugsortes im Sinn dieser Beschwerdeentscheidung war jedoch nicht möglich, weil das Bundesministerium für Justiz am ursprünglichen Vollzugsort Justizanstalt Sonnberg festhielt (Erlaß vom 5. Juni 1992, GZ 430271/4‑V 6/92, ON 229). Die Einleitung des Strafvollzuges unterblieb deswegen bisher (ON 246).

Rechtliche Beurteilung

Die Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes Wien vom 12. Mai 1992 steht, soweit damit die Einleitung des Strafvollzuges von der Erwirkung einer Strafvollzugsortsänderung in die Strafvollzugsanstalt Stein, Außenstelle Oberfucha, abhängig gemacht wird, mit dem Gesetz nicht im Einklang, wie der Generalprokurator zutreffend in seiner gemäß § 33 Abs. 2 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde ausführt.

Die Anordnung des Strafvollzuges nach § 7 Abs. 1 StVG steht dem Gericht zu. Gemäß §§ 9 Abs. 1, 10 Abs. 1, 134 Abs. 1 StVG iVm § 2 Abs. 1 der Verordnung des Bundesministers für Justiz vom 8. Mai 1989, BGBl 1989/236, fällt jedoch die Bestimmung der Anstalt, in welcher der Vollzug einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe an einem Verurteilten durchgeführt werden soll, sowie die Änderung des Strafvollzugsortes in die Kompetenz des Bundesministeriums für Justiz, weshalb die Anordnung einer derartigen Maßnahme nicht Gegenstand einer gerichtlichen Entscheidung sein kann.

In der Beschwerdeentscheidung wird die Erwirkung einer Änderung des vom Bundesministerium für Justiz bestimmten Strafvollzugsortes zur Voraussetzung für die Einleitung des Strafvollzuges gemacht. Sie greift damit in Verletzung der diesbezüglichen Bestimmungen des Strafvollzugsgesetzes und im Widerspruch zu dem im Art 94 B‑VG verankerten Grundsatz der Trennung der Gerichtsbarkeit von der Verwaltung in die dem Bundesministerium für Justiz zugewiesene Kompetenz auf Anordnung einer Strafvollzugsortsänderung (§ 10 Abs. 1 StVG) ein, um das Verwaltungsorgan zu einer der Auffassung des Gerichtes entsprechenden Abänderung seiner bereits getroffenen Entscheidung zu veranlassen.

Da nicht ausgeschlossen werden kann, daß dieser infolge fehlender gerichtlicher Entscheidungskompetenz das Gesetz verletzende Ausspruch des Oberlandesgerichtes Wien dem Verurteilten Maximilan P* zum Nachteil gereicht ‑ so ergab sich im Klassifizierungsverfahren des Bundesministeriums für Justiz, daß gerade jene Vorsorgen, die nach der Beschwerdeentscheidung des Oberlandesgerichtes für den Strafvollzug an Maximilian P* aus gesundheitlichen Gründen zu treffen sind, in der in der angefochtenen Beschwerdeentscheidung bezeichneten Vollzugsanstalt nicht gewährt werden können ‑ war wie im Spruch zu erkennen.

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