OGH 12Os97/08v

OGH12Os97/08v22.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 22. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Prof. Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer, in der Strafsache gegen Robert R***** wegen des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Geschworenengericht vom 1. Februar 2008, GZ 30 Hv 121/07f-80, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen - auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden - Urteil, das auch unbekämpft gebliebene Teilfreisprüche enthält, wurde Robert R***** der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 2 StGB idF StRÄG 2001, BGBl I 2001/130 (A I, A II), der Verbrechen der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB (A III), des Verbrechens des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1, Abs 3 erster Fall StGB sowie der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (B), der Vergehen der versuchten Blutschande nach §§ 15, 211 Abs 1 StGB (D) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 StGB „idF StRÄG 2004", BGBl I 2004/15 (E I.; richtig [§ 61 StGB], aber ohne inhaltliche Bedeutung: idgF) schuldig erkannt. Danach hat er in Rauris und an anderen Orten

A) zu nachangeführten Zeiten Carmen R***** wiederholt mit Gewalt zur Vornahme oder Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtlichen Handlung genötigt, und zwar

I. in der Zeit zwischen Sommer 2001 und 30. April 2004, indem er sich über sie kniete und sie niederdrückte, zur wiederholten Durchführung eines Oralverkehrs an ihm;

II. in der Zeit von Oktober 2001 bis 30. April 2004, indem er sich auf sie legte und sie bei den Händen festhielt, zur wiederholten Durchführung eines Analverkehrs;

III. in der Zeit von 1. Mai 2004 bis 9. September 2004 in Form der zu

A I und A II angeführten Tathandlungen;

B) mit der am 19. April 1991 geborenen und somit unmündigen Carmen

R***** wiederholt den Beischlaf oder eine dem Beischlaf gleichzusetzenden geschlechtliche Handlung unternommen, und zwar

I. in den in den Punkten A I bis A III genannten Zeiträumen in Form der dort angeführten Tathandlungen;

II. in der Zeit von Oktober 2001 bis 9. September 2004 durch wiederholtes Ablecken ihres Geschlechtsteils und durch wiederholtes Einführen eines Fingers in ihren After;

III. in der Zeit von Mai 2004 bis 9. September 2004 durch wiederholte ansatzweise Durchführung eines vaginalen Geschlechtsverkehrs, wobei die in den Punkten A) und B) näher umschriebenen Taten bei Carmen R***** insgesamt eine posttraumatische Belastungsstörung mit Krankheitswert, verbunden mit Angst, Depression, selbstschädigenden Handlungen und vor allem einem wiederkehrenden Auftreten der Missbrauchserlebnisse („Flash-Backs") in der Dauer von rund drei Monaten, somit eine an sich schwere Körperverletzung, verbunden mit einer länger als vierundzwanzig Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge hatten;

[Die Hauptfrage C „Ist Robert R***** schuldig? Hat er in Rauris und an anderen Orten in der Zeit von Sommer 2001 bis 9. September 2004 an der am 19. April 1991 geborenen und somit unmündigen Carmen R***** in zahlreichen Übergriffen geschlechtliche Handlungen vorgenommen oder von dieser an sich vornehmen lassen, und zwar

I. durch wiederholtes Betasten ihrer Brust;

II. durch wiederholtes Betasten an ihrem Geschlechtsteil über und unter der Kleidung;

III. indem er sie wiederholt dazu veranlasste, mit ihrer Hand an seinem Penis zu reiben und ihn an den Hoden zu betasten?" wurde verneint - US 3, 4]

D) durch die in Punkt B III genannte Tathandlung mit einer Person,

die mit ihm in gerader Linie verwandt ist, nämlich mit seiner Tochter Carmen R*****, den Beischlaf zu vollziehen versucht;

E) mit einer mit ihm in absteigender Linie verwandten minderjährigen

Person, nämlich seiner am 19. April 1991 geborenen Tochter Carmen R*****, durch die in den Punkten A und B näher umschriebenen Taten eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder von einer solchen Person an sich vornehmen lassen.

Rechtliche Beurteilung

Dagegen richtet sich die auf § 345 Abs 1 Z 5 und Z 9 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Die Verfahrensrüge (Z 5) stützt sich auf die Abweisung des Antrags (S 168 f/III) auf „Einvernahme der Carmen R*****, Schwägerin des Angeklagten, wohnhaft ***** in R*****,

1. zum Beweis dafür, dass die mj Carmen erklärt hat, es sei voll cool, dass sie seit der Anzeige tun könne, was sie wolle, und

2. dann zum weiteren Beweis dafür, dass die mj Carmen R***** anderen Mädchen gegenüber erklärt hat, sie sei ganz stolz, sie sei auch vergewaltigt worden, und sie sei seit damals nicht ernst genommen worden und gehänselt worden."

Zur Begründung dieses Beweisantrags führte der Nichtigkeitswerber im Wesentlichen aus, dass das vermeintliche Opfer aus der Anzeige Gewinn gezogen habe, nämlich den, dass es tun und lassen habe können, was es gewollt habe und in der Familie nach der Anzeige bevorzugt behandelt worden sei. Der Beweisantrag sei aber auch insofern von Bedeutung, als in diesem Verfahren mehrfach zum Ausdruck gekommen sei, dass sich das vermeintliche Opfer seit der Anzeige besonders schlecht fühle. Dieser Umstand sei „wirklich aufklärungsbedürftig", stehe doch fest, dass die mj Carmen R***** insoferne jedenfalls manipuliert worden sei, als sie einerseits am 1. Oktober 2004 eine Anzeige erstattet und ihren Vater des jahrelangen, schweren sexuellen Missbrauchs bezichtigt habe, andererseits aber am 1. Juni 2006 bei Mag. K***** angegeben habe, dass diese Behauptungen nicht den Tatsachen entsprächen und sie von der Mutter wegen des Zerwürfnisses im Zusammenhang mit der Trennung und Ehescheidung der Eltern instrumentalisiert worden sei.

Wie bereits der Schwurgerichtshof im Zwischenerkenntnis zutreffend erkannte, wird mit den genannten Beweisthemen keine entscheidende Tatsache angesprochen (§ 55 Abs 2 Z 1 StPO). In der Begründung des Antrags werden lediglich Mutmaßungen angestellt, ohne irgendeinen Zusammenhang mit der begehrten Zeugenvernehmung herzustellen (§ 55 Abs 1 letzter Satz StPO).

Über den Antrag hinausgehendes Vorbringen - vor allem zu nach der Hauptverhandlung gelegenen Umständen - ist im Hinblick auf das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot unbeachtlich. Die Rüge zu einer Passage der erstgerichtlichen Begründung der Abweisung des Beweisantrags verkennt, dass die für seine Entscheidung vom erkennenden Gericht angeführten Gründe als solche nicht unter Nichtigkeitssanktion stehen (vgl Fabrizy, StPO10 § 281 Rz 37; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 318; RIS-Justiz RS0116749).

Die Rüge aus Z 9 behauptet einen in sich widersprüchlichen Wahrspruch der Geschworenen, weil die Laienrichter die Fragen in Richtung Vergewaltigung und schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen bejaht (Hauptfragen A und B), die Hauptfrage C in Richtung sexuellen Missbrauchs von Unmündigen (im gleichen Tatzeitraum) jedoch verneint haben. Aus welchem Grund dies mit Logik und Empirie unvereinbar sein solle (vgl Fabrizy, StPO10 § 345 Rz 15; Ratz, WK-StPO § 345 Rz 67), legt der Beschwerdeführer nicht dar. Dieses Vorbringen entzieht sich somit einer meritorischen Erwiderung. Zur Konkurrenzproblematik genügt der Hinweis auf Schick in WK² § 201 Rz 49 und § 206 Rz 31. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Zuständigkeit des Oberlandesgerichts Linz zur Erledigung der Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).

Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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