Spruch:
In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, in seinem Freispruch zu I. aufgehoben und die Sache insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil, das auch einen unbekämpft in Rechtskraft erwachsenen weiteren Freispruch enthält, wurden Mario E*****, Dominic F***** und Philipp T***** von der gegen sie erhobenen Anklage, „sie hätten in der Nacht auf den 29. April 2007 in Schwoich im bewussten und gewollten Zusammenwirken eine wehrlose Person, welche zu diesem Zeitpunkt unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, nämlich die sich im alkoholbedingten Vollrausch befindliche Christina L***** unter Ausnützung dieses Zustandes dadurch missbraucht, dass sie an Christina L***** durch Vollziehung des Beischlafes eine geschlechtliche Handlung vornahmen", gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (I.).
Rechtliche Beurteilung
Dagegen richtet sich die auf Z 4 und 5 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der Berechtigung zukommt.
Nach den Feststellungen des Erstgerichts haben die Angeklagten in der Nacht auf den 29. April 2007 in Schwoich mit Christina L***** mehrfach den Geschlechtsverkehr vollzogen. Eine an diesem Abend aufgenommene „Videosequenz" zeige, wie „die apathische L***** von den Angeklagten vom Tisch zu einer Liege gebracht wird". Im Moment der Aufnahme sei sie, „unfähig zu gehen und alkoholbedingt stark beeinträchtigt" (US 6).
Dass Christina L***** im Moment des Geschlechtsverkehrs - jeweils - alkoholbedingt voll berauscht und deswegen unfähig gewesen wäre, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder sich nach dieser Einsicht zu verhalten, konnten die Tatrichter - explizit - nicht feststellen (US 4). Im Rahmen der Beweiswürdigung führten sie hiezu aus, die Angaben der Zeugin L***** wären nicht geeignet, die Feststellung ihrer Zurechnungsunfähigkeit zu begründen (US 6 f).
Wie die Beschwerdeführerin - nominell unter dem Nichtigkeitsgrund der Z 5, der Sache nach einen Rechtsfehler im Sinn der Z 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO geltend machend - zutreffend vorbringt, stellt der Tatbestand des sexuellen Missbrauchs einer wehrlosen oder psychisch beeinträchtigten Person nach § 205 Abs 1 StGB - entgegen der offenbar vom Erstgericht vertretenen Rechtsmeinung - gar nicht darauf ab, dass das Opfer infolge voller Berauschung zurechnungsunfähig gewesen wäre. Nach § 205 Abs 1 StGB ist zu bestrafen, wer eine wehrlose Person oder eine Person, die wegen einer Geisteskrankheit, wegen Schwachsinns, wegen einer tiefgreifenden Bewusstseinsstörung oder wegen einer anderen schweren, einem dieser Zustände gleichwertigen seelischen Störung unfähig ist, die Bedeutung des Vorgangs einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln, unter Ausnützung dieses Zustands dadurch missbraucht, dass er an ihr eine geschlechtliche Handlung vornimmt. Wehrlos im Sinn des ersten Falles des § 205 Abs 1 StGB ist, wer - etwa auch infolge Alkoholgenusses (Hinterhofer in SbgK § 205 Rz 23; EvBl 1998/100) - widerstandsunfähig ist. Widerstandsunfähigkeit liegt vor, wenn ein Widerstand für die betroffene Person unmöglich, aussichtslos oder unzumutbar ist.
Trotz der Anlehnung des Wortlautes an die Bestimmung des § 11 StGB (Zurechnungsunfähigkeit) ist das objektive Tatbild des zweiten Falles der zitierten Bestimmung bereits dann erfüllt, wenn die sexuelle Selbstbestimmungsfähigkeit des Opfers, etwa durch übermäßigen Alkoholkonsum, insoweit aufgehoben ist, als es unfähig ist, die Bedeutung des sexuellen Vorgangs zu erkennen und sich entsprechend zu verhalten. Dazu muss die Willenstätigkeit nicht vollständig ausgeschaltet sein. Es genügt, wenn das Opfer nicht in der Lage ist, durch verstandesmäßige Erwägungen über das an dieses gestellte Verlangen frei zu entscheiden (14 Os 122/05f). Dies kann - insbesondere unter Berücksichtigung des Lebensalters des Opfers - bereits bei mittelgradiger Berauschung der Fall sein (zum Ganzen: Schick in WK² § 205 Rz 8 f).
Das angefochtene Urteil ist demnach rechtsfehlerhaft, weil das Schöffengericht irrig davon ausgegangen ist, ein Schuldspruch nach § 205 Abs 1 StGB erfordere die Feststellung voller Berauschung des Opfers und dessen darauf basierender mangelnder Einsichts- oder Handlungsfähigkeit („Zurechnungsunfähigkeit"; US 6). Das Urteil war daher - in Übereinstimmung mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der hiezu erstatteten Äußerungen der Verteidigung - in seinem Freispruch zu I. aufzuheben und die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen (§ 288a Abs 2 Z 3 zweiter Satz StPO). Ein Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen erübrigt sich.
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