OGH 11Os103/08v (11Os104/08s)

OGH11Os103/08v (11Os104/08s)19.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. Schwab, Mag. Lendl und Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Brigitte K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 4 Hv 11/05k des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die vom Generalprokurator gegen das Unterbleiben eines Freispruchs nach Rücktritt von der Anklage und gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 18. August 2005, GZ 4 Hv 11/05k-26, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Seidl, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache gegen Brigitte K***** und einen anderen Angeklagten wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB und weiterer strafbarer Handlungen, AZ 4 Hv 11/05k des Landesgerichts für Strafsachen Graz, verletzen das Gesetz

1./ das Unterbleiben eines Freispruches in Ansehung des im einbezogenen Verfahren AZ 6 U 184/04g des Bezirksgerichts Voitsberg erhobenen Vorwurfs in Richtung eines Betrugs (§ 146 StGB) in § 259 Z 2 StPO;

2./ das Urteil vom 18. August 2005 (ON 26) in seinem Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 2 StPO in § 126 Abs 1 Z 7 StGB.

Das Urteil vom 18. August 2005, das im Übrigen unberührt bleibt, wird in der rechtlichen Unterstellung der Brigitte K***** angelasteten Sachbeschädigung unter § 126 Abs 1 Z 7 StGB sowie demzufolge im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Brigitte K***** wird für das ihr demnach zu II./1./ des Urteilsspruchs zur Last liegende Vergehen der Sachbeschädigung nach § 125 StGB sowie für das vom unberührten Teil des Schuldspruchs umfasste Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB unter Anwendung der §§ 28, 37 Abs 1 StGB nach § 107 Abs 1 StGB zu einer Geldstrafe von 150 (einhundertfünfzig) Tagessätzen, im Fall deren Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe von 75 (fünfundsiebzig) Tagen verurteilt; die Höhe des Tagessatzes beträgt 2 (zwei) Euro.

Gründe:

Rechtliche Beurteilung

Im Strafverfahren AZ 4 Hv 11/05k des Landesgerichtes für Strafsachen Graz legte die Staatsanwaltschaft Graz ua der Beschuldigten Brigitte K***** mit Strafantrag vom 7. Jänner 2005 zur Last, in der Nacht zum 12. Dezember 2004 im Gemeindegebiet S*****

1./ fremde Sachen in einem 3.000 Euro übersteigenden Wert zum Nachteil des Robert K***** zerstört, beschädigt und verunstaltet zu haben, indem sie die Scheibe zur Eingangstüre des Wohnhauses, die Scheibe der Küchentür und die Glasscheibe einer Küchenoberkastentüre sowie Küchenoberkastentüren, die Scheibe der Backrohrtür und zwei Spiegel zerschlug und die Backrohrtür herausriss, zwei Küchenunterkastentüren wegriss, die Wohnzimmertür abschlug, die Stufen der Stiege zum Obergeschoss beschädigte, das Stiegengeländer losriss und die Innenwände des Wohnhauses teilweise mit Blut beschmierte, wobei der Gesamtschaden 4.742 Euro betrug; 2./ andere gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

a./ ihren Ehegatten Burghard K***** durch die Ankündigung, ihn um seinen Job zu bringen, mit einer Verletzung zumindest am Vermögen; b./ Robert K***** durch die Äußerung „Sie Drecksau, Sie haben meinen Mann verführt, ich trete Ihnen in die Eier und schneid Sie Ihnen heraus und stech Sie ab" mit einer erheblichen Verstümmelung bzw dem Tod, wobei sie einen Schürhaken und ein Küchenmesser in Händen hielt; und hiedurch zu 1./ das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB sowie zu 2./ die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1, Abs 2 StGB begangen zu haben (ON 3). In der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2005 (ON 7) wurden gemäß § 56 StPO aF die Akten AZ 6 U 184/04g des Bezirksgerichts Voitsberg einbezogen (S 87), in welchen Brigitte K***** mit Bestrafungsantrag des Bezirksanwalts vom 2. November 2004 angelastet wurde, Michaela B***** mit Bereicherungsvorsatz durch Vortäuschung ihrer Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit zur Gewährung eines Mietverhältnisses in der Zeit von Jänner 2004 bis 29. Juli 2004 verleitet, sie dadurch mit einem 2.000 Euro nicht übersteigenden Betrag geschädigt und hiedurch das Vergehen des Betruges nach § 146 StGB begangen zu haben (ON 7 in ON 4).

Noch an diesem Verhandlungstag trat der Staatsanwalt bezüglich des einbezogenen Faktums unter Hinweis auf § 34 Abs 2 Z 1 StPO aF von der Anklage zurück (S 113). Eine urteilsmäßige Erledigung durch das Landesgericht für Strafsachen Graz hiezu ist unterblieben. In der Hauptverhandlung vom 10. März 2005 (ON 14) wurde Brigitte K***** vom Anklagevorwurf der gefährlichen Drohung zum Nachteil ihres Ehegatten Burghard K***** (siehe oben Punkt 2./a./) gemäß § 259 Z 3 StPO freigesprochen (S 181).

Bezüglich der übrigen der Beschuldigten noch zur Last liegenden Fakten wurde über ihren Antrag und mit Zustimmung der Staatsanwältin ein Diversionsverfahren eingeleitet, das jedoch in der Folge an der mangelnden Mitwirkung der Beschuldigten scheiterte (ON 18). Mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil vom 18. August 2005 (ON 26), das hinsichtlich einzelner Aspekte der Sachbeschädigung einen verfehlten, aber unbeachtlichen Teilfreispruch enthält (S 257, vgl rechtlich Lendl, WK-StPO § 259 Rz 3 mwN), wurde Brigitte K***** schließlich schuldig erkannt, fremde bewegliche Sachen in einem 3.000 EUR nicht übersteigenden Wert zum Nachteil des Robert K***** zerstört, beschädigt und verunstaltet (II./1./) sowie den Genannten zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht (II./2./) und hiedurch das Vergehen der schweren Sachbeschädigung nach den §§ 125, 126 Abs 1 Z 7 StGB sowie das Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB begangen zu haben (S 251). Dieses Urteil ist unbekämpft in Rechtskraft erwachsen.

Das Unterbleiben eines Freispruchs in Ansehung des in der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2005 (ON 7) einbezogenen Faktums (ON 4) sowie die Annahme der Qualifikation des § 126 Abs 1 Z 7 StGB im Urteil vom 18. August 2005 (ON 26) stehen - wie die Generalprokuratur in ihrer Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes zutreffend ausführt - mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Tritt der Staatsanwalt - wie hier - nach Eröffnung der Hauptverhandlung von der Anklage zurück, ist der Angeklagte gemäß § 259 Z 2 StPO freizusprechen. Das freisprechende Urteil ist grundsätzlich sofort nach Rücktritt von der Anklage zu verkünden, und zwar auch dann, wenn er sich nur auf einzelne Taten erstreckt (Lendl, WK-StPO § 259 Rz 27, 33). Das Landesgericht für Strafsachen Graz hätte daher noch in der Hauptverhandlung vom 10. Februar 2005 bezüglich des im einbezogenen Verfahren AZ 6 U 184/04g des Bezirksgerichts Voitsberg enthaltenen Vorwurfes des Betrugs explizit einen Freispruch gemäß § 259 Z 2 StPO fällen müssen. Das Unterlassen einer urteilsmäßigen Erledigung kommt allerdings im Ergebnis einem Freispruch gleich (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 14), sodass keine konkreten Maßnahmen durch den Obersten Gerichtshof geboten war. Das Erstgericht hat zu seinem Schuldspruch vom 18. August 2005 ausdrücklich festgestellt (vgl RIS-Justiz RS0101734), dass der durch die Sachbeschädigung zum Nachteil des Robert K***** herbeigeführte Schaden 3.000 Euro nicht übersteigt. Die rechtliche Qualifikation nach § 126 Abs 1 Z 7 StGB erweist sich daher als verfehlt. Der Oberste Gerichtshof sah sich im Sinne des § 292 letzter Satz StPO veranlasst, neben der Feststellung der Gesetzesverletzungen in der Sache wie aus dem Spruch ersichtlich vorzugehen.

Eine Angleichung des schriftlichen Urteils an dessen mündliche Verkündung (s S 249: „Strafe gem. §§ 125, 107 Abs 1") war nach dessen Rechtskraft nicht mehr möglich (15 Os 61/97, RZ 1998/9; Danek, WK-StPO § 270 Rz 57).

Bei der Strafneubemessung war erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel und eine teilweise Schadensgutmachung.

Unter Anwendung von §§ 28, 37 StGB war nach § 107 Abs 1 StGB auf eine Geldstrafe von 150 Tagessätzen zu erkennen.

Die Mindesthöhe des Tagessatzes (§ 19 Abs 2 StGB) folgt aus der eingeschränkten wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Angeklagten.

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