Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Innsbruck zugeleitet.
Dem Angeklagten Mario K***** fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschworenen beruhenden Urteil, das auch in Rechtskraft erwachsene Freisprüche der beiden Mitangeklagten und einen rechtskräftigen Teilfreispruch des Beschwerdeführers enthält, wurde Mario K***** des Verbrechens nach § 3g (zu ergänzen:) erster Fall VG schuldig erkannt.
Danach hat er sich „auf andere als die in §§ 3a bis 3f VG bezeichnete Weise im nationalsozialistischen Sinn betätigt, und zwar
1. am 1. August 2007 in Innsbruck durch Brennen einer CD mit Liedern der nationalsozialistischen und ausländerfeindlichen sowie rechtsextremistischen Musikgruppen Landser, Störkraft und Stahlgewitter zwecks Weitergabe an Marco B***** mit folgendem, auszugsweise wiedergegebenen Text: ,Wetzt die langen Messer auf dem Bürgersteig, lasst die Messer flutschen in den Judenleib. Blut muss fließen knüppelhageldick ... Schmiert die Guillotine mit dem (gemeint:) Judenfett ...´,
2. im Juni 2007 in Innsbruck in seiner Wohnung durch Aufbewahren und Herzeigen einer Hakenkreuzfahne, Parteiabzeichen der NSDAP, T-Shirts mit SS-Runen, ,Combat 18´, ,Support 18´ bei Treffen mit Freunden/Freundinnen und Bekannten."
Rechtliche Beurteilung
Die dagegen aus den Gründen des § 345 Abs 1 Z 5, 10a und 11 lit a StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten verfehlt ihr Ziel.
Entgegen dem Vorbringen der Verfahrensrüge (Z 5) wurde der Beschwerdeführer durch Abweisung des Antrags auf Einholung eines „Sachverständigengutachtens sowie Ladung des Sachverständigen" zum Beweis dafür, dass „die einzelnen dem Angeklagten zu Punkt A 1. der Anklage vorgeworfenen Handlungen mit Rücksicht auf das Umfeld, in dem sich der Angeklagte bewegt hat, seinen geistigen Hintergrund und seinen Bildungsstand auf Tatsachenebene zwar als jugendliches, rechtsradikales Mitläufertum, nicht aber als nationalsozialistisch im Sinne des 3g VG zu qualifizieren ist." (ON 66; S 361/III), in seinen Verteidigungsrechten nicht verletzt.
Sachverständige sind nur dann beizuziehen, wenn nicht jedes Mitglied des in der Schuldfrage (im Fall der Z 11 erster Fall iVm Z 4: in der Sanktionsfrage) erkennenden Spruchkörpers die erforderlichen Fachkenntnisse für die Beurteilung einer Tatfrage besitzt (§§ 125 Abs 1, 126 Abs 1 StPO), welche Wertung der Oberste Gerichtshof bezogen auf den Einzelfall vorzunehmen hat (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 346). Insoweit der Beweisantrag - wie in dessen Begründung behauptet - überhaupt auf eine Verbreiterung der Entscheidungsgrundlagen in Bezug auf die - auf der Feststellungsebene angesiedelte und somit alleine den Geschworenen zur Beantwortung vorbehaltene (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 618; Lässig in WK² § 3g VG Rz 17; 13 Os 28/04) - Bejahung oder Verneinung der Sachverhaltsgrundlagen des normativen Tatbestandselements „nationalsozialistisch" iSd § 3g VG abzielte, ist weder ersichtlich, noch dem Antrag zu entnehmen, welches - den Laienrichtern fehlende - besondere Fachwissen hiefür erforderlich gewesen wäre, weshalb das Erstgericht die Lösung der Tatfrage zutreffend den Geschworenen im Rahmen ihrer Beweiswürdigung überließ und die vorherige Befassung eines Experten ablehnte. Die Bewertung einer Betätigung als „im nationalsozialistischen Sinn" als Rechtsfrage stellt hinwieder keinen Gegenstand der Beweisaufnahme und damit auch nicht des Nichtigkeitsgrundes des § 345 Abs 1 Z 5 StPO dar (13 Os 43/98; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 343).
Der weiters reklamierte Antrag auf „Ausführung des Mario K***** zum Zwecke des Besuches einer Vorlesung bei Prof. G***** auf der UNI-Innsbruck und anschließende Befragung des Erstangeklagten nach Besuch des Seminars (S 361/III)", erschöpft sich in der Wiederholung eines außerhalb der Hauptverhandlung im Zwischenverfahren - dort unter Berufung auf „§ 184 StPO iVm § 98 Abs 2 StVG" - bereits schriftlich gestellten und vom Vorsitzenden abgelehnten Begehrens (ON 79, 81 und 103). Inwiefern der Besuch eines Universitätslehrgangs und eine daran anschließende Vernehmung des Angeklagten für die Lösung der Schuld- oder Subsumtionsfrage relevant, mithin geeignet gewesen wäre, die Beweislage zu Gunsten des Beschwerdeführers zu ändern, ist ihm nicht zu entnehmen, weshalb durch seine Abweisung gleichermaßen keine Verteidigungsrechte verletzt wurden. Im Übrigen hat das Erstgericht - von der Beschwerde eingeräumt - dem Begehren auf neuerliche Einvernahme des Angeklagten ohnehin entsprochen und ihm im bekämpften Zwischenerkenntnis lückenhafte politische und historische Bildung zugestanden (S 363/III).
Das die Anträge ergänzende Beschwerdevorbringen hat aufgrund des im Nichtigkeitsbeschwerdeverfahren geltenden Neuerungsverbots auf sich zu beruhen. Auf die Begründung der abweislichen Entscheidung über den Antrag kommt es zudem nicht an.
Die Tatsachenrüge (Z 10a) spricht mit dem - aus dem ausschließlich in der Wohnung des Angeklagten gelegenen Tatort und der Verneinung der Hauptfrage 3 durch die Geschworenen entwickelten - Einwand, es sei „höchst zweifelhaft", ob Marco B***** oder Freunde und Bekannte des Beschwerdeführers durch die gebrannte CD oder die Betrachtung der vom Schuldspruch 2. umfassten Gegenstände „im Hinblick auf deren Gesinnung propagandistisch überhaupt beeinflusst werden konnten", keine entscheidende Tatsache an, weil das Verbrechen nach § 3g VG als abstraktes Gefährdungsdelikt konzipiert ist und demnach auf der objektiven Tatseite weder den Eintritt des tätergewollten Erfolgs noch eine konkrete Gefährdung voraussetzt (vgl dazu Lässig in WK² VG § 3g Rz 8 mwN; RIS-Justiz RS0079825).
Indem sie aus der Verantwortung des Angeklagten „Wissenslücken zur NS Ideologie", fehlende konkrete Vorstellungen von der Bedeutung des NS-Regimes und des Inhalts des Parteiprogramms der NSdAP und eine mangelhafte Schulbildung ableitet und auf dieser Basis der Sache nach einen Irrtum über das (normative) Tatbestandselement (§ 5 Abs 1 StGB) nationalsozialistischer Betätigung behauptet, vermag sie keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu einem auf nationalsozialistische Betätigung gerichteten Vorsatz des Angeklagten zu wecken. Vielmehr wendet sie sich insgesamt nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren nicht vorgesehenen Schuldberufung in unzulässiger Weise gegen die Beweiswürdigung der Laienrichter. Die Rechtsrüge (Z 11 lit a) orientiert sich mit ihrem Einwand, bloß das Brennen von CDs mit nationalsozialistischen Inhalten, nicht aber von solchen mit „rechtsextremen und ausländerfeindlichen Texten", sei tatbildlich iSd § 3g VG, nicht am Inhalt des Wahrspruchs, welcher den inkriminierten Liedertext auf der vom Angeklagten (mit dem Ziel der Weitergabe) gebrannten CD auszugsweise wiedergibt und als typisches Liedgut der auch als nationalsozialistisch eingestuften, im Wahrspruch genannten Musikgruppen bewertet, und verfehlt solcherart den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt.
Die nicht näher erläuterten Beschwerdebehauptungen, dieser Liedertext sei zwar „gewaltverherrlichend, antisemitisch und geschmacklos", aber nicht „explizit nationalsozialistisch" und das „bloße Aufbewahren und Herzeigen" der vom Schuldspruch 2 umfassten Gegenstände an Freunde und Bekannte stelle „noch" keine „Betätigung iSd. § 3 VG" dar, entziehen sich mangels argumentativen Substrats einer inhaltlichen Erwiderung.
Nur der Vollständigkeit halber ist anzumerken, dass unklar bleibt, was der Beschwerdeführer aus der Entscheidung des EGMR im Fall Vajnai gegen Ungarn (Appl. no 33629/06), die einen gänzlich anderen Sachverhalt, nämlich die Verwendung eines roten Sterns anlässlich der Kundgebung der ungarischen Arbeiterpartei betraf, für seinen Standpunkt zu gewinnen trachtet.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts Innsbruck zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO). Die Kostenentscheidung stützt sich auf § 390a Abs 1 StPO.
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