OGH 14Os90/08d

OGH14Os90/08d5.8.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 5. August 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Falmbigl als Schriftführer in der Strafsache gegen Zoran J***** wegen des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. April 2008, GZ 043 Hv 36/08i-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Zoran J***** des Verbrechens des Suchtgifthandels nach § 28a Abs 1 fünfter Fall und Abs 4 Z 3 SMG (I.) sowie mehrerer Vergehen des unerlaubten Umgangs mit Suchtgiften nach § 27 Abs 1 Z 1 erster und zweiter Fall und Abs 2 SMG (II.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien vorschriftswidrig

I. von 15. Oktober 2007 bis 17. Jänner 2008 Suchtgift in einer das 25-fache der Grenzmenge (§ 28b SMG) übersteigenden Menge anderen überlassen, indem er insgesamt „ca 5.950" (richtig: 5.850 - US 7) Gramm Kokain mit einer Reinsubstanz von rund 65 % (= „3.867,5" [richtig: 3.802,5] Gramm Cocain HCI) an drei nur unter den Spitznamen „Bärtiger", „Bärli" und „Freund" bekannte Abnehmer verkaufte und II. von ca Herbst 2007 bis Mitte Jänner 2008 „gelegentlich" etwa drei bis vier Gramm Kokain pro Woche zum persönlichen Gebrauch erworben und besessen.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen nominell aus den Gründen der Z 3, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Die Verfahrensrüge (Z 3) spricht in Betreff des Schuldspruchs I. einen - vom Erstgericht selbst erkannten und erläuterten (US 8) - Widerspruch zwischen Entscheidungsgründen und deren Referat im Erkenntnis (§ 260 Abs 1 Z 1 StPO) im Hinblick auf die Menge des vom Angeklagten anderen überlassenen Suchtgifts an.

Weshalb mit Blick auf die von den Tatrichtern ohnehin bloß ungefähr („ca") bezifferbare tatverfangene Gesamtenge von nahezu sechs Kilogramm Kokain die relevierte Differenz von (brutto) 100 Gramm im konkreten Fall für die Individualisierung der Taten von Belang sein sollte, macht sie jedoch nicht deutlich.

Durch die Anführung von Tatzeitraum, Tatort, Art und ungefährer Menge des an drei - durch die Nennung der Spitznamen definierte - Abnehmer verkauften Suchtgifts im Verein mit den bereits angesprochenen Erläuterungen des Erstgerichts, wonach die angesprochene Divergenz auf einem Rechenfehler beruht (US 8), wurde dem Individualisierungsgebot zudem ohnehin entsprochen. Soweit der Ausspruch nach § 260 Abs 1 Z 1 StPO - neben einer in der Anführung der in den Entscheidungsgründen festgestellten Tatsachen bestehenden Ordnungsfunktion - eine sichere Individualisierungsgrundlage bezweckt, streiten daraus resultierende Zweifel im Fall einer nachfolgenden Verurteilung im Übrigen für die Annahme von Tatidentität und damit das Vorliegen des aus dem 16. Hauptstück der StPO resultierenden Verfolgungshindernisses. Unter dem Aspekt der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO kommt dem Vorbringen schon deshalb keine Berechtigung zu, weil keine entscheidende Tatsache angesprochen wird (zum Ganzen: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 266 bis 268, 288, 291, 392, 437).

Gleiches gilt für den Einwand der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall), das Erstgericht habe in Betreff des Schuldspruchs I. in der Hauptverhandlung vorgekommene - von der Beschwerde deutlich genug bezeichnete - Verfahrensergebnisse unerörtert gelassen, aus denen - nach dem Rechtsmittelstandpunkt - statt der konstatierten Menge von

5.950 Gramm (mit einer Reinsubstanz von 3.867,5 Gramm) an andere überlassenen Kokains bloß eine Quantität von 4.210 Gramm bzw von

3.650 Gramm abzuleiten gewesen wäre.

Denn auch durch die vom Angeklagten zugestandene Menge von 3.650 Gramm Kokain mit einem - insoweit unbekämpft gebliebenen - Reinheitsgehalt von 65 % (= 2372,5 Gramm Reinsubstanz Cocain HCI) wird die Grenzmenge des § 28b SMG (15 Gramm Reinsubstanz Cocain HCI) um mehr als das 25-fache (nämlich ca um das 158-fache) überschritten und damit das Verbrechen nach § 28a Abs 1 fünfter Fall, Abs 4 Z 3 SMG verwirklicht. Im Hinblick darauf, dass die Tatrichter das Verhalten des Nichtigkeitswerbers als tatbestandliche Handlungseinheit beurteilten (vgl für viele: 13 Os 1/07g [verst. Senat] mwN) liegt nur eine - der genannten rechtlichen Kategorie zu unterstellende - Tat und nicht eine Mehrheit selbständiger und selbständig anfechtbarer Taten vor, weshalb der Wegfall der Überlassung einer Teilmenge weder den Schuldspruch noch die Subsumtion einer begangenen Tat oder den angewendeten Strafsatz in Frage stellen würde.

Demgemäß kommt auch der auf der gleichen Argumentation basierenden Tatsachenrüge (Z 5a) keine Berechtigung zu. Inwiefern das Erstgericht in diesem Zusammenhang „der ihm obliegenden Verpflichtung zur amtswegigen Erforschung der Wahrheit nicht entsprochen" haben soll, ist zudem nicht nachvollziehbar.

Mit dem nominell aus Z 5 erhobenen Einwand, das Erstgericht habe nicht festgestellt, „dass es sich bei dem beim Angeklagten im Zeitpunkt seiner Festnahme vorgefundenen Geldbetrag von 5.140 Euro um einen Vermögensvorteil aus einer mit Strafe bedrohten Handlung handelt", weshalb der Ausspruch über die Abschöpfung der Bereicherung „unbegründet geblieben" sei, wird - ohne die unrichtige Lösung einer Rechtsfrage (Z 11) aufzuzeigen - bloß ein Berufungsvorbringen erstattet (vgl 15 Os 13/04, 13 Os 119/04 ua). Im Übrigen erzielte der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen - bei einer Gesamtmenge von beinahe sechs Kilogramm - pro verkauftem Kilogramm einen Gewinn von 7.000 Euro (US 7), womit die rechtlichen Voraussetzungen für die Bereicherungsabschöpfung nach § 20 Abs 1 (Z 1) StGB, die dem Beschwerdestandpunkt zuwider eine Identität des (durch oder) für die rechtswidrige Handlung erlangten Vermögensbestandteils mit dem nun vorhandenen Vermögen gar nicht erfordert (vgl Fabrizy StGB8 § 20 Rz 1; Fuchs/Tipold in WK² Vor § 20 Rz 22), gegeben sind. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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