OGH 4Nc9/08y

OGH4Nc9/08y28.7.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden und die Hofrätin Dr. Schenk und den Hofrat Dr. Jensik als weitere Richter in der Unterhaltssache (vormals Pflegschaftssache) des Christoph ***** S*****, vertreten durch Hirtzberger Sacha Katzensteiner Rechtsanwälte GmbH in Krems, gegen die Antragsgegnerin Stefanie S*****, vertreten durch Dr. Peter Mair, Rechtsanwalt in Bad Ischl, wegen Übertragung der Zuständigkeit gemäß § 111 JN, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die mit Beschluss des Bezirksgerichts Bad Ischl vom 26. Mai 2008, GZ 1 P 41/06d-U-34, gemäß § 111 Abs 1 JN verfügte Übertragung der Pflegschaftssache des mj Christoph ***** S*****, an das Bezirksgericht Krems an der Donau wird nicht genehmigt.

Text

Begründung

Am 13. Mai 2008 (eingelangt am 15. Mai 2008) stellte der Vater für seinen damals noch minderjährigen Sohn, der bei ihm im Sprengel des Bezirksgerichts Krems an der Donau wohnt, etwa drei Wochen vor dessen Volljährigkeit einen Antrag auf Unterhaltserhöhung ab 1. Mai 2008. Die Mutter des Antragstellers wohnt im Sprengel des Bezirksgerichts Thalgau.

Das Bezirksgericht Bad Ischl übertrug mit Beschluss vom 26. Mai 2008, GZ 1 P 41/06d-U-34, die Zuständigkeit zur Besorgung dieser Pflegschaftssache unter Hinweis auf den Wohnort des Sohnes an das Bezirksgericht Krems an der Donau.

Das Bezirksgericht Krems an der Donau verweigerte die Übernahme. Die Übertragung der Zuständigkeit wenige Tage vor Erreichen der Volljährigkeit des Antragstellers sei unzweckmäßig. Das Bezirksgericht Bad Ischl habe aufgrund seiner bisherigen Tätigkeit in diesem Verfahren eine besondere Sachkenntnis erworben. Wenngleich die unterhaltspflichtige Mutter nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Bad Ischl ihren gewöhnlichen Aufenthalt habe, sei ihr eine Anreise zu diesem Gericht zur Parteieneinvernahme wesentlich leichter möglich als zum Bezirksgericht Krems an der Donau.

Das Bezirksgericht Bad Ischl legte nach Eintritt der Rechtskraft des Übertragungsbeschlusses den Akt dem Obersten Gerichtshof zur Entscheidung vor. Das übertragende Gericht habe betreffend das im Mai 2008 eingeleitete Unterhaltsverfahren noch keine Vernehmungen oder Erhebungen durchgeführt. Es habe auch keine besondere Sachkenntnis in dem Akt erworben, weil dieser nur zwei Jahre anhängig gewesen sei. Da beide Parteien nicht im Sprengel des Bezirksgerichts Bad Ischl wohnten und das Unterhaltsverfahren voraussichtlich längere Zeit in Anspruch nehmen werde, erscheine eine Abtretung zweckmäßig. Überdies müsse der Antragsteller nach Erreichen der Volljährigkeit über seine Rechte belehrt werden (Entfertigung).

Rechtliche Beurteilung

Gemäß § 111 Abs 1 JN kann das zur Besorgung der pflegschaftsgerichtlichen Geschäfte zuständige Gericht von Amts wegen oder auf Antrag seine Zuständigkeit ganz oder zum Teil einem anderen Gericht übertragen, wenn dies im Interesse eines Minderjährigen oder sonst Pflegebefohlenen gelegen erscheint, insbesondere wenn dadurch die wirksame Handhabung des pflegschaftsgerichtlichen Schutzes voraussichtlich gefördert wird. Nur unter dieser Voraussetzung kann der Grundsatz der perpetuatio fori, wonach jedes Gericht in Rechtssachen, die rechtmäßigerweise bei ihm anhängig gemacht wurden, bis zu deren Beendigung zuständig bleibt, wenn sich auch die Umstände, die bei Einleitung des Verfahrens für die Bestimmung der Zuständigkeit maßgebend waren, während des Verfahrens geändert hätten (§ 29 JN), durchbrochen werden (4 Nc 13/07k mwN). Diese Bestimmung bezweckt die Sicherstellung der wirksamsten Handhabung des pflegschaftsbehördlichen Schutzes. Eine Übertragung muss daher im Interesse des Pflegebefohlenen gelegen sein (Mayr in Rechberger3 § 111 JN Rz 1 mwN). Maßgebend ist immer das Kindeswohl (RIS-Justiz RS0047300 [T7]).

Auch wenn offene Anträge die Übertragung der Zuständigkeit in einer Pflegschaftssache an das Gericht des neuen Lebensmittelpunkts des Kindes grundsätzlich nicht hindern (RIS-Justiz RS0046895, RS0046929), ist es im vorliegenden Fall nicht zweckmäßig, diese Übertragung unmittelbar nach dem Erreichen der Volljährigkeit des Kindes zu genehmigen. Im fortgesetzten - vom mittlerweile volljährigen Sohn zu führenden - Verfahren fällt der Antragsteller nicht mehr unter den besonderen pflegschaftsbehördlichen Schutz, den das Gesetz Minderjährigen zukommen lässt. Bereits deshalb ist die Übertragung der Pflegschaftssachen an das Bezirksgericht des Aufenthaltsorts des Sohnes - zumal § 111 JN als Ausnahmebestimmung einschränkend auszulegen ist (RIS-Justiz RS0046908 [T9]; Mayr aaO mwN) - nicht zu genehmigen (4 Nc 13/07k mwN).

Stichworte