OGH 15Os54/08t

OGH15Os54/08t26.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 26. Juni 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Dr. T. Solè und Mag. Lendl sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Bachner-Foregger als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer in der Medienrechtssache des Antragstellers Harald S***** gegen die Antragsgegnerin Ö*****-*****GmbH wegen §§ 6 ff MedienG, AZ 092 Hv 114/07v des Landesgerichts für Strafsachen Wien, über den Antrag des Antragstellers Harald S***** auf Erneuerung des Medienrechtsverfahrens gemäß § 363a Abs 1 StPO nach Anhörung der Antragsgegnerin und der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Gegenstand des Verfahrens nach dem Mediengesetz ist ein in der Zeitung „Österreich" vom 21. Juni 2007 auf der Titelseite unter „Russen-Spion geht frei. Sein Komplize kaufte Autos um 40.000 Euro."

angekündigter, im Blattinneren auf S 12 unter der Überschrift „Russen-Spion kommt heute frei" veröffentlichter Artikel. Der Antragsteller Harald S***** begehrte, der Antragsgegnerin „Ö*****"-***** GmbH gemäß § 8a Abs 5 MedienG die Veröffentlichung einer kurzen Mitteilung über das eingeleitete Verfahren aufzutragen und sie nach §§ 6 ff MedienG zur Zahlung einer Entschädigung sowie nach § 8a Abs 6 MedienG zur Urteilsveröffentlichung zu verurteilen. Mit Beschluss vom 27. August 2007, GZ 092 Hv 114/07v-3, stellte die Einzelrichterin das Verfahren gemäß § 41 Abs 1 und 5 MedienG iVm § 486 Abs 3 StPO aus dem Grunde des § 485 Abs 1 Z 4 StPO ein. Sie stellte fest, der inkriminierte Artikel werde - den Antragsteller betreffend - vom Leser der Zeitung „Ö*****" dahin verstanden, dass gegen Harald S., einen Vizeleutnant des österreichischen Bundesheeres, eine gerichtliche Voruntersuchung wegen des Verdachts von Spionagetätigkeiten für einen russischen Staatsbürger geführt würde und dass der Verdächtige ein Liebhaber schneller teurer Autos sei. Durch diesen Artikel werde in Ansehung des Antragstellers weder der Tatbestand der üblen Nachrede, noch jener der Beschimpfung, Verspottung oder Verleumdung hergestellt, weshalb eine Entschädigung nach § 6 MedienG ausscheide. Ein Anspruch nach § 7b MedienG bestehe deshalb nicht, weil aus der gegenständlichen Veröffentlichung hervorgehe, dass lediglich über einen Verdacht berichtet werde. § 7a MedienG komme als Entschädigungstatbestand ebenfalls nicht zum Tragen, weil das öffentliche Interesse an der Preisgabe der Identität des Antragstellers seines an deren Geheimhaltung überwogen habe. Vor dieser Beschlussfassung hatte die Einzelrichterin dem Vertreter des Antragstellers, Dr. Johannes H*****, telefonisch mitgeteilt, dass sie beabsichtige das Verfahren einzustellen. Der Antragstellervertreter erklärte, auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung zu verzichten (Aktenvermerk vom 22. August 2007 [ON 2]).

Mit Beschluss vom 14. Dezember 2007, AZ 17 Bs 231/07f, gab das Oberlandesgericht Wien der Beschwerde des Antragstellers nicht Folge.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diese Beschlüsse des Landesgerichts für Strafsachen Wien und des Oberlandesgerichts Wien als Beschwerdegericht richtet sich, gestützt auf die Behauptung einer Verletzung in den Grundrechten auf ein faires Verfahren nach Art 6 Abs 1 MRK und Achtung des Privat- und Familienlebens nach Art 8 MRK, der Antrag des Antragstellers Harald S***** auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG.

Der Antragsteller ist aus folgenden Erwägungen nicht antragslegitimiert:

Im (wie hier) selbstständigen Entschädigungsverfahren (§ 8a MedienG) hat gemäß § 41 Abs 6 MedienG der Antragsgegner (Medieninhaber) die Rechte des Angeklagten, demgemäß aber der Antragsteller die Rechte des Privatanklägers (Rami in WK2 MedienG § 8a Rz 3; Brandstetter/Schmid MedienG² § 8a Rz 8f; Berka/Höhne/Noll/Polley MedienG² § 8 Rz 6f). Ein Recht des Privatanklägers oder des diesem gleichgestellten Antragstellers im selbstständigen Entschädigungsverfahren (§ 8a MedienG) auf - stets kassatorische (§§ 363b Abs 3 erster Satz, 363c Abs 2 StPO), damit für den außer Verfolgung gesetzten Angeklagten (Antragsgegner) nachteilige - Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO (iVm § 41 Abs 1 MedienG) entspricht nicht dem Willen des Gesetzgebers und der diesem Rechtsbehelf zugrunde liegenden legistischen Zielsetzung:

Das ergibt sich aus der Vorschrift des § 363b Abs 3 letzter Satz StPO, die - ohne die nach dem System der Strafprozessordnung bei sowohl zugunsten als auch zum Nachteil des Angeklagten eingeräumten Rechtsmitteln und Rechtsbehelfen übliche differenzierende Anordnung des Verbots der reformatio in peius (§§ 290 Abs 2, 292 letzter Satz, 295 Abs 2, 358 Abs 5, 362 Abs 4 StPO) - für das erneuerte Verfahren die uneingeschränkte Geltung des - zwar explizit nur eine strengere Strafe, der Sache nach damit aber umso mehr auch einen Schuldspruch anstelle eines rechtskräftigen Freispruchs oder einer rechtskräftigen gerichtlichen Verfahrenseinstellung verbietenden - Verschlechterungsverbots bestimmt.

Wenngleich der Wortlaut des § 363a Abs 2 StPO zwar mit der insoweit weit gefassten Bezeichnung („der von der festgestellten Verletzung Betroffene") Privatankläger oder Antragsteller vom Kreis der - neben dem Generalprokurator - zu einem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens Legitimierten nicht explizit ausnimmt, ist der Begriff des „Betroffenen" infolge des Verbots einer Schlechterstellung rechtskräftig Freigesprochener oder durch das Gericht außer Verfolgung Gesetzter in der Weise teleologisch dahin zu reduzieren, dass Privatankläger (Antragsteller nach § 8a MedienG) nicht darunter fallen.

Dies ist auch bereits aus den Gesetzesmaterialien zum Strafrechtsänderungsgesetz1996 (EBRV33 BlgNR 20. GP, 64 ff) abzuleiten, wonach mit dem in Rede stehenden, in Umsetzung der sich aus Art 46 Abs 1 (früher Art 53) MRK ergebenden Befolgungspflicht zur Transformation von Urteilen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte in die innerstaatliche Rechtsordnung geschaffenen Rechtsinstitut strafgerichtlich Verurteilten sowie „von einer sonstigen Verfügung Betroffenen" (gemeint: in ihren Grundrechten verletzten dritten Personen), demnach nicht aber Privatanklägern (oder Antragstellern im selbstständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a MedienG), im Sinne der intendierten spezifischen Erweiterung des Rechtsschutzes die Möglichkeit einer restitutio in integrum eingeräumt werden soll (in diesem Sinn auch Reindl, WK-StPO § 363a Rz 15; vgl auch die § 363a StPO entsprechende Bestimmung des § 359 Z 6 dStPO, die eine Wiederaufnahme des Strafverfahrens aus dem hier in Rede stehenden Grund ausdrücklich nur zugunsten des Verurteilten [nicht aber zu dessen Ungunsten, § 362 dStPO] vorsieht). Privatankläger und Antragsteller im selbstständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a MedienG sind daher zu einem Antrag auf Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO nicht legitimiert. Für den Bereich der per analogiam erweiterten Anwendung des § 363a StPO (RIS-Justiz RS0122228) gilt im Hinblick auf die Gültigkeit des zuvor dargelegten gesetzlichen Regelungszwecks nichts anderes.

Auch eine an den Normen der (in Österreich im Verfassungsrang stehenden) MRK orientierte verfassungskonforme Interpretation erfordert kein anderes Auslegungsergebnis. Denn das durch Art 13 MRK garantierte Recht auf eine wirksame Beschwerde verlangt - wie auch, wovon im Übrigen auch der Gesetzgeber des Strafrechtsänderungsgesetzes 1996 ausgegangen ist, die Bestimmung des Art 46 Abs 1 [53 alt] MRK (vgl EBRV 33 BlgNR 20.GP , 64; Okresek in Korinek/Holoubek, Österreichisches Bundesverfassungsrecht, Art 46 EMRK Rz 9 bis 11) - nicht zwingend die Aufhebung (§§ 363b Abs 3 erster Satz, 363c Abs 2 StPO) der durch eine Konventionsverletzung bedingten innerstaatlichen Entscheidung, sondern lässt den Ausgleich einer Grundrechtsverletzung - etwa (auch) des Privatanklägers oder des Antragstellers im selbstständigen Entschädigungsverfahren nach § 8a MedienG - durch anderweitige effektive Maßnahmen, etwa schadenersatzrechtliche Genugtuung im Wege der Amtshaftung, zu (Matscher FS Kralik [1986], 266; Berka, Die Grundrechte - Grundfreiheiten und Menschenrechte in Österreich [1999] Rz 869 f;

Holoubek, Recht auf eine wirksame Beschwerde, JBl 1992, 137;

Bernegger, Recht auf eine wirksame Beschwerde, in:

Machecek/Pahr/Stadler, Grund- und Menschenrechte in Österreich Band II, 744 ff; Frowein/Peukert EMRK² Art 13 Rz 6; Meyer-Ladewig EMRK² Art 13 Rz 15, 20a).

Die allfällige (bloße) Feststellung einer Grundrechtsverletzung wäre (schon) aus der Bezeichnung des in Rede stehenden Rechtsinstituts („Erneuerung des Strafverfahrens") und der in §§ 363b Abs 2 und Abs 3 sowie § 363c Abs 2 StPO strikt vorgesehenen Entscheidungsalternativen (Zurück- bzw Abweisung des Antrags oder Aufhebung der strafgerichtlichen Entscheidung und erforderlichenfalls Verweisung an das Landesgericht oder Oberlandesgericht bei Stattgebung derselben) systemfremd. Ein derartiges Verständnis des in Rede stehenden Rechtsinstituts der Erneuerung des Strafverfahrens nach § 363a StPO ist im Übrigen auch durch die - im Sinne der vorigen Ausführungen auch eine anderweitige effektive innerstaatliche Umsetzung zulassenden - Garantie des Art 13 MRK nicht geboten und würde als bloße Feststellung einer Konventionsverletzung deren Effektivitätsanforderungen ohnedies nicht genügen (Matscher aaO 266 FN 37; Bernegger aaO, 743 f; Schweizer in Karl, Internationaler Kommentar zur Europäischen Menschenrechtskonvention Art 13, Rz 57). Da somit dem Antragsteller ein Antragsrecht gemäß §363a StPO nicht zukommt, war der Antrag - in Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur - schon bei nichtöffentlicher Beratung gemäß § 363b Abs 2 Z 2 StPO iVm § 41 Abs 1 MedienG zurückzuweisen.

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