OGH 12Os66/08k

OGH12Os66/08k19.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart des Richteramtsanwärters Mag. Puttinger als Schriftführer, in der Strafsache gegen Thomas R***** wegen Vergehen nach § 27 Abs 1 erster und zweiter Fall SMG aF, AZ 6 U 300/05w des Bezirksgerichts Bruck an der Mur, über die von der Generalprokuratur gegen das Urteil dieses Gerichts vom 13. Dezember 2005 (ON 12) erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Dr. Geymayer, des Angeklagten Thomas R***** und seines Verteidigers Mag. Zechner, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In der Strafsache AZ 6 U 300/05w des Bezirksgerichts Bruck an der Mur verletzt das Urteil dieses Gerichts vom 13. Dezember 2005 (ON 12) das Gesetz in der Bestimmung des § 37 SMG aF iVm § 35 SMG aF.

Dieses Urteil sowie der unter einem gefasste Beschluss auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten und Verlängerung der jeweiligen Probezeit werden aufgehoben und dem Bezirksgericht Bruck an der Mur die Neudurchführung des Verfahrens aufgetragen.

Text

Gründe:

Die Polizeiinspektion Bruck an der Mur erstattete am 9. Juli 2007 Anzeige gegen Thomas R***** wegen des Verdachts, in der Zeit vom Herbst 2004 bis zum 24. April 2005 wiederholt Marihuana zum Eigenkonsum erworben und besessen zu haben (ON 2).

Aufgrund dieser Anzeige erhob die Staatsanwaltschaft Leoben am 10. Oktober 2005 einen Antrag auf Bestrafung Thomas R*****s wegen des Vergehens nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen:) erster und zweiter Fall SMG aF (ON 5).

Diesbezüglich ordnete das Bezirksgericht Bruck an der Mur am 10. November 2005 eine Hauptverhandlung an (ON 1). Stellungnahmen iS des § 35 Abs 3 SMG aF wurden weder von der Staatsanwaltschaft (§ 35 Abs 1 SMG aF) noch vom Bezirksgericht (§ 37 SMG aF) eingeholt.

Nach Durchführung der Hauptverhandlung (ON 11) wurde Thomas R***** mit Urteil des Bezirksgerichts Bruck an der Mur vom 13. Dezember 2005 (ON 12) mehrerer Vergehen nach § 27 Abs 1 (zu ergänzen:) erster und zweiter Fall SMG aF schuldig erkannt und hiefür unter Bedachtnahme auf § 28 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe von drei Monaten verurteilt, weil er in der Zeit vom Herbst 2004 bis zum 24. April 2005 wiederholt Suchtgift zum Eigenkonsum erworben und besessen hatte. Gleichzeitig wurde (unter Verlängerung der jeweiligen Probezeit) vom Widerruf dreier bedingter Strafnachsichten abgesehen.

Rechtliche Beurteilung

Wie die Generalprokuratur in der zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt, steht die ohne Durchführung des in § 35 Abs 3 bis Abs 7 SMG aF vorgesehenen Verfahrens vorgenommene Urteilsfällung mit dem Gesetz nicht im Einklang.

Nach den Urteilsfeststellungen erwarb, besaß und konsumierte Thomas R***** im Herbst 2004 zwei bis drei „Joints Marihuana" sowie - nach sieben Übergaben - etwa fünf Gramm Marihuana und in der Zeit vom Dezember 2004 bis zum April 2005 „drei Joints mit Marihuana" (US 4, 5). Mit Blick auf die diesbezügliche Judikatur (Rosbaud in Hinterhofer/Rosbaud § 35 Rz 14) handelte es sich hiebei um jeweils geringe Mengen iS des § 35 Abs 1 SMG aF.

Da die Staatsanwaltschaft trotzdem einen Antrag auf Bestrafung gestellt hat, hätte das Bezirksgericht Bruck an der Mur gemäß § 37 erster Satz SMG aF die in § 35 Abs 3 SMG aF vorgesehenen Erhebungen durchführen und sodann das Vorliegen der Voraussetzungen des temporären Verfolgungshindernisses des § 35 Abs 1 SMG aF prüfen müssen.

Diese Norm sah bei Erfüllung der materiellen Voraussetzungen die obligatorische Verfahrenseinstellung vor. Demgemäß standen auch die - nach der Aktenlage vorliegenden (ON 10) - einschlägigen Vorstrafen der Einstellung nicht entgegen (zuletzt 14 Os 35/05m). Der Umstand, dass im Tatzeitraum die hinsichtlich einiger Vorverurteilungen ausgesprochenen Probezeiten noch nicht abgelaufen waren, vermag hieran schon deshalb nichts zu ändern, weil ein zu einer bedingt nachgesehenen Sanktion Verurteilter insoweit nicht schlechter gestellt werden kann als ein Täter, über den eine unbedingte Strafe verhängt worden ist.

Die Anwendung der Bestimmung des letzten Satzes des § 35 Abs 2 SMG aF ist durch den Wortlaut dieser Norm nicht gedeckt und würde demgemäß eine iS des § 1 Abs 1 StGB unzulässige Analogie zum Nachteil des Verurteilten (Fabrizy, StGB9 § 1 Rz 5 f) darstellen.

Da die Gesetzesverletzung geeignet ist, zum Nachteil des Verurteilten zu wirken, sah sich der Oberste Gerichtshof veranlasst, deren Feststellung gemäß § 292 letzter Satz StPO mit konkreter Wirkung zu verknüpfen.

Im neu durchzuführenden Verfahren wird im Fall eines Schuldspruchs auch zu prüfen sein, ob die strafbaren Handlungen innerhalb der zum AZ 10 Hv 83/00 des Landesgerichts Leoben ausgesprochenen Probezeit begangen worden sind.

Die vom kassierten Urteil rechtslogisch abhängigen Entscheidungen und Verfügungen gelten aufgrund der Aufhebung gleichermaßen als beseitigt (12 Os 99/07m; Ratz, WK-StPO § 292 Rz 28).

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