OGH 4Ob103/08p

OGH4Ob103/08p10.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin Dr. Schenk und die Hofräte Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Österreichische Z*****, vertreten durch Dr. Friedrich Schulz, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei D*****, vertreten durch Hajek & Boss & Wagner Rechtsanwälte OG in Eisenstadt, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 21.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 25. März 2008, GZ 2 R 26/08w-11, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78 und 402 Abs 4 EO iVm § 526 Abs 2 Satz 1 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen.

Text

Begründung

1. Das Rekursgericht untersagte der Beklagten, im Gebiet der Republik Österreich im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in öffentlichen Bekanntmachungen oder anderen Mitteilungen, die für einen größeren Personenkreis bestimmt sind, Verbrauchern gegen Vorlage eines Inserats ein Gratis-Zahntaxi nach Sopron anzukündigen.

2. In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs verweist die Beklagte auf die Unverbindlichkeit ihres Angebots. Die angebotene Gratisleistung könne unabhängig vom Abschluss eines Behandlungsvertrags in Anspruch genommen werden. Die beanstandete Maßnahme unterliege daher nicht dem Zugabenverbot. Sie macht ferner geltend, die Rechtsprechung zur Abgabe von Gratisprodukten und Gratisleistungen zwecks Förderung der allgemeinen Geschäftstätigkeit sei uneinheitlich. Während ihre Ankündigung im Sinn der Entscheidung 4 Ob 2062/96f als unzulässige Zugabe bewertet werden müsste, wäre sie im Sinn der Entscheidungen 4 Ob 109/98b und 4 Ob 260/97p als Maßnahme zur Förderung der allgemeinen Geschäftstätigkeit grundsätzlich zulässig.

Rechtliche Beurteilung

3. Die im Rechtsmittel zitierten Entscheidungen 4 Ob 109/98b (= ÖBl

1999, 32 - m-Gutscheine) und 4 Ob 260/97g (= MR 1997, 327 - Gratis

Zeitungsgutschein) beschäftigten sich mit der Frage, ob der einer Gratiszeitung beigegebene Gutschein dem Zugabenverbot unterliegt. Dies wurde aus der Überlegung verneint, ein derartiger Gutschein sei schon begrifflich keine Zugabe, weil damit kein zusätzlicher Vorteil gegeben werde, der den Absatz der Hauptware (Gratiszeitung) fördern solle.

Diese Entscheidungen sind auf den vorliegenden Sachverhalt nicht ohne Weiteres übertragbar, weil sich das Angebot der Beklagten „Zahntaxi gratis" nach dem Verständnis der angesprochenen Verkehrskreise nicht bloß auf die gleichfalls kostenlos angebotene Erstuntersuchung bezieht. Die Formulierung der Beklagten kann nämlich auch so verstanden werden, dass die Beförderung mittels „Zahntaxi" auch anlässlich späterer Behandlungen (nach Abschluss eines Behandlungsvertrags) gratis sein werde.

Entgegen der Auffassung der Revision dient die Gratisbeförderung nach den hier gegebenen Umständen auch nicht bloß der Förderung der allgemeinen Geschäftstätigkeit der Beklagten, sondern vielmehr der Förderung des Abschlusses konkreter Behandlungsverträge mit den zunächst zu einer kostenlosen Erstuntersuchung transportierten Personen.

4. Die Beklagte weist zutreffend auf die Unverbindlichkeit ihres Angebots hin, Interessenten mittels Gratistaxi unabhängig vom Abschluss eines Behandlungsvertrags zu befördern. Die kostenlose Beförderung von Interessenten ist keine Zugabe, wenn sie unverbindlich und unabhängig von einem Kauf (oder auch der Inanspruchnahme einer sonstigen Leistung) erfolgt (RIS-Justiz RS0084306 [T1]). Sie kann aber einen „psychischen Kaufzwang" auslösen, der die Interessenten in ihrer Entscheidungsfreiheit so stark beeinträchtigt, dass sie meinen, „anstandshalber" etwas kaufen bzw eine Leistung in Anspruch nehmen zu müssen (4 Ob 2062/96f). Ob nun ein Angebot auf Gratisbeförderung geeignet ist, einen derartigen „psychischen Kaufzwang" entstehen zu lassen, richtet sich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls, insbesondere nach der Art und Weise, wie die Beförderung im Einzelnen durchgeführt wird, und ob dadurch für den Interessenten das Gefühl einer Verpflichtung zum Abschluss eines Vertrags entstehen kann (4 Ob 2062/96f). Daran ist auch nach Inkrafttreten der UWG-Novelle 2007 festzuhalten. Die Entscheidung des Rekursgerichts fällt in den Rahmen der dargelegten Rechtsprechung. Seine Auffassung, das Gefühl einer Verpflichtung, auch die Hauptleistung (Behandlung) in Anspruch nehmen zu müssen, könne (schon) aufgrund des unvermeidlichen persönlichen Kontakts bei Terminvereinbarung und namentlicher Inanspruchnahme des Gratistransports entstehen, verwirklicht keine aufzugreifende Fehlbeurteilung.

Das Leitbild eines durchschnittlich informierten, aufmerksamen und verständigen Verbrauchers erfordert keine abweichende Beurteilung, weil auch ein diesem Verbraucherleitbild entsprechender Interessent es als peinlich empfinden wird, die angebotene Gratisleistung zwar in Anspruch zu nehmen, die danach aber vorgeschlagene Behandlung nicht durchführen zu lassen. Er wird daher wegen der Gratisleistung der Beklagten geneigt sein, auch den Behandlungsvertrag abzuschließen.

Stichworte