OGH 1Ob272/07t

OGH1Ob272/07t10.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Vizepräsidenten Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden und die Hofräte Univ.-Prof. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei K***** OEG, *****, vertreten durch Dr. Stephan Duschel und Mag. Klaus Hanten, Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei Republik Österreich, vertreten durch die Finanzprokuratur, Wien 1., Singerstraße 17-19, wegen 6.940,76 EUR sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 7. September 2007, GZ 5 R 133/07d-12, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 30. Mai 2007, GZ 42 Cg 130/06y-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei binnen 14 Tagen deren mit 416,16 EUR bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung zu ersetzen.

Text

Begründung

Die Klägerin betreibt einen Würstelstandkiosk, welcher im Zuge eines Verkehrsunfalls schwer beschädigt wurde. Sie begehrte daher für die Reparatur und Ersatzanschaffung eines beschädigten Getränkekühlpults vom Verband der Versicherungsunternehmen Österreichs mittels Klage vor dem Landesgericht für Zivilrechtssachen Wien die Zahlung von 14.255,60 EUR. Zugesprochen wurden lediglich 8.231 EUR; der Mehrbetrag wurde abgewiesen. Das Oberlandesgericht Wien gab der Berufung der Klägerin nicht Folge, ließ die ordentliche Revision nicht zu und wies den Antrag der Klägerin gemäß § 508 ZPO und die damit verbundene ordentliche Revision zurück.

Mit der gegenständlichen Amtshaftungsklage begehrte die Klägerin die Zahlung von 5.994,60 EUR an (zu Unrecht) nicht zuerkannten Instandsetzungskosten des Getränkekühlpults und 946,16 EUR an frustrierten Kosten für die Zulassungsrevision. Der Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien gründe auf einer unvertretbaren Rechtsauffassung. Das Getränkekühlpult sei Bestandteil der Gesamtsache „Unternehmen". Es sei daher im Fall einer Beschädigung darauf abzustellen, ob durch die Erneuerung des Getränkekühlpults eine Werterhöhung des gesamten Unternehmens eingetreten sei oder nicht. Im vorliegenden Fall sei eine solche Werterhöhung nicht eingetreten, weshalb der Klägerin der Ersatz des Neuwerts bzw des Wiederherstellungswerts zugestanden und diesbezüglich keine Bereicherung zu erblicken gewesen wäre. Die gegenteilige Rechtsansicht des Oberlandesgerichts Wien sei unzutreffend und die Zurückweisung des Antrags nach § 508 ZPO unvertretbar.

Die Beklagte wendete ein, dass die rechtliche Problematik, ob Einrichtungsgegenstände eines Unternehmens in schadenersatzrechtlicher Hinsicht als Bestandteile desselben oder als selbstständige Sachen anzusehen wären, eine im Einzelfall zu klärende sei. Der Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien sei daher richtig, jedenfalls aber vertretbar gewesen.

Das Erstgericht wies die Klage ab. Die von der Klägerin behauptete Abkehr von der herrschenden Judikatur zur rechtlichen Beurteilung von Unternehmensbestandteilen sei nicht ersichtlich. Ein Verschulden des Oberlandesgerichts Wien im Sinne einer unvertretbaren Rechtsauffassung, das sich die Beklagte nach den Regeln der Amtshaftung zurechnen lassen müsse, könne nicht erblickt werden. Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin nicht Folge und ließ die ordentliche Revision nachträglich zu. Die im Anlassfall zu beurteilende Höhe des Schadenersatzes hänge im Wesentlichen davon ab, ob das durch den Unfall beschädigte Getränkekühlpult Teil einer Sachgesamtheit oder als selbstständige Sache anzusehen sei. In der vom Oberlandesgericht Wien vorgenommenen Beurteilung des Getränkekühlpults als selbstständige Sache könne keine unrichtige rechtliche Beurteilung erblickt werden, weil die Klägerin nicht einmal behauptet habe, dass es nur durch eine unwirtschaftliche Vorgangsweise von der Hauptsache, dem Kiosk, abgesondert werden könne. Der Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien sei vertretbar, weil die Klägerin die Frage der Höhe des Schadenersatzes lediglich „auf einer höheren Ebene", nämlich jener des Unternehmens als Gesamtsache habe verstanden wissen wollen, während genügend Anlass dafür gegeben gewesen sei, die Rechtsfrage mit der bisherigen Judikatur zur Beschädigung einer selbstständigen körperlichen Sache zu lösen.

Rechtliche Beurteilung

Die von der Klägerin gegen das Berufungsurteil erhobene Revision ist entgegen dem gemäß § 508a Abs 1 ZPO nicht bindenden Ausspruch des Berufungsgerichts nicht zulässig.

1. Durch den Vorteilsausgleich soll eine dem schadenersatzrechtlichen Ausgleichsgedanken widersprechende Bereicherung des Geschädigten verhindert werden. Das Problem stellt sich vor allem dann, wenn eine gebrauchte Sache beschädigt oder vernichtet wird und eine gleichwertige gebrauchte Sache nicht beschafft werden kann oder eine solche Beschaffung nicht zumutbar ist. Durch die Erlangung einer neuen Sache würde diesfalls der Geschädigte bereichert. Das kann grundsätzlich nicht Aufgabe des Ersatzrechts sein. Im Rahmen des Schadenersatzrechts ist also stets eine wirtschaftliche Betrachtungsweise geboten. Bei Erneuerung von Sachbestandteilen ist folgendermaßen zu unterscheiden: Werden Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem natürlichen Zugrundegehen bzw Unbrauchbarwerden der Sache nicht hätten erneuert werden müssen und erfährt die alte Sache in ihrer Gesamtheit keine Werterhöhung, so hat der Haftende im Rahmen der Tunlichkeit einer Reparatur die gesamten Reparaturkosten zu ersetzen. Ist eine Sache Bestandteil einer Gesamtsache, dann gelten diese Grundsätze entsprechend. Nur eine Werterhöhung des beschädigten Guts muss sich der Geschädigte anrechnen lassen. Bei Neuerrichtung eines zerstörten Baus etwa wurde ausgesprochen, dass von den Errichtungskosten die Wertsteigerung des Gebäudes abzuziehen sei. Werden hingegen Teile einer Sache erneuert, die ohne Beschädigung vor dem Zugrundegehen bzw vor dem Unbrauchbarwerden der Sache ohnehin hätten erneuert werden müssen, so führt eine Erneuerung der Teile unter Tragung der Gesamtkosten durch den Schädiger dann zu einer Bereicherung des Geschädigten, wenn die Sache auch insgesamt keine Wertsteigerung erfährt, wie dies etwa bei Häusern, Installationen etc der Fall ist (5 Ob 292/05k mwN). Bei gebotener wirtschaftlicher Betrachtungsweise kommt es auf die sachenrechtliche Beurteilung beschädigter Teile als Bestandteile oder Zubehör nicht an. Haben zerstörte Teile auf den gesamten Wert eines Hauses keinen maßgebenden Einfluss, dann hat der Eigentümer nur Anspruch auf den nach ihrer Lebensdauer ermittelten Zeitwert der beschädigten Zubehörteile, nicht aber auf Ersatz der vollen Reparaturkosten (4 Ob 525/90 = JBl 1990, 721). Um eine Bereicherung des Geschädigten zu vermeiden, sind ihm somit nur aliquote Anteile der Erneuerungskosten zu ersetzen.

2. Ein wirtschaftliches Unternehmen besteht im Allgemeinen aus Sachgütern (Bargeld, Warenvorräten, Einrichtungsgegenständen, Maschinen, Liegenschaften usw), Rechten (Gewerbeberechtigungen bzw Konzessionen, Miet- oder anderen Nutzungsrechten an den Betriebsräumen, Lieferungsverträgen, Geldforderungen, Patenten, Lizenzen etc) und wirtschaftlichen Chancen (Absetzgelegenheit, Kundenstock, Lage, Ruf usw), die durch eine zweckvolle Leitung zu einer gegliederten wirtschaftlichen Einheit (Organisation) zusammengefasst sind (RIS-Justiz RS0004228).

3. Die „Lebensdauer" der einzelnen Unternehmensbestandteile ist im Allgemeinen höchst unterschiedlich. Unter Anwendung der zuvor dargestellten Grundsätze ergibt eine wirtschaftliche Betrachtungsweise, dass die Klägerin hier - ohne Rücksicht auf die sachenrechtliche Zuordnung des Getränkekühlpults - nur Anspruch auf Schadenersatz im Rahmen des Zeitwerts des beschädigten Geräts hatte. Die Beurteilung der Vorinstanzen, wonach der Zurückweisungsbeschluss des Oberlandesgerichts Wien - auf Basis der seiner Entscheidung zugrunde liegenden Grundsätze der Bemessung des Schadenersatzes bei Beschädigung von Sachbestandteilen - vertretbar gewesen sei, lässt daher keine (auffallende) Fehlbeurteilung erkennen, die vom Obersten Gerichtshof aufgegriffen werden müsste. Die Revisionsausführungen der Klägerin werfen keine erheblichen Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO auf.

Die Revision ist daher zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet auf den §§ 50, 41 ZPO. Die Beklagte hat in ihrer Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit des Rechtsmittels hingewiesen.

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