OGH 5Ob100/08d

OGH5Ob100/08d3.6.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofrätinnen/Hofräte Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. Roch als weitere Richter in der wohnrechtlichen Außerstreitsache der Antragsteller 1) Daniela R*****, 2) Gertrude V*****, 3) Anna M*****, 4) Rosa S*****, 5) Birgit Maria H*****, 6) Gertrude R*****, 7) Angelica V*****, 8) Johann B*****, 9) Gertrude B*****, 10) Günter S*****, 11) Edeltraud S*****, 12) Maria D*****, 13) Zoltan B*****, 14) Martha C*****, 15) Ing. Stefan S*****, sämtliche vertreten durch die Hasberger Seitz & Partner Rechtsanwälte GmbH in Wien, wider die Antragsgegnerin Helga F*****, vertreten durch die Kadlec & Weimann Rechtsanwalts KG in Wien, wegen § 52 Abs 1 Z 4 WEG 2002, über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Antragsteller gegen den Sachbeschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 8. Februar 2008, GZ 41 R 296/07v‑15, den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der außerordentliche Revisionsrekurs wird mangels der Voraussetzungen des § 37 Abs 3 Z 16 MRG iVm § 52 Abs 2 WEG und § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen (§ 71 Abs 3 AußStrG).

Begründung

Die Antragsteller repräsentieren als Wohnungseigentümer 44,10 %, die Antragsgegnerin 55,90 % der Anteile der Liegenschaft ***** in *****.

Im Jänner 2007 übermittelte die Antragsgegnerin sämtlichen Mit- und Wohnungseigentümern der Liegenschaft ein Schreiben, in dem sie ihre Ansicht der Unausweichlichkeit eines Verwalterwechsels darlegte und die Qualitäten eines von ihr kontaktierten Hausverwalters samt dessen Bewerbungsunterlagen darstellte. Sie lud sämtliche Miteigentümer ein, binnen 3 Wochen einer Beschlussfassung über die Kündigung des alten Verwalters und Bestellung des neuen Verwalters zuzustimmen. Beigelegt wurde ein unausgefülltes Formblatt mit dem Inhalt des vorgeschlagenen Beschlusses, worin allerdings nur die Variante der Zustimmung enthalten war.

Von keinem der Antragsteller erfolgte innerhalb der 3‑wöchigen Frist eine Reaktion auf dieses Schreiben. Daraufhin wurde am 19. 3. 2007 im Haus ein von der Antragsgegnerin erstellter Hausanschlag angebracht, womit sämtliche Miteigentümer über das Ergebnis des Umlaufbeschlusses über den Verwalterwechsel informiert wurden. Dabei wurden die Antragsteller zur Gänze, also mit 44,10 % als stimmenthaltend bezeichnet.

Während das Erstgericht unter Bezug auf die Entscheidung 5 Ob 118/02t = wobl 2004/39 [kritisch Vonkilch] über Antrag der Antragsteller die Rechtsunwirksamkeit des Mehrheitsbeschlusses feststellte, wies das Rekursgericht das entsprechende Feststellungsbegehren ab.

Die den Antragstellern zur Verfügung gestellte Äußerungsfrist sei ausreichend gewesen. Erst nach Ablauf dieser Frist sei ihnen das Ergebnis der Beschlussfassung bekannt gegeben worden.

Entgegen der Ansicht der Antragsteller stelle es keine Mangelhaftigkeit eines Umlaufbeschlusses dar, die zu dessen Unwirksamkeit führe, wenn ein Beschlussentwurf der Mehrheit zur Abstimmung gebracht werde. Solange die Formvorschriften des § 24 WEG eingehalten würden, sei eine solche Vorgangsweise nicht zu beanstanden. Es stelle einen überzogenen Formalismus dar, von den Initiatoren einer Beschlussfassung zu verlangen, die Fragestellung „neutral" zu formulieren, ohne offen zu legen, für welche Variante sie selbst stimmen würden.

Maßgeblich sei, dass die Antragsteller die Möglichkeit gehabt hätten, der Antragsgegnerin ausdrücklich ihre Ablehnung des Beschlussentwurfs mitzuteilen oder alternative Vorschläge zu erstatten.

In ihrem außerordentlichen Revisionsrekurs machen die Antragsteller unter Bezug auf die Entscheidung 5 Ob 118/02t = wobl 2004/39, geltend, dass bereits das fehlende Angebot, mit „nein" zu stimmen und den anderen Gemeinschaftsmitgliedern Gegenargumente zu unterbreiten, zur Rechtsunwirksamkeit des Umlaufbeschlusses führe.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist folgendes klarzustellen:

Seit der Neugestaltung der Vorschriften über die gemeinschaftliche Willensbildung von Wohnungseigentümern durch das 3. WÄG genügt für das Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses nicht mehr eine, wie immer auch zustandegekommene Entscheidung der Mehrheit der Mit- oder Wohnungseigentümer, sondern ist nunmehr allen - auch jenen mit einer voraussichtlich chancenlosen Gegenposition - Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Bei einem schriftlichen Umlaufbeschluss kommt die Entscheidung erst dann zustande, wenn auch dem letzten Miteigentümer die Gelegenheit zur Äußerung geboten wurde (RIS‑Justiz RS0108769; zuletzt 5 Ob 18/07v; 5 Ob 164/07i).

Umlaufbeschlüsse, etwa in Form einer Unterschriftenliste sind grundsätzlich zulässig (5 Ob 146/01h = MietSlg 53/26), ohne dass zuvor eine gesonderte Beschlussfassung oder Verständigung über diese Vorgangsweise erfolgen müsste, was auch für den Fall einer Beschlussfassung über die Auflösung eines Verwaltungsvertrags gilt (vgl ausführlich 5 Ob 18/07v).

Bis zu jenem Zeitpunkt, zu dem die Abstimmungserklärungen allen anderen am Willensbildungsprozess Beteiligten zugegangen ist, kann jeder Mit- und Wohnungseigentümer seine Entscheidung widerrufen. Es ist daher die Bekanntgabe des Ergebnisses erforderlich, um die Entscheidung rechtswirksam werden zu lassen (RIS‑Justiz RS0108769; 5 Ob 118/02t = wobl 2004/39, 150 [Vonkilch]).

Diesen Voraussetzungen wurde in dem der Entscheidung 5 Ob 118/02t zugrundeliegenden Fall deshalb nicht entsprochen, weil die Minderheit der Mit- und Wohnungseigentümer dort bereits mit dem Ergebnis einer Abstimmung (der Mehrheitseigentümer) konfrontiert wurde und nur noch die Möglichkeit geboten wurde, ebenfalls zuzustimmen. Nur in diesem Zusammenhang ist zu verstehen, dass das fehlende Angebot, mit „nein" zu stimmen, und die unterlassene Bekanntmachung des Beschlusses dem rechtswirksamen Zustandekommen eines Mehrheitsbeschlusses entgegenstanden.

Dieser Fall ist nicht mit dem gegenständlichen gleichzusetzen, wo ein Umlaufbeschluss von einer Mehrheit initiiert wurde und die Mit- und Wohnungseigentümer, denen dieser Beschlussentwurf zuging, ohne weiteres durch einen Beisatz wie etwa „bin nicht einverstanden" eine Abstimmungserklärung hätten abgeben können.

Wenn das Rekursgericht bei dieser Sachlage davon ausging, den in § 24 WEG normierten Grundsätzen der Willensbildung der Eigentümergemeinschaft sei hier ausreichend entsprochen worden, um einen wirksamen Beschluss zustande kommen zu lassen, liegt darin jedenfalls keine Rechtsansicht, die vom Obersten Gerichtshof zu korrigieren wäre. In Anbetracht dessen, dass der Entscheidung 5 Ob 118/02t (= wobl 2004/39) ein im Wesentlichen anderer Sachverhalt zugrunde lag, trifft es auch nicht zu, dass mit der Entscheidung gegen höchstgerichtliche Rechtsprechung verstoßen worden wäre.

Das hatte zur Zurückweisung des außerordentlichen Rechtsmittels der Antragsteller zu führen.

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