Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.
Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde Franz A***** des Verbrechens des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 28. Juni 2007 in Mödling Sabine A***** dadurch vorsätzlich zu töten versucht, dass er von hinten an sie herantretend den Teil eines von ihm mit beiden Händen festgehaltenen Seils über ihren Kopf warf und die sodann um den Hals liegende Schlinge heftig zuzog.
Die Geschworenen haben die Hauptfrage 1 (nach dem Verbrechen des versuchten Mordes nach §§ 15, 75 StGB) bejaht und die Zusatzfrage 2 (nach dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr gemäß § 3 StGB) ebenso wie die Eventualfrage 3 (nach fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs 1 StGB infolge Notwehrüberschreitung) verneint. Die Eventualfrage 4 (in Richtung des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB), die - für den Fall der Bejahung der vorgenannten Frage gestellte - Zusatzfrage 5 (nach dem Rechtfertigungsgrund der Notwehr gemäß § 3 StGB) und die - daran geknüpfte - Eventualfrage 6 (nach fahrlässiger Körperverletzung gemäß § 88 Abs 1 StGB infolge Notwehrüberschreitung) blieben demgemäß unbeantwortet.
Rechtliche Beurteilung
Dagegen wendet sich der Angeklagte mit einer aus Z 5, 6, 10a und 12 des § 345 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde, die ihr Ziel verfehlt.
Die in der Verfahrensrüge (Z 5) beanstandete Angeklagten" durchzuführen, „damit der persönliche Eindruck nicht verloren geht" (S 113/III), lässt - auch mit Blick auf Art 6 Abs 3 lit d MRK - keine Beeinträchtigung der Verteidigungsrechte des Angeklagten erkennen. Warum die Bild- und Tonübertragung der Vernehmung aus einem Nebenzimmer in den Verhandlungssaal (§ 250 Abs 3 erster Satz iVm § 162a Abs 2 erster Satz und Abs 3 zweiter Satz StPO aF [vgl übrigens die der letztgenannten Gesetzesstelle entsprechende Äußerung des Privatbeteiligtenvertreters S 113/III]) den persönlichen Eindruck von der Befragten in einer die zweckentsprechende Ausübung der Verteidigungsrechte schmälernden Weise hätte verhindern können, blieb bei der Antragstellung offen. Erst in der Beschwerde erstattetes Vorbringen dahingehend, dass „sowohl die Bildqualität als auch die Tonqualität nicht optimal waren", ist verspätet, weil die Berechtigung eines Antrags aus dem Blickwinkel des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes stets auf den Zeitpunkt der Antragstellung bezogen zu prüfen ist (RIS-Justiz RS0099618). Warum - was die Zusatzfrage 2 betrifft - entgegen dem Gesetzeswortlaut in Bezug auf Strafausschließungsgründe iwS, die nicht in Gründen des Prozessrechts bestehen (hier: Notwehr gemäß § 3 StGB), nach der Existenzbehauptung des Untersatzes einer (auf den konkreten Fall hin gebildeten) Fallnorm und nicht nach dem Vorliegen der gesetzlichen Kriterien des Strafausschließungsgrundes schlechthin
(vgl § 313 [„... nach dem Strafausschließungs- oder
Strafaufhebungsgrund ... zu stellen"] zu fragen sein soll (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 619), legt die Fragestellungsrüge (Z 6) nicht dar. Indem der Beschwerdeführer eine weitere (gemeint:) Eventual- und eine Zusatzfrage nach durch Notwehr gerechtfertigter Körperverletzung durch Erfassung der Sabine A***** am Hals und Zudrücken mit der Folge von Hautrötungen und oberflächlichen Schürfungen vermisst, geht er an den ohnedies gestellten Fragen 4 und 5 des Frageschemas vorbei. Das Unterbleiben einer Eventualfrage in Richtung des Verbrechens des versuchten Totschlags nach §§ 15, 76 StGB wird abweichend von der Prozessordnung nicht auf Hinweise auf Verfahrensergebnisse betreffend ein vorsätzliches Tötungsverhalten des Angeklagten in einem tief greifenden, allgemein begreiflichen Affekt, sondern auf das Vorbringen gestützt, dass es ausgehend von der „tristen ehelichen Situation iVm der über Monate angespannten Ehelage und des Aufstauens von abneigenden Gefühlen auf beiden Seiten" zum „eskalaratorischen Vorfall vom 28. 6. 2007" kam. Damit werden keine in der Hauptverhandlung vorgebrachten Tatsachen genannt, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die dem Angeklagten zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift angeführte, namentlich unter die §§ 15, 76 StGB (vgl § 314 Abs 1 StPO).
Z 10a des § 345 Abs 1 StPO will als Tatsachenrüge nur schlechterdings unerträgliche Feststellungen zu entscheidenden Tatsachen (das sind schuld- oder subsumtionserhebliche Tatumstände) und völlig lebensfremde Ergebnisse der Beweiswürdigung durch konkreten Verweis auf aktenkundige Beweismittel verhindern. Tatsachenrügen, die außerhalb solcher Sonderfälle auf eine Überprüfung der Beweiswürdigung abzielen, beantwortet der Oberste Gerichtshof ohne eingehende eigene Erwägungen, um über den Umfang seiner Eingriffsbefugnisse keine Missverständnisse aufkommen zu lassen (vgl RIS-Justiz RS0118780).
Mit den Hinweisen auf die Ausführungen des medizinischen Sachverständigen ao Univ.-Prof. Dr. Daniele R*****, der erklärte, dass er gegenüber der Annahme eines Würgens mit den Händen „eher der Version mit dem Seil" den Vorzug gebe (S 54/III), weiters darauf, dass auf den „Abklebungen" vom Hals des Opfers kein „Eigenmaterial des Seils" gefunden wurde, das am Tatort sichergestellt wurde, und das Seil keine Blutflecken aufgewiesen habe, vermag der Beschwerdeführer keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken des Obersten Gerichtshofs gegen die Richtigkeit der im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten entscheidenden Tatsachen zu wecken.
Die Subsumtionsrüge (Z 12) orientiert sich mit dem Vorbringen, der Angeklagte habe „nicht das gesetzliche Tatbild des (versuchten) Mordes begangen, sondern das gesetzliche Tatbild der Körperverletzung", nicht an dem der Prozessordnung zufolge bei Ausführung einer Rechtsrüge zu Grunde zu legenden im Wahrspruch der Geschworenen festgestellten Sachverhalt, sondern davon abweichend an einer eigenständigen Deutung der Ausführungen des medizinischen Sachverständigen, wonach, so ein Drosselungsakt mit einem Seil überhaupt anzunehmen sei, der Angeklagte nicht mit voller Kraft zugezogen habe, und einer Betrachtung der „gesamten Lebenssituation" des Angeklagten und Sabine A*****s, wonach er nicht beabsichtigt habe, einen Mord an ihr zu begehen. Damit verfehlt die Darlegung dieses Nichtigkeitsgrundes eine gesetzmäßige Ausführung. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§§ 285d Abs 1, 344 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§§ 285i, 344 StPO).
Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.
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