OGH 6Ob92/08k

OGH6Ob92/08k8.5.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Pimmer als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schramm, Dr. Gitschthaler und Univ.-Prof. Dr. Kodek als weitere Richter in der Pflegschaftssache des Antragstellers Christian P*****, geboren am *****, Student, *****, gegen den Antragsgegner Helmut P*****, geboren am *****, vertreten durch Radel Stampf Supper Rechtsanwälte OEG in Oberpullendorf, wegen Unterhalts, über den Revisionsrekurs des Antragsgegners gegen den Beschluss des Landesgerichts Leoben als Rekursgericht vom 7. Februar 2008, GZ 2 R 330/07i-25, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Leoben vom 3. Oktober 2007, GZ 20 Fam 10/07y-21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Der Revisionsrekurswerber hat die Kosten seines Revisionsrekurses selbst zu tragen.

Text

Begründung

Der Antragsgegner ist aufgrund des Beschlusses des Bezirksgerichts Eisenerz vom 6. 7. 2000 derzeit verpflichtet, dem Antragsteller einen monatlichen Unterhalt von 218,01 EUR zu bezahlen. Nunmehr begehrt der Antragsteller die Erhöhung des monatlichen Unterhalts auf 290 EUR. Der Antragsgegner trat dem Erhöhungsantrag entgegen und wandte ein, der Unterhaltsanspruch des Antragstellers sei erloschen. Der Antragsteller sei im Hinblick auf die Absolvierung seines Bakkalaureatsstudiums selbsterhaltungsfähig. Zur Finanzierung eines anschließenden Masterstudiums sei der Antragsgegner nicht verpflichtet.

Das Erstgericht verpflichtete den Antragsgegner zur Zahlung eines monatlichen Unterhaltsbetrags von 290 EUR. Dabei ging es davon aus, dass der Antragsteller sein Studium mit Erfolg betreibe und dass die Absolvierung des Masterstudiums die Berufschancen und Verdienstmöglichkeiten wesentlich verbessere.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Nach eingehender Auseinandersetzung mit einer Mängelrüge erwog es in rechtlicher Sicht, beim Masterstudium handle es sich nicht wie beim Doktoratsstudium um ein Studium, das der Vorbereitung wissenschaftlichen Nachwuchses diene, sondern um ein Studium, welches nach dem Willen des Gesetzgebers des UG 2002 der Berufsvorbereitung diene. Daher seien die Kriterien für die Zumutbarkeit der Finanzierung eines solchen Studiums weniger eng zu sehen als bei den Voraussetzungen zur Finanzierung eines Doktoratsstudiums. Im vorliegenden Fall weise das Bakkalaureatsstudium „Betriebswirtschaft" an der Universität Graz bloß 168 ECTS-Punkte auf. Demgegenüber sehe die Verordnung vom 27. 11. 2006 des Kammertags der Kammer der Wirtschaftstreuhänder über die Zulassung zur Fachprüfung für Wirtschaftsprüfer (Wirtschaftsprüfer-FachprüfungszulassungsVO 2006) vor, dass gemäß § 16 Wirtschaftstreuhandberufsgesetz nur Hochschulstudien mit mindestens 6 Semestern und 180 ECTS-Anrechnungspunkten die Zulassung zur Fachprüfung für Wirtschaftsprüfer ermöglichten. Ein Absolvent des Bakkalaureatsstudiums „Betriebswirtschaft" an der Universität Graz könne daher Bankangestellter werden; für weitergehende Berufsaussichten etwa als Wirtschaftsprüfer sei das Bakkalaureatsstudium BWL mit bloß 168 ECTS-Punkten nicht ausreichend.

Die Durchschnittsstudiendauer des Bakkalaureatsstudiums Betriebswirtschaft habe der Antragsteller nur geringfügig (um ein bis zwei Semester) überschritten, wobei in die Zeit seines Studiums die Studienplanänderung durch das UG 2002 gefallen sei. Das Masterstudium werde vom Antragsteller zielstrebig betrieben, weil in den ersten beiden Semestern überdurchschnittlich viele Semesterwochenstunden (28 von insgesamt 36) absolviert worden seien.

Der Revisionsrekurs sei zulässig, weil noch keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, wann nach erfolgreichem Abschluss eines Bakkalaureatsstudiums durch den Unterhaltsberechtigten ein auf das Bakkalaureatsstudium aufbauendes Masterstudium zu finanzieren sei. Weil auch in Zukunft davon auszugehen sei, dass sich regelmäßig die Frage der Finanzierung von Masterstudien stellen werde, liege nach Ansicht des Rekursgerichts eine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung vor.

Hiezu hat der Oberste Gerichtshof erwogen:

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig; er ist aber nicht berechtigt.

1. Der Oberste Gerichtshof billigt die rechtliche Beurteilung des Rekursgerichts sowohl im Ergebnis als auch in der methodischen Ableitung, sodass vollinhaltlich darauf verwiesen werden kann (§ 71 Abs 3 AußStrG).

2. Das Bundesgesetz, mit dem das Universitätsgesetz 2002 geändert wird, BGBl I 2006/74, ersetzte insb die Bezeichnung „Bakkalaureatsstudium" durch „Bachelorstudium" und die Bezeichnung „Magisterstudium" durch „Masterstudium". Gemäß § 51 Abs 2 Z 4 UG 2002 sind Bachelorstudien die ordentlichen Studien, die der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung und der Qualifizierung für berufliche Tätigkeiten dienen, welche die Anwendung wissenschaftlicher und künstlerischer Erkenntnisse und Methoden erfordern.

Gemäß § 51 Abs 2 Z 5 UG 2002 sind Masterstudien die ordentlichen Studien, die der Vertiefung und Ergänzung der wissenschaftlichen und künstlerischen Berufsvorbildung auf der Grundlage von Bachelorstudien dienen.

Demgegenüber sind gemäß § 51 Abs 2 Z 12 UG 2002 Doktoratsstudien die ordentlichen Studien, die der Weiterentwicklung der Befähigung zu selbständiger wissenschaftlicher Arbeit sowie der Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses auf der Grundlage von Diplom- und Masterstudien dienen.

3.1. Zum bisherigen Doktoratsstudium entsprach es gefestigter Rechtsprechung, dass Unterhalt nur dann zu gewähren ist, wenn der durchschnittliche Studienfortgang während des Magisterstudiums überdurchschnittlich war, der Erwerb des Doktorgrads ein besseres Fortkommen erwarten lässt, das Doktoratsstudium zielstrebig betrieben wird und ein maßstabsgerechter Elternteil bei intakten Familienverhältnissen seinem Kind für diesen Zeitraum weiterhin Unterhalt gewähren würde (RIS-Justiz RS0101996; Gitschthaler, Unterhaltsrecht2 Rz 382).

3.2. Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber nicht um die Gewährung von Unterhalt für ein Doktoratsstudium, welches nunmehr nach der gesetzlichen Zielvorgabe des § 51 Abs 2 Z 12 UG 2002 eindeutig nur mehr der Heranbildung und Förderung des wissenschaftlichen Nachwuchses und somit nur mehr sehr eingeschränkt der Berufsvorbereitung dient, sondern um ein Masterstudium, das nach der Vorgabe des § 51 Abs 2 Z 5 UG 2002 der Vertiefung und Ergänzung der wissenschaftlichen Berufsvorbildung dient.

3.3. Die bisher zum Bakkalaureatsstudium (nunmehr Bachelorstudium) ergangenen Entscheidungen des Obersten Gerichtshofs (6 Ob 122/06v; 6 Ob 141/07i) befassen sich nur mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen während des Bakkalaureatsstudiums ein Unterhaltsanspruch besteht, insbesondere damit, wie bei einem Bakkalaureatsstudium der angemessene Studienfortgang auch vor Ablauf der Studienhöchstdauer in Anbetracht des Fehlens einer Gliederung in Studienabschnitte überprüft werden könne. Im vorliegenden Fall geht es demgegenüber um die Frage, ob dem Unterhaltsberechtigten nach Abschluss des Bakkalaureatsstudiums noch ein Unterhaltsanspruch für ein anschließendes Masterstudium zusteht.

4.1. Im Hinblick auf die Ansiedelung des Masterstudiums deutlich unterhalb des Doktoratsstudiums können die von der bisherigen Rechtsprechung für das Doktoratsstudium entwickelten Anforderungen nicht in voller Strenge auf das Masterstudium nach dem UG 2002 übertragen werden. Entscheidend ist vielmehr, dass auch das Masterstudium noch unmittelbar der Berufsvorbildung dient.

4.2. Dies muss jedenfalls dann gelten, wenn - wie im vorliegenden Fall - die Absolvierung des Masterstudiums auch Voraussetzung für die Ausübung bestimmter Berufe wie für Wirtschaftsprüfer darstellt. Die Voraussetzungen für die Tätigkeit als Wirtschaftsprüfer erfüllt das Bakkalaureatsstudium „Betriebswirtschaft" an der Universität Graz im vorliegenden Fall nicht; dies wird auch vom Revisionsrekurswerber nicht bestritten. Wenn das Erstgericht bei dieser Sachlage - gestützt auf eine Auskunft der Universität Graz - davon ausging, nach Absolvierung des Bachelorstudiums stünden dem Antragsteller lediglich verschiedene Positionen in Banken offen, sodass die anschließende Absolvierung des Masterstudiums eine deutliche Erweiterung der beruflichen Möglichkeiten des Antragstellers mit sich bringe, ist dies nicht zu beanstanden.

4.3. In diesem Zusammenhang ist auch darauf zu verweisen, dass bei der Beurteilung der Frage, ob ein Studium ein besseres Fortkommen erwarten lässt, regelmäßig allgemeine Erfahrungsgrundsätze ausreichend sind (RIS-Justiz RS0047580). Die im Revisionsrekurs zitierte Entscheidung 1 Ob 158/07b betrifft demgegenüber einen Sonderfall, in dem zwischen den Berufsaussichten eines Facharbeiters im Bereich der Fahrzeugfertigung und eines HTL-Absolventen im Bereich der Textilindustrie, sohin zwischen Ausbildungswegen abzuwägen war, deren Zusammenhang zumindest nicht evident ist.

Dass der Beruf eines Wirtschaftstreuhänders bessere Einkommensmöglichkeiten verschafft als der eines Bankangestellten, kann als notorisch angesehen werden. Insoweit gelingt es dem Rekurs nicht, eine Fehlerhaftigkeit des angefochtenen Beschlusses aufzuzeigen.

5. Warum aus der begehrten Feststellung, wonach 284 Absolventen des Bakkalaureatsstudiums Betriebswirtschaft im Studienjahr 2005/2006 eine durchschnittliche Studiendauer von 7,7, die 20 Absolventen des Diplomstudiums Betriebswissenschaft im Studienjahr 2005/2006 hingegen eine durchschnittliche Studiendauer von 13 Semestern aufweisen, abzuleiten sein soll, dass ein Großteil der Absolventen des Bakkalaureatsstudiums (nunmehr Bachelorstudiums) kein Masterstudium betreibe, ist nicht ersichtlich, handelt es sich doch beim - im UG 2002 nicht mehr vorgesehenen - „Diplomstudium" um ein Studium nach der alten Rechtslage, nicht - wie dies offenbar der Revisionsrekurswerber versteht - um die zweite Säule des Studiums im Rahmen des durch das UG 2002 umgesetzten dreistufigen „Bologna-Modells".

6. Auch die behauptete Aktenwidrigkeit liegt nicht vor (§ 71 Abs 3 AußStrG). Die Information der Universität Graz (Beilage 9) führt als mögliche Berufe für Absolventen des Bakkalaureatsstudiums (nunmehr Bachelorstudiums) lediglich „Bankangestellte/-r im bankinternen Bereich, Bankangestellte/-r in Zentral- und Kontrollbanken, Bankangestellte/-r im bankexternen Bereich, Betriebswirt/in, Bankangestellte/-r, Bankangestellte/-r im Bereich Auslandsreferate, Bankangestellte/-r im Bereich Anlagenanalyse, Bankangestellte/-r im Beratungsdienst, Bankangestellte/-r im Bereich Betriebsorganisation, Bankangestellte/-r im Bereich Back-Office, Bankangestellte/-r im Bereich Front-Office, Bankangestellte/-r im Bereich Handelsabwicklung, Bankangestellte/-r im Bereich internationaler Geschäftstätigkeit, Bankangestellte/-r im Bereich der Kommerzkundenbetreuung, Bankangestellte/-r in Kreditabteilungen, Bankangestellte/-r im Bereich der Privatkundenbetreuung, Bankangestellte/-r im Bereich Controlling, Bankangestellte/-r im Schalterdienst, Betriebswirt/in in Banken und Kreditinstituten, Volkswirt/in im Bereich Banken, Kreditunternehmen, Wirtschaftsjurist/in im Bankbereich" an. Inwiefern sich daraus ergeben soll, dass einem Bachelorabsolventen nicht nur Tätigkeiten im angeblich „engen Segment der Banken", sondern „darüber hinaus ein vielschichtiger Tätigkeitsbereich" offen stünde, ist nicht ersichtlich.

7. Der angefochtene Beschluss erweist sich sohin als frei von Rechtsirrtum, sodass dem unbegründeten Revisionsrekurs ein Erfolg zu versagen war.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsrekursverfahrens gründet sich auf § 78 AußStrG. Eine Revisionsrekursbeantwortung wurde nicht erstattet. Der Deutlichkeit halber war jedoch auszusprechen, dass der Revisionsrekurswerber die Kosten seines erfolglosen Rechtsmittels selbst zu tragen hat.

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