OGH 14Os30/08f

OGH14Os30/08f15.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 15. April 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp, Hon.-Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Rene E***** und eine andere Angeklagte wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 2 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 17. Dezember 2007, GZ 4 Hv 164/07p-49, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Graz zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden - soweit im Rechtsmittelverfahren von Bedeutung - Rene E***** des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 2 StGB (A./1./) und des Vergehens der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs 1 StGB (A./2./) sowie Kerstin S***** des Vergehens des Diebstahls nach § 127 StGB (B./1./) schuldig erkannt. Danach haben in Graz

A./ Rene E*****

1./ am 28. August 2007 der Annita H***** mit Gewalt gegen ihre Person, aber ohne Anwendung erheblicher Gewalt, indem er ihr einen leichten Stoß versetzte, sodass sie zu Boden stürzte, eine fremde bewegliche Sache von geringem Wert, nämlich zwei Handtaschen mit diversen Wertgegenständen im Gesamtwert von 100 EUR mit dem Vorsatz weggenommen, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich zog;

2./ im Zuge der zu Punkt A./1./ geschilderten Tathandlung eine Urkunde, über die er nicht verfügen durfte, nämlich den von der G***** ausgestellten Seniorenjahresausweis der Annita H***** durch Ansichbringen und anschließendes Wegwerfen mit dem Vorsatz unterdrückt, zu verhindern, dass sie im Rechtsverkehr zum Beweis der sich daraus ergebenden Rechte oder Tatsachen gebraucht werde; B./ Kerstin S***** am 28. August 2007 den Rene E***** durch die Aufforderung, in der Kirche einem anderen Bargeld oder Wertgegenstände wegzunehmen, dazu bestimmt, der Annita H***** fremde bewegliche Sachen wegzunehmen, wobei sie mit dem Vorsatz handelte, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern und Rene E***** durch ihre Anwesenheit am Tatort im Entschluss, die Tat auszuführen, noch zusätzlich bestärkte.

Gegen dieses Urteil richtet sich die auf § 281 Abs 1 Z 7 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, der jedoch keine Berechtigung zukommt.

Rechtliche Beurteilung

In der Anklageschrift wurde Kerstin S***** zur Last gelegt, Rene E***** zu der im Schuldspruch A./1./ und 2./ genannten Tat bestimmt zu haben. Die nunmehr erhobene Rüge (Z 7), das angefochtene Urteil habe die in der Anklage vorgeworfene Bestimmung zur Urkundenunterdrückung nicht erledigt, übergeht die ausdrücklichen Konstatierungen der Tatrichter, wonach nicht festgestellt werden konnte, dass Kerstin S***** von dem durch Rene E***** weggenommenen und im Anschluss daran weggeworfenen Ausweis wusste, insbesondere nicht, dass der Erstangeklagte dieses Dokument an der Baustelle zurückgelassen hatte (US 10). Damit ging das erkennende Gericht unmissverständlich davon aus, dass Kerstin S***** mangels Kenntnis eines Tatobjekts keine Bestimmungs- oder Beitragshandlung zu einer Urkundenunterdrückung des Erstangeklagten vorzuwerfen war. Demzufolge unterließ das Schöffengericht bei festgestelltem Fehlen einer subjektiven Tatseite zur Unterdrückung einer Urkunde korrekterweise eine Subsumtion des einen einzigen Lebenssachverhalt (Wegnahme der Taschen samt Urkunde mit anschließendem Wegwerfen des Jahresausweises) betreffenden angeklagten Geschehens unter § 229 StGB (vgl Lendl, WK-StPO § 259 Rz 1), sodass der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund nicht vorliegt.

Die Subsumtionsrüge (Z 10) bringt vor, dass ein die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB betreffender Feststellungsmangel zur persönlichen Konstitution des Tatopfers vorliegt, zumal gegenüber hilfslosen Personen regelmäßig schon ein geringeres Maß an Gewalt genügt, um die Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB auszuschließen. Die Beschwerde unterlässt aber jeglichen Hinweis auf - durchaus existierende (vgl S 254) - aktenmäßige Belegstellen, wonach es sich bei dem 66 Jahre alten Tatopfer um eine hilflose Person gehandelt habe. Solcherart ist die Subsumtionsrüge nicht prozessordnungsgemäß ausgeführt, zumal ein fortgeschrittenes Lebensalter allein noch keinen Rückschluss auf die Hilflosigkeit des Überfallenen zulässt (vgl 12 Os 61/07y).

Die weitere Argumentation, wonach der Annita H***** versetzte Stoß, der dazu führte, dass diese zu Sturz kam, eine beachtliche physische Kraft (iS einer bereits erheblichen Gewaltanwendung) dokumentiert, welche der Privilegierung nach § 142 Abs 2 StGB entgegensteht, übergeht indes die Urteilskonstatierungen, wonach Rene E***** dem Tatopfer bloß einen leichten Stoß gegen die Schulter versetzte (US 9), der nur von geringer Intensität war (US 12). Mangels Festhaltens am gesamten Urteilsinhalt geht daher die Subsumtionsrüge auch in diesem Punkt ins Leere.

Die rechtliche Unterstellung der vom erkennenden Gericht festgestellten leichten Verletzungen beim Tatopfer (US 9: Prellungen im Bereich der rechten Schulter, des rechten Armes und des rechten Brustkorbs) als bloß unbedeutende Folgen iSd § 142 Abs 2 StGB (US 16) wurde von der Rechtsmittelwerberin nicht explizit bekämpft; dass die eingesetzte Gewalt und der daraus resultierende Sturz samt einhergehenden Verletzungsfolgen „für die die Tatsubsumtion nach § 142 Abs 1 StGB genügen und § 142 Abs 2 StGB ausschließen" bietet keine methodengerechte Ableitung eines (lediglich im Croquis der Generalprokuratur subintelligierten) die unrichtige Annahme dieser weiteren Privilegierungsvoraussetzung zum Ausdruck bringenden Anfechtungsstandpunkts aus dem Gesetz und verfehlt demgemäß eine deutlich und bestimmte Bezeichnung des Nichtigkeitsgrundes. Die von der Generalprokuratur in der Stellungnahme zur Nichtigkeitsbeschwerde vorgebrachten Feststellungsmängel betreffend eine „ungeklärt gebliebene Dauer der Gesundheitsschädigung beim Tatopfer" wurden in der Nichtigkeitsbeschwerde nicht releviert; diese Ausführungen gehen somit nicht vom Inhalt des Rechtsmittels aus. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Oberlandesgerichts Graz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Stichworte