OGH 15Os141/07k

OGH15Os141/07k3.4.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 3. April 2008 durch die Senatspräsidentin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schmucker als Vorsitzende sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek, Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher, Dr. T. Solé und Mag. Lendl als weitere Richter in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Martha P***** wegen des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue als Bestimmungstäterin nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und 15 StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Eisenstadt als Schöffengericht vom 20. Juni 2007, GZ 12 Hv 94/07p-12, nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit der Vertreterin der Generalprokuratur, Staatsanwältin Dr. Geymayer, des Verteidigers Mag. Schuszter, jedoch in Abwesenheit der Angeklagten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht verwiesen.

Mit ihrer Berufung wird die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Martha P***** zu I./1./ und I./2./ des Vergehens der teils vollendeten, teils versuchten Untreue als Bestimmungstäterin nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und 15 StGB und zu II./ der Vergehen der Urkundenfälschung nach § 223 Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie

I./1./ am 13. November 2006 in R***** Edith K***** dazu bestimmt, die ihr durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich zu missbrauchen und dadurch einem anderen einen Vermögensnachteil zuzufügen, indem sie ihr einen Ersatzscheck, auf dem sie die Kontonummer des Koloman P***** eingesetzt und dessen Unterschrift gefälscht hatte, vorwies und Edith K***** unter Vorspiegelung einer Krankheit ihres angeblichen Lebensgefährten dazu überredete, 2.000 Euro von dessen Konto wissentlich entgegen ihr erteilten Anweisungen, wonach Auszahlungen über Ersatzschecks nur an den Kontoinhaber erfolgen dürfen, auszuzahlen, wodurch der Österreichischen Post AG ein Schaden in dieser Höhe entstand;

I./2./ am 11. Dezember 2006 in M***** Günter T***** und in R***** Christine S***** dazu zu bestimmen versucht, die ihnen durch Rechtsgeschäft eingeräumte Befugnis, über fremdes Vermögen zu verfügen oder einen anderen zu verpflichten, wissentlich zu missbrauchen und dadurch einem anderen einen Vermögensnachteil zuzufügen, indem sie diesen ebenfalls einen von ihr mit dem Namen Koloman P***** unterschriebenen Ersatzscheck vorwies und darüber hinaus Günter T***** ebenfalls unter Vorspiegelung einer Krankheit ihres angeblichen Lebensgefährten dazu zu überreden versuchte, jeweils 400 Euro von dessen Konto wissentlich entgegen ihnen erteilten Anweisungen auszuzahlen, wobei jedoch Günter T***** und Christine S***** die Auszahlung verweigerten;

II./ am 13. November 2006 in R***** sowie am 11. Dezember 2006 in M***** und in R***** falsche Urkunden im Rechtsverkehr zum Beweis eines Rechts, eines Rechtsverhältnisses oder einer Tatsache gebraucht, indem sie Edith K***** und Christine S***** jeweils einen Ersatzscheck, auf welchem sie die Personaldaten des Koloman P***** eingetragen und dessen Unterschrift gefälscht hatte, sowie Günter T***** einen Ersatzscheck, bei dem sie die Unterschrift des Koloman P***** nachgemacht hatte, zum Beweis der Zeichnungsberechtigung des Kontoinhabers Koloman P***** (gemeint: zum Nachweis ihrer Behebungsermächtigung) vorwies.

Rechtliche Beurteilung

Die Staatsanwaltschaft Eisenstadt bekämpft dieses Urteil mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde; sie ist im Recht.

Laut Urteilskonstatierungen beschloss die Angeklagte im November 2006 aufgrund ihrer schlechten finanziellen Lage, vom Konto ihres Bekannten Koloman P***** ohne dessen Einwilligung Geld zu beheben, weshalb sie einen Ersatzscheck mit den Daten des Genannten ausfüllte und mit dessen Namenszug unterfertigte (US 5).

Der Schalterbediensteten der Österreichischen Post AG Edith K***** wies sie den von ihr ausgefüllten Ersatzscheck vor und behauptete fälschlich, der Kontoinhaber sei ihr Lebensgefährte und könne aufgrund einer Erkrankung das Bankgeschäft nicht selbst erledigen (US 5), wodurch sie - zumal K***** von der Echtheit des Ersatzschecks ausging (US 6) - eine Auszahlung von 2.000 Euro erwirkte, obwohl der Schalterbediensteten aufgrund interner Vorschriften eine Auszahlung an Dritte untersagt war (US 5). Dieses Verbot war sowohl der Angeklagten als auch K***** bewusst.

Anlässlich ihrer Vorsprache beim Schalterbediensteten Günter T***** legte die Angeklagte abermals einen von ihr mit dem Namen Koloman P***** unterfertigten Ersatzscheck über 400 Euro vor und bekundete über Nachfrage des Genannten nach einer Legitimation, „immer so Geld vom Konto ihres Gatten zu beheben". Dieser sei „im Krankenhaus und könne nicht kommen", worauf T***** nach einem Vergleich des Schecks mit der Unterschriftenprobe die Auszahlung verweigerte (US 7). Bei der Schalterbediensteten Christine S***** legte die Angeklagte ebenfalls einen von ihr mit dem Namen Koloman P***** unterfertigten Ersatzscheck über 400 Euro vor, erreichte eine Auszahlung jedoch abermals nicht (US 7).

Laut Urteilskonstatierungen wollte die Angeklagte Edith K*****, Günter T***** und Christine S***** zum wissentlichen Befugnismissbrauch bestimmen und der Österreichischen Post AG einen Vermögensnachteil zufügen. Das Verbot einer Auszahlung war ihr bewusst und daher klar, dass die Genannten ihre Befugnis wissentlich missbrauchen würden (US 6). Gerade aus diesem Grunde lehnten Günter T***** und Christine S***** eine Auszahlung ab (US 7). Die Angeklagte fälschte dreimal eine Urkunde und gebrauchte diese jeweils gegenüber den oben Genannten zum Beweis der Zeichnungsberechtigung des Koloman P***** (gemeint: zum Nachweis ihrer Behebungsermächtigung), um Geld von dessen Konto zu beheben (US 8).

Zutreffend zeigt die Subsumtionsrüge (Z 10) auf, dass dem Urteil Feststellungsmängel anhaften, die eine abschließende rechtliche Beurteilung in eine andere - von der Staatsanwaltschaft angestrebte - Richtung (§§ 146 ff StGB) hindern.

Denn trotz in der Hauptverhandlung vorgekommener Indizien fehlt es an Feststellungen darüber, ob die Angeklagte durch ihre wahrheitswidrige Behauptung, Koloman P***** sei ihr Lebensgefährte, welcher „aufgrund Krankheit nicht selber kommen könne", wobei sie einen angeblich von diesem unterfertigten Scheck vorlegte, die Bankangestellten in einen Irrtum über eine von Koloman P***** der Angeklagten erteilte Ermächtigung sowie darüber führte, sie wolle das Geld für den berechtigten Kontoinhaber - und nicht für sich selbst - beheben. Dass dies nach den vorliegenden Verfahrensergebnissen impliziert ist, ergibt sich auch bereits aus der Urteilsfeststellung, K***** habe den Ersatzscheck „für echt gehalten und das Geld aus Mitleid um die angebliche gesundheitliche Situation des Kontoinhabers ausgezahlt" (US 6). Gleichermaßen fehlen Feststellungen zur Frage, ob sich die Angeklagte im Zeitpunkt ihrer Tathandlungen unrechtmäßig bereichern wollte. Hiefür bietet insbesondere die Verantwortung der Angeklagten selbst, sie „sei momentan mit ihrem Geld nicht ausgekommen" (S 61), „brauchte das Geld für ihren Lebensunterhalt" (S 64) und habe „noch nichts zurückbezahlen können" (S 61), einen Anhaltspunkt. Schließlich ist die Beschwerde auch dahin im Recht, dass sich aus der Verantwortung der Angeklagten zu ihrer Einkommens- und Vermögenslage (S 21, 61 und 64) und der wiederholten Tatbegehung Indizien dafür ergeben, dass sie die Handlungen in der Absicht beging, sich durch die wiederkehrende Begehung gleichartiger Tathandlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen. Feststellungen darüber sind dem Urteil jedoch ebenfalls nicht zu entnehmen.

Eine abschließende Beurteilung der Frage, ob die der Angeklagten zur Last gelegten Taten die Vergehen nach §§ 12 zweiter Fall, 153 Abs 1 und 15 StGB sowie § 223 Abs 2 StGB oder eine andere strafbare Handlung, nämlich das Verbrechen des teils vollendeten, teils versuchten gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, 148 zweiter Fall, 15 StGB begründen, scheitert daher am Fehlen der notwendigen tatsächlichen Feststellungen, weshalb das Urteil nichtig im Sinn des § 281 Abs 1 Z 10 StPO ist (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 600).

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das Urteil daher aufzuheben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Im weiteren Rechtsgang wird zu beachten sein, dass für die Kausalität der Täuschungshandlung beim Betrug die Äquivalenztheorie gilt (RIS-Justiz RS0094575). Für die Bejahung des Kausalzusammenhangs genügt es, dass der Irrtum für die Vermögensverfügung des Getäuschten zumindest mitbestimmend war (RIS-Justiz RS0117721;

Kirchbacher/Presslauer in WK² § 146 Rz 55). Fallbezogen bedeutet das, dass - entgegen der im Ersturteil vertretenen Ansicht - der Kausalzusammenhang nur dann zu verneinen wäre, wenn davon ausgegangen werden kann, dass die Bankangestellten an die Angeklagte auch in Kenntnis des Fehlens deren Ermächtigung zur Behebung und/oder der Fälschung der Unterschrift des Kontoinhabers Auszahlungen getätigt hätten.

Zur Frage der Konkurrenz zwischen Untreue und Betrug ist zu beachten, dass - schon im Hinblick auf die unmittelbare Täterschaft sowie die in Betracht kommenden Betrugsqualifikationen - dem Betrug der Vorrang vor einer Bestimmung zur Untreue einzuräumen ist (Kienapfel/Schmoller Studienbuch BT II § 153 RN 141).

Mit ihrer Berufung war die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung zu verweisen.

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