Spruch:
Der Beschwerde wird nicht Folge gegeben.
Zur Entscheidung über die Berufungen werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Jugendschöffengericht vom 26. September 2007 (ON 168) wurde - soweit hier von Bedeutung - Kristijan V***** (im zweiten Rechtsgang erneut) des Verbrechens (richtig: mehrerer Verbrechen) der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer gemäß § 43 Abs 1 StGB unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehenen Zusatzstrafe (§§ 31, 40 StGB) verurteilt. Nach Anmeldung der Nichtigkeitsbeschwerde - ohne darin Nichtigkeitsgründe deutlich und bestimmt zu bezeichnen (§ 285a Z 2 StPO) - und Berufung durch den Wahlverteidiger (ON 108) wurde diesem am 28. November 2007 eine Urteilsausfertigung zugestellt (Rückschein bei ON 168). Am letzten Tag der Frist zur Ausführung der Rechtsmittel, nämlich am 27. Dezember 2007, stellte der Angeklagte - ohne eine Auflösung des Vollmachtsverhältnisses zu seinem Wahlverteidiger darzutun - einen durch den Wahlverteidiger dem Gericht übermittelten, mit einem Vermögensbekenntnis verbundenen Antrag auf Bewilligung der Verfahrenshilfe, worin der Wahlverteidiger seine Bereitschaft zur Übernahme der Verfahrenshilfeverteidigung erklärte (ON 176). Ungeachtet des sohin nach der Aktenlage weiterhin aufrechten Vollmachtsverhältnisses des Angeklagten zu seinem Wahlverteidiger fasste die Vorsitzende des Schöffengerichts am 7. Jänner 2008 den Beschluss auf Beigebung eines Verteidigers nach § 61 Abs 2 StPO (gemäß § 516 Abs 1 StPO richtig: § 41 Abs 2 StPO aF), worauf mit Bescheid des Ausschusses der Rechtsanwaltskammer Wien vom 10. Jänner 2008 Rechtsanwalt MMag. Michael Sruc zum Verfahrenshilfeverteidiger bestellt wurde (ON 178). Mit Schriftsatz seines Wahlverteidigers vom 22. Jänner 2008 (ON 182) teilte der Angeklagte Kristijan V***** in der Folge dem Gericht mit, dass er am 27. Dezember 2007 die seinem Wahlverteidiger erteilte Vollmacht widerrufen habe. Nach Zustellung einer Urteilsausfertigung an den Verfahrenshilfeverteidiger brachte dieser am 23. Jänner 2008 die Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde und der Berufung ein (ON 181). Mit dem angefochtenen Beschluss wies die Vorsitzende des Schöffengerichts die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285a (Z 2) StPO wegen Verspätung ihrer Ausführung zurück und begründet dies damit, dass gemäß § 63 Abs 2 StPO die durch Zustellung an den Wahlverteidiger in Gang gesetzte Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde durch die Vollmachtskündigung und die Bestellung eines Verfahrenshilfeverteidigers nicht unterbrochen worden sei.
Der dagegen erhobenen Beschwerde des Angeklagten kommt keine Berechtigung zu.
Rechtliche Beurteilung
Zutreffend ist zwar, dass nach der Übergangsbestimmung des § 516 Abs 1 StPO im Hinblick auf die vor dem 1. Jänner 2008 erfolgte Urteilsfällung erster Instanz die durch das Strafprozessreformgesetz geänderten Verfahrensbestimmungen des § 63 Abs 1 und Abs 2 StPO hier nicht anzuwenden sind. Dies vermag jedoch an der Richtigkeit des angefochtenen Beschlusses nichts zu ändern.
Nach neuerer Rechtsprechung (RIS-Justiz RS0116182) ist die Bestimmung des § 43a StPO aF dahin teleologisch zu reduzieren, dass sie nur Anträge unvertretener Angeklagter umfasst. Ein nach der Aktenlage bevollmächtigter Verteidiger ist so lange als bestellter Vertreter einer Partei anzusehen, als dem Gericht die Kündigung oder der Widerruf dieser Vollmacht nicht bekanntgegeben wird. Dem Gericht gegenüber wird die Beendigung des Vollmachtverhältnisses eines Angeklagten zu seinem Verteidiger durch Kündigung oder Widerruf erst mit deren aktenkundiger Anzeige wirksam (Achammer, WK-StPO § 44 Rz 8; SSt 58/69).
Vorliegend folgt daraus, dass der am letzten Tag der Frist zur Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerde (§ 285 Abs 1 StPO) gestellte Antrag des - ungeachtet des am 22. Jänner 2008 dem Gericht bekanntgegebenen Vollmachtswiderrufs nach der Aktenlage am 27. Dezember 2007 noch durch einen Wahlverteidiger wirksam vertretenen - Angeklagten auf Beigebung eines Verfahrenshilfeverteidigers keinen Fristenneulauf nach § 43a StPO aF bewirkte. Da die Nichtigkeitsbeschwerde somit verspätet ausgeführt wurde und bei deren Anmeldung Nichtigkeitsgründe nicht deutlich und bestimmt bezeichnet wurden, erfolgte deren Zurückweisung gemäß § 285a Z 2 StPO zu Recht. Der unbegründeten Beschwerde des Angeklagten war daher - im Einklang mit der Stellungnahme der Generalprokuratur, jedoch entgegen der dazu erstatteten Äußerung des Verteidigers - nicht Folge zu geben. Die Entscheidung über die Berufungen des Angeklagten und der Staatsanwaltschaft obliegt dem Oberlandesgericht Wien (§ 285i StPO).
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