OGH 12Os29/08v

OGH12Os29/08v18.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 18. März 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof Dr. Schroll und Dr. T. Solé als weitere Richter in Gegenwart des Richteramtsanwärters MMag. Klaus als Schriftführer in der Strafsache gegen Ludwig L***** wegen des Verbrechens des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1 und Abs 2, 148 zweiter Fall StGB sowie weiterer strafbarer Handlungen, AZ 40 Hv 19/08f des Landesgerichts Salzburg, über die Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Linz als Beschwerdegericht vom 23. Jänner 2008, AZ 8 Bs 13/08f (GZ 40 Hv 19/08f-243), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Ludwig L***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Das Landesgericht Salzburg verhängte mit Beschluss vom 18. Oktober 2006 (ON 58) über Ludwig L***** die Untersuchungshaft aus den Gründen der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit c StPO aF. Danach war dieser dringend verdächtig, in der Zeit von Dezember 2004 bis Juni 2005 andere gewerbsmäßig im Gesamtbetrag von rund 117.000 Euro betrügerisch am Vermögen geschädigt, Maria P***** mehrfach durch Drohungen mit dem Tod und der Vernichtung ihrer wirtschaftlichen Existenz zur Rückziehung einer gegen ihn erstatteten Anzeige zu nötigen versucht, den ehemaligen Leiter der Fremdenpolizei der Bezirkshauptmannschaft Zell am See bewusst falsch des Verbrechens des Amtsmissbrauchs verdächtigt und dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung ausgesetzt sowie anderen fremde bewegliche Sachen mit Bereicherungsvorsatz weggenommen zu haben. Nach wiederholter Fortsetzung der Untersuchungshaft hob das Oberlandesgericht Linz als Beschwerdegericht diese am 4. April 2007 mit der wesentlichen Begründung auf, die Untersuchungsrichterin habe dem Beschleunigungsgebot des § 193 Abs 1 StPO aF nicht entsprochen (ON 162).

Mit Beschluss vom 9. Oktober 2007 (ON 7 in ON 191) verhängte das Landesgericht für Strafsachen Graz über den Angeklagten die Untersuchungshaft aus den Gründen der Flucht-, der Verdunkelungs- und der Tatbegehungsgefahr (§ 180 Abs 2 Z 1, 2, 3 lit b und 3 lit c StPO aF). Hienach war er dringend verdächtig, in der Zeit vom 27. April 2007 bis zum 2. Juli 2007 andere gewerbsmäßig, teilweise unter Benützung falscher oder verfälschter Urkunden, um einen 3.000 Euro übersteigenden Betrag betrügerisch am Vermögen geschädigt zu haben. Am 9. Oktober 2007 wurde das diesbezügliche Strafverfahren gemäß § 56 StPO aF zur Einbeziehung in das gegenständliche Verfahren an das Landesgericht Salzburg abgetreten (S 3a in ON 191). Der Beschwerde des Angeklagten gegen den am 8. November 2007 aus den Gründen der Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 3 lit b und lit c StPO aF gefassten Fortsetzungsbeschluss (ON 200) gab das Oberlandesgericht Linz mit Beschluss vom 5. Dezember 2007 nicht Folge (ON 226). Eine gegen diese Entscheidung erhobene Grundrechtsbeschwerde blieb ebenfalls erfolglos (12 Os 3/08w). Zuletzt setzte das Landesgericht Salzburg die Untersuchungshaft mit Beschluss vom 2. Jänner 2008 aus dem Haftgrund der Tatbegehungsgefahr gemäß § 173 Abs 1 und Abs 2 Z 3 lit b und lit c StPO fort (ON 235). Mit dem angefochtenen Beschluss gab das Oberlandesgericht Linz einer dagegen gerichteten Beschwerde des Angeklagten nicht Folge (ON 243). Das Beschwerdegericht ging davon aus, L***** sei dringend verdächtig, gewerbsmäßig mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Verfügungsberechtigte mehrerer Beherbergungsbetriebe durch die Vorgabe, ein zahlungsfähiger und -williger Gast zu sein, teils unter Benützung falscher Urkunden, zur Überlassung von Hotelzimmern und zur Erbringung von Dienstleistungen verleitet zu haben, was die jeweiligen Unternehmen bzw Unternehmer um einen 3.000 Euro übersteigenden Betrag am Vermögen schädigte, nämlich

(1) vom 15. Juni 2005 bis zum 22. Juni 2005 in Graz die S***** KG um 411 Euro,

(2) vom 11. August 2005 bis zum 18. August 2005 in Graz die S***** KG um 397,50 Euro,

(3) vom 8. Juni 2007 bis zum 11. Juni 2007 in Bad Tatzmannsdorf die G***** GmbH um 1.189,70 Euro,

(4) vom 12. Juli 2007 bis zum 14. Juli 2007 in Graz den Inhaber des Palais-Hotels E***** um 447,40 Euro,

(5) vom 27. April 2007 bis zum 6. Mai 2007 in Loipersdorf den Inhaber des Lo***** um 1.707,60 Euro,

(6) vom 26. Mai 2007 bis zum 29. Mai 2007 in Bad Waltersdorf die Hotel T***** GmbH & Co KG um 1.129,20 Euro,

(7) vom 22. Juni 2007 bis zum 25. Juni 2007 in Loipersdorf die Th***** GmbH & Co KG um 699,98 Euro und

(8) vom 29. Juni 2007 bis zum 2. Juli 2007 in Stegersbach die La***** GmbH um einen noch festzustellenden Betrag.

Ebenfalls am 23. Jänner 2008 (ON 241) langte beim Landesgericht Salzburg die gegen Ludwig L***** wegen der Verbrechen des gewerbsmäßigen schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 1 Z 1, Abs 3, 148 zweiter Fall StGB, der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 StGB und der Verleumdung nach § 297 Abs 1 zweiter Fall StGB sowie der Vergehen der Untreue nach § 153 Abs 1 und Abs 2 erster Fall StGB, der beharrlichen Verfolgung nach § 107a Abs 1 und Abs 2 Z 1 und 2 StGB und des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 StGB erhobene Anklageschrift vom 21. Jänner 2007 (ON 240) ein, deren Gegenstand auch die im Jahre 2007 begangenen Betrugstaten sind, die vom Oberlandesgericht Linz als hafttragend gewertet wurden (Punkte 3 bis 8 der angefochtenen Entscheidung).

Rechtliche Beurteilung

Die gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 23. Jänner 2008 erhobene Grundrechtsbeschwerde des Angeklagten geht fehl. Die eingangs gegen die Anklageschrift erhobenen Einwände verlassen den Anfechtungsrahmen einer Grundrechtsbeschwerde und sind daher einer inhaltlichen Erwiderung nicht zugänglich.

Neuerlich ist angesichts des Einwands, die angefochtene Entscheidung subsumiere die präsumtiven Tathandlungen zu Unrecht unter die Qualifikationsnorm des § 148 zweiter Fall StGB, weil die angenommenen Schadensbeträge jeweils unter der Wertgrenze des § 147 Abs 2 StGB (3.000 Euro) liegen, darauf zu verweisen, dass das bloße Ausfüllen eines Gästeblatts mit falschen Angaben nach neuer Judikatur nicht geeignet ist, die Subsumtion unter den Qualifikationstatbestand des § 147 Abs 1 Z 1 StGB zu begründen (13 Os 123/07y). Im - hier relevanten - Rahmen der Verhältnismäßigkeitsprüfung kann die angesprochene Problematik aber nach wie vor dahinstehen, weil die Untersuchungshaft mit Blick auf deren Dauer (im relevanten Zeitpunkt der Beschwerdeentscheidung etwa dreieinhalb Monate) sowie unter Berücksichtigung der Anzahl der Tatvorwürfe, des (unter Ausklammerung der nicht von der Anklage umfassten Fakten 1 und 2 des angefochtenen Beschlusses) verbleibenden Schadensbetrags von jedenfalls mehr als 5.100 Euro und des massiv einschlägig getrübten Vorlebens des Beschwerdeführers (S 165 bis 175/V) auch bei Unterstellung der Anwendbarkeit bloß des ersten Strafsatzes des § 148 StGB (sechs Monate bis fünf Jahre Freiheitsstrafe) weder zur Bedeutung der Sache noch zu der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis steht. Die Ausführungen gegen die Annahme dringenden Tatverdachts verkennen, dass eine am Gesetz orientierte Bekämpfung der Sachverhaltsgrundlage einer Haftentscheidung an den Kriterien der Z 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO Maß zu nehmen hat. Demnach ist die Begründung des dringenden Tatverdachts nur dann offenbar unzureichend, wenn sie den Gesetzen folgerichtigen Denkens oder grundlegenden Erfahrungssätzen widerspricht und solcherart geradezu willkürlich erscheint, wobei auch im Falle bloßer Scheingründe das Gericht den Rahmen des gesetzlichen Beweiswürdigungsermessens überschritten hätte (RIS-Justiz RS0110146).

Die Kritik an der Qualität der die in Rede stehenden Tatvorwürfe betreffenden polizeilichen Ermittlungen und die darauf sowie auf eigenständige Beweiswerterwägungen gestützte Leugnung eines dringenden Tatverdachts erschöpft sich in einer bloßen Bestreitung der gegenteiligen Beschlussannahmen (BS 4 bis 7), zeigt jedoch kein Begründungsgebrechen im eben dargestellten Sinn auf. Gleiches gilt für die nach wie vor nicht belegte Behauptung rechtzeitiger Schadensgutmachung.

Auch die auf den dringenden Verdacht, die inkriminierten Delikte auch in subjektiver Hinsicht begangen zu haben, bezogenen Ausführungen zur finanziellen Lage des Beschwerdeführers und seine bloßen Beteuerungen, die diesbezüglichen Behaupungen auch belegen zu können, verfehlen die gebotene Auseinandersetzung mit der Gesamtheit der - logisch und empirisch einwandfreien - Erwägungen des Beschwerdegerichts und vernachlässigen insbesondere dessen Annahme, wonach der erhobene Betrugsvorwurf - neben der Zahlungsunfähigkeit - auch das Fehlen der Zahlungswilligkeit mitumfasste (BS 6 f). Der Einwand, die von ihm angegebene Adresse in München existiere den Beschlussannahmen zuwider sehr wohl, spricht keinen haftrelevanten Umstand an, weil das Oberlandesgericht - von der Beschwerde unbestritten - davon ausging, dass sämtliche Zustellversuche an dieser Anschrift wegen Unbekanntheit des Empfängers misslangen (BS 6). Dass es zu einem e-mail-Verkehr zwischen dem Angeklagten und den betroffenen Betrieben gekommen ist, hat das Beschwerdegericht ohnedies berücksichtigt (BS 5).

Die rechtliche Annahme der in § 173 Abs 2 StPO genannten Gefahren (Prognoseentscheidung) überprüft der Oberste Gerichtshof im Grundrechtsbeschwerdeverfahren darauf, ob sich diese angesichts der zu Grunde gelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich darstellen (RIS-Justiz RS0117806). Unter diesem Aspekt ist die vom Beschwerdegericht vorgenommene Herleitung der Haftgründe der Tatbegehungsgefahr nach § 173 Abs 2 Z 3 lit b und lit c StPO aus der nur rund zwei Monate nach der Enthaftung des Angeklagten neuerlich wiederholten Delinquenz während anhängigen Strafverfahrens und dem - allein seit dem Jahre 1975 insgesamt achtzehnmal von österreichischen, deutschen und schweizerischen Gerichten festgestellten, in vier Fällen mit mehrjährigen unbedingten Freiheitsstrafen geahndeten - durch Betrug oder Erschleichen von Leistungen massiv einschlägig getrübten, die Voraussetzungen des § 39 StGB erfüllenden Vorleben (BS 8 f) nicht zu beanstanden. Daran vermögen die vom Beschwerdeführer neuerlich ins Treffen geführten Behauptungen zu seiner finanziellen Situation und zu der von ihm ausgeübten Erwerbstätigkeit im Tatzeitraum ebenso wenig zu ändern wie der Hinweis auf Zeiten seiner strafrechtichen Unauffälligkeit. Der behauptete Beweisantrag vom 5. November 2007 ist nicht aktenkundig. Damit entzieht sich der darauf bezogene Einwand der Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 177 Abs 1 StPO) einer inhaltlichen Erwiderung, sodass sowohl der vom Oberlandesgericht betonte Grundsatz der Verhältnismäßigkeit als auch die Zulässigkeit der vom Beschwerdeführer offenbar intendierten „Kontoöffnung" gemäß §§ 109 Z 3 iVm 116 StPO bei sämtlichen von ihm mutmaßlich geschädigten Beherbergungbetrieben dahingestellt bleiben können. Soweit auch diese Grundrechtsbeschwerde den Einwand der Unverhältnismäßigkeit daraus ableitet, zur Dauer der Untersuchungshaft sei jene der im vorliegenden Verfahren bis zum 4. April 2007 erlittenen Haft zu addieren, ist sie auf das im vorliegenden Strafverfahren ergangene Erkenntnis des Obersten Gerichtshofs AZ 12 Os 3/08w zu verweisen. Wie dort bereits ausgeführt, vermag auch die Reduktion des den verbleibenden (derzeit hafttragenden) Vorwürfen zu Grunde liegenden Schadensbetrags an der Angemessenheit der bisherigen Untersuchungshaft nichts zu ändern. Da die behauptete Grundrechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde ohne Kostenzuspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen.

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