OGH 11Os35/08v

OGH11Os35/08v12.3.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. März 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Danek und Mag. Lendl als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Esad B***** wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB, AZ 7 Hv 65/07a des Landesgerichts für Strafsachen Graz, über die Grundrechtsbeschwerde des Esad B***** gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz vom 9. August 2007, AZ 9 Bs 291/07y (ON 70 der Hv-Akten) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Esad B***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Grundrechtsbeschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Mit Beschluss der Einzelrichterin des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 24. Juli 2007 wurde die über Esad B***** am 16. Mai 2007 verhängte Untersuchungshaft (ON 8) aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1, Z 2 und Z 3 lit b und d StPO aF fortgesetzt (ON 63). Der dagegen erhobenen Beschwerde gab das Oberlandesgericht Graz mit dem angefochtenen Beschluss vom 9. August 2007 (ON 70) nicht Folge und prolongierte die Untersuchungshaft seinerseits aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b und d StPO aF. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz vom 20. August 2007 wurde Esad B***** wegen Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 StGB schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von sieben Monaten verurteilt. Gemäß § 43a Abs 3 StGB wurde ein Teil der Freiheitsstrafe in der Dauer von fünf Monaten unter Setzung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen. Über die vom Beschwerdeführer erhobene Berufung wurde bislang nicht entschieden.

Nach den Sachverhaltsannahmen des Oberlandesgerichts Graz ist Esad B***** dringend verdächtig, seine Ehefrau Zahida B***** und seine Töchter Zumra und Fatima B***** von April bis August 2006 durch die wiederholte Äußerung, er werde sie umbringen und massakrieren, sowie in der Zeit zwischen Anfang April 2007 und 4. Mai 2007 wiederholt durch die Ankündigung, sie umzubringen, mit dem Tode gefährlich bedroht zu haben, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen. In seiner Grundrechtsbeschwerde bringt der Angeklagte vor, es lägen weder Flucht- noch Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr vor, es hätten gelindere Mittel angewendet werden müssen und es sei gegen das Beschleunigungsgebot verstoßen worden.

Rechtliche Beurteilung

Die rechtliche Annahme der in § 180 Abs 2 StPO aF (nunmehr § 173 Abs 2 StPO) genannten Gefahren prüft der Oberste Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens darauf, ob sich diese angesichts der zugrundegelegten bestimmten Tatsachen als willkürlich darstellt (RIS-Justiz RS0117806).

Zum Haftgrund der Tatbegehungs- und Tatausführungsgefahr ging das Oberlandesgericht davon aus, dass angesichts des fortbestehenden Frustrationszustands des Angeklagten, dem es über viele Monate nicht gelungen sei, seine Familie im Sinne seiner religiösen und sozialen Überzeugungen zu beeinflussen, dringend zu befürchten sei, er werde sich mit der Unbeeinflussbarkeit der früheren Ehefrau und der Töchter letztlich nicht abfinden können und weiterhin auf diese in der inkriminierten Weise durch Drohungen einwirken oder aber die angelasteten Drohungen realisieren.

Diese Gefahr leitete das Beschwerdegericht aus der Persönlichkeit des Angeklagten, dem psychiatrischen Sachverständigengutachten (ON 52; S 493 ff/I) und der Aussage der Zeugin Mag. P***** ab, die angab, der Angeklagte habe alle seine Zusagen in Bezug auf eine Änderung seines Verhaltens nicht eingehalten (S 517/I). Weiters stützte sich das Oberlandesgericht auf den Umstand, dass der Angeklagte bereits einmal in einem Maß die Kontrolle über sich verloren habe, dass seine Zurechnungsfähigkeit aufgehoben war (S 433/I). Die von der Beschwerde ins Treffen geführte Passage aus der Vernehmung des Sachverständigen, wonach „eine entsprechende Gefährlichkeitsprognose nicht zu begründen ist" (S 495/I), bezieht sich hingegen ausdrücklich nur auf den Kontext einer geistigen oder seelischen Abartigkeit höheren Grades (§ 21 StGB). Eine willkürliche Annahme des Haftgrundes durch das Oberlandesgericht vermag die Beschwerde somit nicht darzutun. Da bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt, erübrigt sich die Prüfung des vom Beschwerdegericht ebenfalls angenommenen Haftgrundes der Fluchtgefahr (RIS-Justiz RS0061196). Der Einschätzung des Oberlandesgerichts, dass gelindere Mittel im gegebenen Fall zur Erreichung der Haftzwecke nicht ausreichen, vermag der Angeklagte mit der Behauptung, das Beschwerdegericht hätte sich „damit entsprechend auseinandersetzen müssen", nichts substantiell zu entgegnen. Die Möglichkeit der Abnahme des Reisepasses ist mit Blick auf die angenommenen Haftgründe kein geeignetes Mittel zur Substituierung der Zwangsmaßnahme.

Eine Verletzung des Beschleunigungsgebots (§ 177 Abs 1 StPO) wurde in der Beschwerde gegen den Fortsetzungsbeschluss der Einzelrichterin nicht geltend gemacht, sodass insoweit der Instanzenzug nicht ausgeschöpft wurde (§ 1 Abs 1 GRBG; RIS-Justiz RS0114487). Esad B***** wurde demnach im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Beschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

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