European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0030OB00240.07A.0227.000
Spruch:
Dem Rekurs wird nicht Folge gegeben.
Die Kosten des Rekursverfahrens sind weitere Kosten des Exekutionsverfahrens.
Begründung
Die betreibende Partei beantragte aufgrund des vollstreckbaren Schiedsspruchs des Ständigen Schiedsgerichts der Wirtschaftskammer Wien vom 12. Mai 2006 zur Hereinbringung von 248.540,95 EUR sA und der Kosten des Exekutionsantrags
- die Forderungsexekution nach § 294 EO durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldnerin A*****gesellschaft mbH (im Folgenden: „Drittschuldnerin") zustehenden Entgelte und Forderungen insbesondere für den Abbau von Marmorgestein (Dienstbarkeit C‑LNR 3a in EZ 190 *****) sowie der Forderungen aus Geschäftsverbindungen,
- die Zwangsverwaltung der Liegenschaft EZ 190 ..., bestehend aus den Grundstücken Nr 1144, 1145/2 und 1168/2 (jeweils Wald und sonstige Abbaufläche) sowie
- die bücherliche Einverleibung des Pfandrechts auf der EZ 190 *****.
Nach dem Akteninhalt wurde der Drittschuldnerin vom vormaligen Liegenschaftseigentümer mit Punkt 4.) des Servitutsbestellungsvertrags vom 22. Dezember 1992 der Abbau von Marmorgestein auf den obgenannten Grundstücken eingeräumt und diese Servitut zu C‑LNR 3a verbüchert. In Punkt 6.) des Vertrags ist festgestellt, dass die Dienstbarkeitseinräumung unentgeltlich erfolgt. Nach Punkt 3.) des Vertrags verpflichtete sich der vormalige Liegenschaftseigentümer „für den Fall, als Kaufverträge über die vorgenannten Liegenschaften nicht wirksam zustande kommen sollten, weil die Genehmigung, aus welchen Gründen immer (Grundverkehrskommission, Agrarbehörde), versagt wird, oder aus privatrechtlichen Gründen, die nicht auf Seiten des Drittschuldners gelegen sind, das Recht einzuräumen, auf den vorgenannten Grundstücken Marmor aufzusuchen und abzubauen, dies zu noch zu vereinbarenden Bedingungen". Geplant war damals, dass die Drittschuldnerin die Grundstücke kauft; dazu kam es nicht. Nach dem zum Zeitpunkt der Exekutionsbewilligung gegebenen Grundbuchstand besaß die betreibende Gläubigerin kein der genannten Dienstbarkeit vorangehendes Pfandrecht für ihre Forderung.
Mit Beschluss vom 3. Jänner 2007 bewilligte das Erstgericht die Exekution
a) durch Pfändung der der verpflichteten Partei gegen die Drittschuldnerin zustehenden Entgelte und Forderungen, insbesondere für den Abbau von Marmorgestein bis zur Höhe der vollstreckbaren Forderung der betreibenden Partei durch Überweisung zur Einziehung;
b) durch Zwangsverwaltung der Liegenschaft sowie
c) durch bücherliche Einverleibung des Pfandrechts.
Das Erstgericht bestellte einen Zwangsverwalter, schied das Verfahren betreffend die Forderungsexekution aus und wies es dem zuständigen Rechtspfleger zur Weiterbearbeitung zu. Am 9. Februar 2007 wurde dem Zwangsverwalter die Liegenschaft übergeben.
Der Zwangsverwalter berichtete, dass die drei Parzellen jeweils Wald- und Gesteinsabbauflächen umfassten. Aufgrund der Altersstruktur und der Bestockungsgrade seien aus der Forstwirtschaft keine Erträge aus der Zwangsverwaltung zu erzielen. Erträgnisse aus dem Gesteinsabbau (der Dienstbarkeit C‑LNR 3a) könnten von ihm mangels Fachkenntnissen nicht beurteilt werden.
Das Erstgericht gab daraufhin seine Absicht bekannt, die Zwangsverwaltung der bezeichneten Liegenschaft gemäß § 129 Abs 2 EO von Amts wegen einzustellen, weil aus der Forstwirtschaft keine Erträgnisse erzielbar wären. Erträgnisse aus dem Marmorabbau, zu dem die Drittschuldnerin gemäß dem Dienstbarkeitsvertrag vom 22. Dezember 1992 berechtigt sei, würden nicht zu den aus der Zwangsverwaltung zu verteilenden Erträgnissen gehören.
Die betreibende Partei sprach sich gegen die Einstellung aus. Die Voraussetzungen für eine amtswegige Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens lägen nicht vor. Obwohl davon auszugehen sei, dass der verpflichteten Partei die Erträgnisse aus dem Marmorabbau auf der zwangsverwalteten Liegenschaft zufielen, ergebe sich aus dem Bericht des Zwangsverwalters nicht, welche Bedingungen für den Abbau, insbesondere welche Gegenleistungen, tatsächlich vereinbart worden seien. Solange der Zwangsverwalter keine Erkundigungen über eine etwaige Gegenleistung für die Dienstbarkeit eingeholt und keine Urkundeneinsicht genommen habe, sei kein Grund für eine amtswegige Einstellung des Zwangsverwaltungsverfahrens gegeben.
Das Erstgericht stellte die Zwangsverwaltung der Liegenschaft gemäß § 129 Abs 2 EO ein. Das Recht, auf der Liegenschaft Marmor abzubauen, stehe der Drittschuldnerin und nicht der verpflichteten Partei als Liegenschaftseigentümerin zu, sodass der Zwangsverwalter durch die Dienstbarkeitseinräumung in seinen Befugnissen eingeschränkt sei. Die betreibende Partei habe die von ihr behaupteten Entgeltsansprüche aus dem Dienstbarkeitsvertrag ohnehin gepfändet und überwiesen erhalten, sodass sie ihre Ansprüche im (ausgeschiedenen) Verfahren betreffend die Forderungsexekution verfolgen könne.
Das Rekursgericht hob über Rekurs der betreibenden Partei den erstinstanzlichen Beschluss auf. Allfällige Erträgnisse aus der vereinbarten Dienstbarkeit seien als Erträgnisse der Liegenschaft anzusehen und in die Zwangsverwaltung einzubeziehen. Im fortzusetzenden Verfahren werde daher festzustellen sein, ob und in welchem Ausmaß aufgrund des Servitutsbestellungsvertrags und allfälliger diesen ergänzenden oder sonstiger vertraglicher Regelungen ein Entgelt als Gegenleistung für den Marmorabbau vereinbart worden sei. Erst nach Vorliegen dieser Erhebungsergebnisse könne beurteilt werden, ob das Zwangsverwaltungsverfahren von Amts wegen einzustellen sei.
Der Rekurs an den Obersten Gerichtshof sei zulässig, weil oberstgerichtliche Rechtsprechung zu der Frage fehle, ob Einnahmen aus einer Dienstbarkeit als „Erträgnisse der Liegenschaft" im Sinne der Bestimmungen über die Zwangsverwaltung anzusehen seien.
Rechtliche Beurteilung
Der Rekurs der verpflichteten Partei ist zulässig, aber nicht berechtigt.
a) Durch Zwangsverwaltung wird auf die Nutzungen und Einkünfte des Exekutionsobjekts gegriffen. Dass die betriebene Forderung an Kapital und Zinsen durch die Erträgnisse aus der auf der Liegenschaft betriebenen Forstwirtschaft nicht oder zumindest für längere Zeit nicht vermindert werden kann, ist nicht mehr bestritten. Eine amtswegige Einstellung nach § 129 Abs 2 zweiter Fall EO kommt daher nur in Betracht, wenn keine weiteren Einkünfte aus der Liegenschaft erzielt werden bzw erzielt werden können.
Zu den Verwaltungserträgnissen einer zwangsverwalteten Liegenschaft gehören alle dem Verpflichteten gebührenden, der Exekution nicht entzogenen Nutzungen und Einkünfte der Liegenschaft (§ 119 Abs 2 EO). Als Nutzungen einer Liegenschaft werden jene Vorteile angesehen, die (nach Bearbeitung) aus der Sache nach ihrer wirtschaftlichen Bedeutung ohne Verringerung der Substanz gewonnen werden. Einkünfte sind jene Vorteile, die man für den einem Anderen gestatteten Gebrauch einer Sache erhält, wie etwa Miet- und Pachtzinse (1 Ob 619/34 = SZ 16/154; Heller/Berger/Stix, EO4 1022; Schreiber in Burgstaller/Deixler‑Hübner, EO § 119 Rz 11), die nach Übergabe der Liegenschaft an den Zwangsverwalter erzielt werden.
Gemäß § 97 Abs 1 EO ist die Zwangsverwaltung zum Zweck der Tilgung der vollstreckbaren Forderung aus den Nutzungen und Einkünften von Liegenschaften des Verpflichteten zu bewilligen. Die Zwangsverwaltung darf also nicht bewilligt werden bzw ist einzustellen, wenn solche Erträgnisse überhaupt nicht oder doch für längere Zeit nicht zu erwarten sind (§ 129 Abs 2 EO). Daraus folgt, dass die Exekution durch Zwangsverwaltung nicht zu bewilligen ist, wenn das Recht auf die Nutzungen und Einkünfte der Liegenschaft in einer gegen Dritte wirksamen Weise auf eine vom Verpflichteten verschiedene Person übertragen ist, also insbesondere dann, wenn die Liegenschaft des Verpflichteten mit einem dem Befriedigungsrecht des betreibenden Gläubigers vorausgehenden Fruchtgenussrecht einer anderen Person im Grundbuch belastet ist. Der betreibende Gläubiger, dessen Forderung ein dem Fruchtgenussrecht vorrangiges Pfandrecht nicht zukommt, muss also dieses Fruchtgenussrecht respektieren und kann daraus keine Befriedigung erlangen. Ein auf der Liegenschaft einverleibtes vorrangiges Fruchtgenussrecht steht daher der Zwangsverwaltung entgegen (Angst in Angst, EO, § 97 Rz 10; Schreiber aaO § 97 Rz 12, je mwN).
Die hier zu beurteilende Servitut ist indes ein sogenannter Abbauvertrag, der ein im Gesetz nicht ausdrücklich geregeltes Dauerschuldverhältnis eigener Art darstellt, das sowohl Elemente eines Kaufes wie auch Elemente der Pacht in sich vereinigt (3 Ob 529/86 mwN aus Lehre und Rsp; 1 Ob 614/93 mwN; F. Bydlinski in Klang2 IV/2, 132; Aicher in Rummel3, § 1053 ABGB Rz 20; Würth in Rummel3, § 1090 ABGB Rz 17; Binder in Schwimann3, § 1090 ABGB Rz 67 ff, je mwN). Durch einen Abbauvertrag erhält der Vertragspartner des Grundeigentümers für die Dauer des Vertragsverhältnisses die volle Herrschaft über den zum Abbau bestimmten Boden und der Eigentümer hat die Benützung des Bodens zu Zwecken der Gewinnung der vorhandenen Abbauprodukte zu gestatten. Die Bestimmungen des ABGB über den Fruchterwerb sind darauf nicht anzuwenden (6 Ob 6/74 = JBl 1975, 145 [insoweit zustimmend F. Bydlinski] = RZ 1974/71).
Selbst wenn man aber die Regeln der Fruchtnießung hier anwenden wollte, wäre für die verpflichtete Partei nichts gewonnen, geht es doch im vorliegenden Fall nicht um die abgebauten Marmorsteine (als „Früchte"), die nach dem Dienstbarkeitsvertrag dem Drittschuldner zustehen, sondern um die - noch ungeklärte - Gegenleistung für eben diese Abbauberechtigung. Nach dem aktenkundigen Dienstbarkeitsvertrag (samt Nachtrag) ist laut Punkt 6.) die Dienstbarkeit zwar unentgeltlich, jedoch in Punkt 3.) die Verpflichtung des vormaligen Liegenschaftseigentümers vereinbart, für den Fall, als Kaufverträge über die vorgenannten Liegenschaften - aus den oben genannten Gründen - nicht wirksam zustande kommen sollten, der Drittschuldnerin das Recht einzuräumen, auf den vorgenannten Grundstücken Marmor aufzusuchen und abzubauen, dies zu noch zu vereinbarenden Bedingungen. Geplant war damals, dass die Drittschuldnerin die Grundstücke kauft; dazu kam es nicht. Damit ist offen, ob die Drittschuldnerin seit damals (1991) Marmor unentgeltlich abbaut oder zur Tragung irgendeiner Gegenleistung verpflichtet ist. Von Art und Umfang der allfälligen Gegenleistungen wird es abhängen, ob diese iSd § 97 EO bei der Zwangsverwaltung deren Weiterführung rechtfertigen können.
Festzuhalten bleibt: Sind Entgelte für die obligatorische Einräumung des Gebrauchs an einer fremden Sache als Einkünfte aus der Zwangsverwaltung einer Liegenschaft anzusehen, besteht kein Zweifel daran, dass dies auch für (laufende) Entgelte für die Einräumung einer absolut geschützten Rechtsposition, wie sie dem Servitutsinhaber zukommt, zutrifft. Erträgnisse aus einer Dienstbarkeit sind damit grundsätzlich als „Erträgnisse der Liegenschaft" im Sinn der Bestimmungen über die Zwangsverwaltung anzusehen. Ob diese Erträgnisse ausreichend sind, um eine Zwangsverwaltung einzuleiten oder fortzuführen, ist von den tatsächlichen Gegebenheiten des Einzelfalls abhängig. Sollten demnach im vorliegenden Fall für die Einräumung der Dienstbarkeit (laufende) Entgelte vereinbart worden sein, stellen sie Einkünfte iSd § 119 Abs 2 EO dar. Zu Recht hat daher die zweite Instanz der Erstrichterin weitere Erhebungen aufgetragen.
b)Für die Zwangsverwaltung einer Liegenschaft gilt der Grundsatz der Einheit des Verwertungsverfahrens. Dieser Grundsatz wird wirksam, wenn bei verbücherten Liegenschaften die Zwangsverwaltung im Grundbuch angemerkt worden ist. Ab diesem Zeitpunkt sind die Erträgnisse der verwalteten Liegenschaft iSd § 39 Abs 1 Z 2 EO einer abgesonderten Exekutionsführung entzogen (Angst aaO § 103 Rz 1 und 2). Wurden vor der Übergabe der Liegenschaft an den Verwalter bereits Forderungen gepfändet, die Einkünfte der Liegenschaft zum Gegenstand haben, so verliert das Pfandrecht seine Wirkungen bezüglich der Einkünfte, die erst nach der Übergabe der Liegenschaft fällig werden. Diese Auffassung wird als nunmehr herrschend bezeichnet (1 Ob 619/34 = SZ 16/154; Heller/Berger/Stix4 II 975, 1026; Angst aaO § 119 Rz 5). Daraus folgt, dass die Forderungsexekution auf (etwaige) fällige Entgelte aus dem Dienstbarkeitsvertrag bis zur Übergabe der Liegenschaft an den Verwalter geführt werden darf; in Ansehung der erst nach der Übergabe der Liegenschaft fällig werdenden Einkünfte aus dem Dienstbarkeitsvertrag fallen sie somit in die Zwangsverwaltungsmasse und stellen zu verteilende Erträgnisse dar (§ 103 Abs 1 letzter Satz EO). Eine im Rechtsmittel angesprochene „Doppelgleisigkeit des Zugriffs auf das idente Wirtschaftsgut" (durch Forderungsexekution und Zwangsverwaltung) besteht somit wegen der zeitlichen Differenzierung nicht.
Dem Rechtsmittel ist nicht Folge zu geben.
Die Entscheidung über den Kostenvorbehalt beruht auf § 52 Abs 1 ZPO iVm § 78 EO.
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