OGH 5Ob235/07f

OGH5Ob235/07f19.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Floßmann als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Adolf A*****, 2. Theresia A*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Wilhelm Granner, Rechtsanwalt in Wels, gegen die beklagten Parteien 1. Franz Xaver W*****, 2. Gertrud W*****, beide *****, beide vertreten durch Dr. Julius Bitter, Rechtsanwalt in Kirchdorf, wegen Räumung, über die außerordentliche Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Steyr als Berufungsgericht vom 12. Juni 2007, GZ 1 R 130/06w‑43, den

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:2008:0050OB00235.07F.0219.000

 

Spruch:

Die außerordentliche Revision der beklagten Parteien wird gemäß § 508a Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 502 Abs 1 ZPO zurückgewiesen (§ 510 Abs 3 ZPO).

Begründung

Rechtliche Beurteilung

1. Ein erheblich nachteiliger Gebrauch im Sinn des § 1118 1. Fall ABGB liegt dann vor, wenn durch eine wiederholte, länger währende vertragswidrige Benützung des Bestandobjekts oder durch eine längere Reihe von Unterlassungen notwendiger Vorkehrungen wichtige Interessen des Vermieters verletzt werden oder eine erhebliche Verletzung der Substanz des Mietgegenstands erfolgte oder auch nur droht (vgl RIS‑Justiz RS0019774; RS0020981; RS0067832; RS0068076). Die wichtigen Gründe in der Person des Bestandnehmers müssen die Interessen des Bestandgebers soweit nachteilig berühren, dass sie bei objektiver Betrachtungsweise einen verständigen Bestandgeber zur Vertragsauflösung veranlassen würden und diese als gerechte, dem Sachverhalt adäquate Maßnahme erscheinen lassen (RIS‑Justiz RS0020981 [T17]). Der Auflösungsgrund des § 1118 1. Fall ABGB setzt kein Verschulden des Mieters voraus (RIS‑Justiz RS0070243). Es reicht aus, dass dem Mieter das nachteilige Verhalten bewusst war oder bewusst sein musste (RIS‑Justiz RS0020981 [T12]), wobei der Maßstab eines durchschnittlichen Mieters anzulegen ist (vgl 10 Ob 17/00y = MietSlg 52.384; RIS‑Justiz RS0020981 [T18]). Ausgehend von diesen Kriterien hängt die Frage, ob ein erheblich nachteiliger Gebrauch vorliegt oder nicht, immer von den Umständen des einzelnen Falls ab (RIS‑Justiz RS0021018), die in ihrer Gesamtheit zu betrachten (RIS‑Justiz RS0020981 [T10]; Binder in Schwimann³, § 1118 ABGB Rz 19) und die nicht - wie es die Beklagten in ihrer außerordentlichen Revision betreiben - in Einzelfakten zu zerlegen sind (Würth in Rummel³, § 1118 ABGB Rz 11 mwN). Die rechtliche Würdigung des Einzelfalls ist vom Obersten Gerichtshof nicht zu überprüfen, außer es läge eine auffallende und im Interesse der Rechtssicherheit zu korrigierende Fehlbeurteilung der Zumutbarkeit einer Fortsetzung des Bestandverhältnisses vor (vgl RIS‑Justiz RS0042984; RS0113693).

2. Die Beurteilung des Berufungsgerichts, dass die langjährige eigenmächtige Nutzung der vom Bestandrecht nicht umfassten, rechts des Vorhauses gelegenen Räume einen Auflösungsgrund darstellt, hält sich im Rahmen der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (RIS‑Justiz RS0070417). Dass über das Recht zur Benützung dieser Räume deshalb Streit herrscht, weil die beklagten Bestandnehmer die Nutzung unberechtigt für sich in Anspruch nehmen, entlastet diese nicht.

3. Nach den vom Erstgericht getroffenen Feststellungen haben die Beklagten die Reparaturarbeiten am Westtrakt nicht nur ohne Zustimmung der klagenden Liegenschaftseigentümer vorgenommen, sondern obwohl die Kläger „dies verweigerten" (Ersturteil S 5). Schließlich hat die Zweitbeklagte dem Sohn des Erstklägers bei einer Besichtigung des Objekts „einen Schlag ins Gesicht (versetzt), wodurch dieser eine ca 5 mm lange Rissquetschwunde an der Oberlippe sowie eine geringfügige Zahnverletzung erlitt". Dieses Vorgehen der Zweitbeklagten gegen einen Familienangehörigen des Bestandgebers im Rahmen einer Besichtigung des Bestandobjekts stellt auch dann eine inakzeptable Belastung des Verhältnisses der Vertragspartner dar, wenn es sich beim Sohn der Kläger - wie die Beklagten betonen - um keinen „Mitbewohner" handelt.

4. Bereits die drei beschriebenen Verhaltensweisen der beklagten Bestandnehmer (langjährige eigenmächtige Nutzung vom Bestandrecht nicht umfasster Räume; eigenmächtige Reparaturarbeiten trotz Verweigerung durch die Bestandgeber; tätlicher Angriff der Zweitbeklagten auf den Sohn des Bestandgebers anlässlich einer Besichtigung des Bestandobjekts) lassen im Rahmen einer Gesamtbewertung die Stattgebung des Räumungsbegehrens nicht als unvertretbare Fehlbeurteilung erkennen. Den Fragen, ob die Beklagten dem Erstkläger am 11. 6. 2001 (Durchführung der Feuerbeschau) unberechtigt den Zutritt zum Haus verweigerten, und ob dem Berufungsgericht bei der Beurteilung der Reparaturarbeiten als unsachgemäß eine Aktenwidrigkeit unterlaufen ist, kommt damit keine entscheidungserhebliche Bedeutung (mehr) zu.

Die Beklagten machen demnach insgesamt keine erhebliche Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO geltend; ihre außerordentliche Revision ist daher unzulässig und zurückzuweisen.

Stichworte