OGH 14Os141/07b

OGH14Os141/07b19.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Holzweber als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Philipp und Hon.-Prof. Dr. Schroll sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Wieltschnig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Eva T***** wegen des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengericht vom 8. Mai 2007, GZ 36 Hv 89/07v-10, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Der Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Eva T***** des Verbrechens des räuberischen Diebstahls nach §§ 127, 131 erster Fall StGB schuldig erkannt.

Demnach hat sie am 12. Dezember 2006 in B***** fremde bewegliche Sachen, nämlich ca drei Flaschen Parfum in unbekanntem Wert, Verfügungsberechtigten der B***** GesmbH mit dem Vorsatz weggenommen, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei sie bei dem Diebstahl durch den Detektiv Helmut P***** und die Firmenangestellte Margarethe B***** auf frischer Tat betreten Gewalt gegen diese anwendete, um sich die weggenommenen Sachen zu erhalten, indem sie mit ihrem Pkw Citroen Berlingo auf die beiden zufuhr und sie so zwang, den Weg freizugeben.

Die von der Angeklagten dagegen aus den Gründen der Z 4, 5, 5a, 9 lit b und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurde die Rechtsmittelwerberin durch die Abweisung des in der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Einholung „eines psychiatrischen Sachverständigengutachtens zum Beweis dafür, dass aufgrund dieser Vorfälle in der Kindheit - nämlich einer Vergewaltigung im Alter von acht Jahren - eine Angst vor Männern resultiert und sich diese Angstzustände in besonderen Situationen, wie es sich eben zugetragen hat, als der Kaufhausdetektiv auf sie eingeschrien hat und auf die Motorhaube geschlagen hat, sich so massieren können, dass die Angeklagte zum Zeitpunkt, als sie mit dem Wagen losfuhr, nicht schuldhaft gehandelt hat" (S 90), in ihren Verteidigungsrechten nicht verletzt. In einem Beweisantrag muss - soweit dies nicht auf der Hand liegt - angegeben werden, aus welchen Gründen zu erwarten ist, dass die Durchführung des begehrten Beweises das vom Antragsteller behauptete Ergebnis haben solle. Eine Beweisführung lediglich mit dem Ziel, abzuklären, ob von einem bestimmten Beweis eine weitere Aufklärung zu erwarten ist, läuft - wie hier - auf einen (unzulässigen) Erkundungsbeweis hinaus (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 330, RIS-Justiz RS0099453, RS0118123). Hat sich doch nicht einmal die Angeklagte selbst dahin verantwortet, dass sie zur Tatzeit zurechnungsunfähig gewesen sei und deswegen nicht schuldhaft gehandelt habe. Indem das Rechtsmittelvorbringen dem Beweisantrag Relevanz hinsichtlich einer allfälligen allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung beimisst, macht es lediglich einen Berufungsgrund geltend.

Der Mängelrüge (Z 5 zweiter Fall) zuwider wurde zureichend auf die Verantwortung der Angeklagten eingegangen, diese jedoch mit logisch und empirisch einwandfreier Begründung in ihren wesentlichen Punkten für widerlegt erachtet (US 5 ff). Dabei war das erkennende Gericht weder dazu verhalten, den vollständigen Inhalt sämtlicher Aussagen (und überhaupt alle Verfahrensergebnisse) in extenso zu erörtern und daraufhin zu untersuchen, inwieweit sie für oder gegen diese oder jene Darstellung sprechen, noch musste es sich mit jedem gegen seine Beweiswürdigung möglichen, im Rahmen der Nichtigkeitsbeschwerde konkret erhobenen Einwand im Voraus auseinandersetzen (RIS-Justiz RS0098377, RS0098778). Es genügt vielmehr, wenn das Gericht im Urteil in gedrängter Form (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) die entscheidenden Tatsachen bezeichnet und schlüssig und zureichend begründet, warum es von der Richtigkeit dieser Annahme überzeugt ist, ohne dagegen sprechende wesentliche Umstände mit Stillschweigen zu übergehen. Demgemäß musste das Erstgericht auf die leugnenden Angaben der Angeklagten nicht noch detaillierter (vgl US 5 ff) eingehen. Soweit die Beschwerde die Feststellung, dass die Angeklagte drei Flaschen Parfum stahl, als unzureichend begründet erachtet (Z 5 vierter Fall) - die Tatrichter hätten sich im Wesentlichen nur auf die Angaben des Helmut P***** vor der PI Bischofshofen und das Losgehen der Alarmanlage zu dem Zeitpunkt, als die Angeklagte das Geschäft verließ, gestützt - bekämpft sie mit dem Verweis darauf, dass „seitens der Parfümerie B***** nicht eruiert werden konnte, ob und wie viele Parfum gestohlen worden sind", sowie dass das Einstecken der Gegenstände von keinem Zeugen beobachtet worden sei, lediglich die Beweiswürdigung des Erstgerichts, ohne aber einen Begründungsmangel deutlich und bestimmt aufzuzeigen. Von einer „unstatthaften, dem Grundsatz in dubio pro reo widersprechenden Vermutung" zu Lasten der Beschwerdeführerin kann mit Blick auf die beschriebenen, vom Erstgericht als ausreichend befundenen Beweisergebnisse keine Rede sein.

Wesen und Ziel der Tatsachenrüge (Z 5a) ist es, an Hand aktenkundiger Umstände unter Beachtung sämtlicher Verfahrensergebnisse erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit des Ausspruchs über entscheidende Tatsachen aufzuzeigen. Bloß aus Erwägungen der Tatrichter abgeleitete Einwände sind ebenso wenig zur prozessordnungsgemäßen Darstellung der Rüge geeignet wie Eindrücke, Hypothesen oder Spekulationen des Rechtsmittelwerbers (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 487).

Indem die Beschwerde erneut auf den Umstand, dass nicht eruiert werden konnte bzw wurde, ob und wie viele Parfumflaschen gestohlen wurden, sowie - in Bezug auf die eigentliche Wegnahme der Sachen - auf das Fehlen von Filmaufzeichnungen und die sie nicht belastenden Angaben der Zeugin Margarethe B***** hinweist, weiters eigenständige Überlegungen zu den vom Zeugen Helmut P***** gemachten Beobachtungen anstellt und spekuliert, ob nicht eine andere Person den Alarm ausgelöst haben könnte, und sie letztlich ihre Verantwortung erörtert, sie habe das Geschäftslokal wegen Übelkeit rasch verlassen müssen, um eine Toilette aufzusuchen, trachtet die Beschwerdeführerin erneut nur die tatrichterliche Beweiswürdigung nach Art einer im kollegialgerichtlichen Verfahren unzulässigen Schuldberufung zu bekämpfen, ohne aus der gesamten Aktenbasis ableitbare erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit schuldspruchrelevanter Feststellungen aufzuzeigen.

Mit Hinweisen auf die Angaben der Angeklagten, als Kind Opfer eines Vergewaltigungsversuchs in der Slowakei geworden zu sein (S 71), seither Angst vor fremden Männern zu haben und das Verhalten des Detektivs als bedrohlich empfunden zu haben, bringt die Rechtsrüge (Z 9 lit b) kein darauf hinweisendes Sachverhaltssubstrat zur Darstellung, dass die Beschwerdeführerin zur Tatzeit zurechnungsunfähig und somit schuldunfähig gewesen sei. Somit fehlt es an einer deutlichen und bestimmten Bezeichnung des geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 601). Die eine Tatbeurteilung in Richtung „allenfalls Nötigung in Konkurrenz zum einfachen Diebstahl" relevierende Subsumtionsrüge (Z 10) übergeht mit ihrer Behauptung, die Angeklagte habe die Beute bereits in Sicherheit gebracht, die Urteilsannahmen, dass sich die die zum Auto laufende Angeklagte verfolgenden Zeugen P***** und B***** vor die Motorhaube des Fahrzeugs stellten und P***** sie unter Bekanntgabe seiner Funktion aufforderte, stehen zu bleiben. Danach habe die Angeklagte die Zentralverriegelung betätigt und sei mit dem Fahrzeug auf die Genannten losgefahren.

Warum sohin bereits eine „materielle Vollendung" des Diebstahls vorliegen solle, leitet die Rüge unter Hinweis auf eine einen anders gelagerten Fall ansprechende Kommentarstelle (Bertel in WK² § 131 Rz 8a) nicht methodengerecht aus dem Gesetz ab (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 588, 590, vgl hiezu im Übrigen SSt 22/65; 16 Os 9/90). Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei der nichtöffentlichen Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Oberlandesgerichts zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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