OGH 13Os6/08v

OGH13Os6/08v13.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat am 13. Februar 2008 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Hon.-Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Pulker als Schriftführerin in der Strafsache gegen Roumiana G***** wegen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung der Angeklagten gegen das Urteil des Geschworenengerichts beim Landesgericht Korneuburg vom 20. November 2007, GZ 701 Hv 1/07v-102, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde werden das angefochtene Urteil und der diesem zu Grunde liegende Wahrspruch aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung an das Geschworenengericht des Landesgerichts Korneuburg zurückverwiesen. Mit ihrer Berufung wird die Angeklagte auf die Kassation des Strafausspruchs verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Angeklagte Roumiana G***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt.

Danach hat sie am 7. Februar 2007 in Laa an der Thaya Nikolay G***** durch 22 Messerstiche vorsätzlich getötet.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 4, 6 und 10a des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten ist im Recht. Die Fragenrüge (Z 6) weist zutreffend auf Verfahrensergebnisse hin, die eine Eventualfrage (§ 314 StPO) nach dem Verbrechen des Totschlags (§ 76 StGB) indizieren. Mit Recht wird diesbezüglich die Verantwortung der Beschwerdeführerin hervorgehoben, sie habe wegen Drohungen des Tatopfers „furchtbare", „panische" sowie „tödliche" Angst empfunden (S 3/V iVm S 169 und 174/IV; S 3, 43 und 44/V) und aufgrund dieses Angstzustands gehandelt (S 3/V). Der Vollständigkeit halber sei zudem auf deren damit korrespondierende Depositionen im Vorverfahren hingewiesen (S 125 und 147/I). Auch die gutachterliche Äußerung des Sachverständigen Dr. Werner B*****, wonach die Vielzahl der Messerstiche auf eine heftige Affektlage hindeutet (S 38/V iVm S 221/IV), wird von der Beschwerde insoweit zutreffend angesprochen.

§ 76 StGB privilegiert die vorsätzliche Tötung eines Menschen (gegenüber § 75 StGB), sofern sich der Täter in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung zur Tat hinreißen lässt. Allgemeine Begreiflichkeit des Affekts ist nach der Judikatur gegeben, wenn der psychische Ausnahmezustand (in seiner tatkausalen Heftigkeit) im Verhältnis zu seinem Anlass auch einem durchschnittlich rechtstreuen Menschen von der geistigen und körperlichen Beschaffenheit des Täters in der spezifischen Tatsituation derart verständlich wäre, dass er sich vorstellen könnte, unter den gegebenen Umständen in eine solche Gemütsverfassung zu geraten (RIS-Justiz RS0092197; Moos in WK² § 76 Rz 26 ff). Durch die relevierte Aussage der Beschwerdeführerin, das Tatopfer habe - zum Teil unter Vorhalten eines Messers - mit der Tötung der Beschwerdeführerin und ihrer Kinder gedroht (S 66 f/V iVm S 53/I; S 3/V iVm S 169 f/IV; S 43, 44 und 46/V), ist auch dieses Privilegierungserfordernis indiziert.

In der Hauptverhandlung sind somit Tatsachen vorgebracht worden, nach denen - wenn sie als erwiesen angenommen werden - die der Beschwerdeführerin zur Last gelegte Tat unter ein anderes Strafgesetz fiele, das nicht strenger ist als das in der Anklageschrift (ON 55) angeführte. Demnach war eine entsprechende Eventualfrage an die Geschworenen zu stellen (§ 314 Abs 1 StPO). Ist nämlich - wie hier - ein in der Hauptverhandlung vorgebrachter Geschehensablauf an sich denkbar und bedarf es zu seiner Nichtannahme beweiswürdigender Überlegungen, dann ist auch die darauf bezogene Fragestellung an die Geschworenen ohne Rücksicht auf die Glaubwürdigkeit der betreffenden Darstellung unabdingbar, weil die Würdigung der für die Entscheidung der Schuldfrage zu berücksichtigenden Verfahrensergebnisse im geschworenengerichtlichen Verfahren allein den Laienrichtern zukommt (§ 325 Abs 1 StPO; Schindler, WK-StPO § 314 Rz 14). Aufgrund der fehlerhaften Fragestellung war der Nichtigkeitsbeschwerde schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§§ 285e, 344 StPO).

Im Hinblick darauf erübrigt sich das Eingehen auf das weitere Beschwerdevorbringen.

Im zweiten Rechtsgang wird vordringlich zu beachten sein, dass bei allfälliger Bejahung der Tötung an sich die Subsumtion der zu beurteilenden Tat ausschließlich von inneren Vorgängen abhängt. Der Tatbestand des Mordes (§ 75 StGB) unterscheidet sich von dem des Totschlags (§ 76 StGB) nämlich nur durch die Gemütsverfassung, die für den Vorsatz kausal ist, sohin auf der Ebene der Schuld (Moos in WK² § 76 Rz 9). Die anderen - hier theoretisch in Betracht kommenden - Tötungsdelikte (§ 80 StGB [iVm § 3 Abs 2 StGB oder § 8 StGB], §§ 83, 86 StGB, § 87 Abs 1 und Abs 2 StGB) weichen vom Tatbestand des Mordes auf der subjektiven Tatseite ab. Demgemäß wird im Rahmen der Hauptverhandlung besonderes Augenmerk auf die insoweit gezielte, detaillierte Befragung der Beschwerdeführerin zu legen sein. Sollten die Verfahrensergebnisse mehrere Strafausschließungsgründe indizieren (zB Notwehr und Putativnotwehr), ist nur eine einzige - alternativ gefasste - Zusatzfrage zu stellen, über die in einem abzustimmen ist. Bei getrennter Abstimmung könnte es nämlich zu einem dem Willen der Geschworenen widersprechenden Schuldspruch kommen, wenn deren Mehrheit die Straflosigkeit aus unterschiedlichen Gründen bejaht (Schindler, WK-StPO § 313 Rz 32, § 317 Rz 19 f). Zusatz- oder Eventualfragen sind aber nur dann an die Geschworenen zu richten, wenn in der Hauptverhandlung entsprechende Tatsachen vorgebracht werden. Ist dies der Fall, müssen sie - wie oben dargelegt - gestellt werden.

Mit ihrer Berufung war die Angeklagte auf die kassatorische Entscheidung zu verweisen.

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