OGH 9ObA40/07h

OGH9ObA40/07h7.2.2008

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Rohrer als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Spenling und Dr. Hopf sowie die fachkundigen Laienrichter KR Mag. Paul Kunsky und Peter Schleinbach als weitere Richter in der Arbeitsrechtssache der klagenden Partei Wolfgang S*****, vertreten durch Mag. Michael Hirm, Rechtsanwalt in Klagenfurt, gegen die beklagte Partei K***** AG, *****, vertreten durch die NM Norbert Moser Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in Klagenfurt, wegen 14.251,72 EUR brutto sA, über die Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 17. Jänner 2007, GZ 7 Ra 100/06i-14, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Arbeits- und Sozialgericht vom 23. August 2006, GZ 31 Cga 67/06s-8, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben.

Die Urteile der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass sie zu lauten haben:

„Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei binnen 14 Tagen den Betrag von 14.251,72 EUR brutto samt 9,47 % Zinsen aus 9.065,92 EUR vom 1. 4. 2006 bis 30. 6. 2006, aus 11.658,82 EUR vom 1. 7. 2006 bis 31. 7. 2006 und aus 14.251,72 EUR seit 1. 8. 2006 zu bezahlen und die mit 3.136,93 EUR (darin 430,99 EUR USt und 551 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens und die mit 2.288,68 EUR (darin 225,78 EUR USt und 934 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens zu ersetzen."

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 1.980,52 EUR (darin 135,42 EUR USt und 1.168 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Der am 5. 3. 1946 geborene Kläger war seit 1967 bei der Beklagten beschäftigt. Er war seit 1978 Zweigstellenleiter und unkündbar gestellt. Die Beklagte entwickelte ein sog „Vorruhestandsmodell", auf Grund dessen in den Jahren 1999 bis 2001 mit ca 120 Mitarbeitern, die bis auf drei männliche Mitarbeiter bereits 55 Jahre alt waren, jeweils einzelvertraglich vereinbart wurde, dass das bisherige unbefristete Arbeitsverhältnis (unter Zahlung der gesetzlichen und einer freiwilligen Abfertigung) einvernehmlich aufgelöst und stattdessen ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis begründet wird. Dieses befristete Arbeitsverhältnis sollte bei männlichen Mitarbeitern jeweils mit dem Monat enden, in dem sie 60 Jahre alt werden. Dabei war grundsätzlich geplant, dass die Mitarbeiter nach dem jeweiligen Ende der Befristung „nahtlos in eine Pensionsregelung gleiten können". Für das befristete Arbeitsverhältnis während des Vorruhestands war nur die halbe Arbeitsleistung vorgesehen, die von den Betroffenen im Regelfall in einem ersten Block auf Basis einer Vollzeittätigkeit abgedient werden sollte, sodass dann im zweiten Block keine Arbeitsleistung mehr erbracht werden musste. Die Beteiligten gingen im Jahr 1999 davon aus, dass Männer bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen mit Vollendung des 60. Lebensjahrs „in Alterspension gehen können".

Auch der Kläger nahm an diesem Vorruhestandsmodell teil. Es wurde daher Ende 1999 sein bisheriges unbefristetes Arbeitsverhältnis einvernehmlich aufgelöst und unmittelbar daran anschließend für den Zeitraum 1. 1. 2000 bis 31. 3. 2006 ein befristetes Arbeitsverhältnis abgeschlossen. Der Kläger war im Rahmen der ca 120 Mitarbeiter, die am Vorruhestandsmodell teilnahmen, insofern eine Ausnahme, als er - wie auch noch zwei weitere Mitarbeiter - bei Beginn des befristeten Arbeitsverhältnisses noch nicht 55 Jahre alt war. Der Teilnahme des Klägers am Vorruhestandsmodell war vorausgegangen, dass ihm am 12. 11. 1999 bis zu der in einigen Tagen bevorstehenden Vorstandssitzung sämtliche Pouvoirs für Privat- und Firmengeschäfte entzogen worden waren, nachdem er als Filialleiter in den Vorjahren wiederholt seine Kompetenzen in Bezug auf Überziehungsbeschränkungen im Zusammenhang mit nicht ausreichenden Sicherheiten von Kunden überschritten hatte. Der Kläger wurde in der Folge bis Ende 1999 von seiner bisherigen Zweigstelle abgezogen und in der Zentrale der Beklagten in untergeordneter Tätigkeit verwendet. Im Rahmen interner Erörterungen wurde auch ein allfälliges Disziplinarverfahren gegen den Kläger bis hin zu dessen Entlassung in Erwägung gezogen. Letztlich gelangte man aber bei der Beklagten zu dem Ergebnis, dass dem Kläger, der über viele Jahre seine Zweigstelle sehr gut geführt hatte, das bei der Beklagten gerade laufende Vorruhestandsmodell angeboten werden sollte, um ihm einen gesichtswahrenden Ausstieg zu ermöglichen und einen „Schlussstrich zu ziehen". Mit Schreiben vom 9. 12. 1999 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er mit 31. 12. 1999 aus dem Unternehmen ausscheide, um die Möglichkeit des Vorruhestands in Anspruch zu nehmen. Die Beklagte bedankte sich für den Einsatz des Klägers beim Ausbau seiner ehemaligen Geschäftsstelle. Gerade in einem vom Sommerfremdenverkehr abhängigen Ort sei es nicht leicht, das Geschäftsvolumen jährlich auszubauen. Sie wünsche dem Kläger für die Zukunft alles Gute, vor allem Gesundheit und Lebensfreude, damit er diesen Lebensabschnitt auch genießen könne. Mit einem zweiten Schreiben gleichen Datums teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass er vom 1. 1. 2000 bis 31. 3. 2006 als Teilzeitbeschäftigter befristet aufgenommen werde. Die Dienstzeit werde im Einvernehmen mit dem jeweiligen Vorgesetzten festgelegt und betrage 50 % der Normalarbeitszeit. Anfang 2000 konsumierte der Kläger sämtliche offenen Urlaube. In der Folge verzichtete die Beklagte auf die weiteren Dienste des Klägers und stellte ihn bis zum 31. 3. 2006 dienstfrei. Der Beklagten fehlte für eine tatsächliche Verwendung des Klägers im Rahmen der vorgesehenen geblockten Arbeitsverpflichtung das Vertrauen.

Der Kläger konnte auf Grund der während des befristeten Arbeitsverhältnisses erfolgten gesetzlichen Anhebung des Pensionsalters nicht wie geplant ab 1. 4. 2006 die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer antreten. Laut Mitteilung der Pensionsversicherungsanstalt vom 17. 3. 2006 sind beim Kläger die Voraussetzungen für eine Alterspension nach Vollendung des 62. Lebensjahrs („Korridorpension") zum Stichtag 1. 4. 2008 erfüllt. Die Voraussetzungen für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer sind erst zum Stichtag 1. 1. 2009 erfüllt. Der Klagevertreter forderte die Beklagte auf, anzuerkennen, dass das befristete Arbeitsverhältnis des Klägers unter den bisherigen Bedingungen bis zum frühestmöglichen ASVG-Pensionierungszeitpunkt verlängert werde bzw erst mit diesem Zeitpunkt als aufgelöst gelte. Dieses Ansinnen lehnte der Beklagtenvertreter mit Schreiben vom 13. 3. 2006 ab. Bei allen anderen Mitarbeitern, auch jenen beiden, die wie der Kläger bereits vor Vollendung des 55. Lebensjahrs in das Vorruhestandsmodell eingetreten waren, verlängerte die Beklagte hingegen die befristete Teilzeitregelung bis zur Erreichung des gesetzlichen Pensionsantrittsalters.

Der Kläger begehrt mit der vorliegenden Klage nach Ausdehnung des Klagebegehrens die Zahlung des Betrags von 14.251,72 EUR brutto sA an Gehältern für den Zeitraum April - August 2006 samt anteiliger Sonderzahlungen. Zweck des mit der Beklagten vereinbarten Vorruhestandsmodells sei es gewesen, dass das befristete Teilzeitarbeitsverhältnis bis zum frühestmöglichen gesetzlichen Pensionsantritt bestehe. Das Vorruhestandsmodell sollte einen nahtlosen Übergang von der Teilzeitbeschäftigung in die ASVG-Pension gewährleisten. Dies sei auch die gemeinsame Geschäftsgrundlage gewesen. Der ursprünglich genannte Termin 31. 3. 2006 habe lediglich den damals für den Kläger möglichen Pensionsantritt konkretisiert. Auf Grund einer ASVG-Änderung sei jedoch das Pensionsalter hinaufgesetzt worden. Frühestmöglicher Pensionsantritt sei nun der 1. 4. 2008. Die Beklagte habe jedoch bereits vorher das befristete Arbeitsverhältnis terminwidrig aufgelöst und den Kläger zum 31. 3. 2006 bei der Kärntner Gebietskrankenkasse abgemeldet. Die Beklagte stellte das Klagebegehren der Höhe nach außer Streit, bestritt es jedoch dem Grunde nach, beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass die Verfehlungen des Klägers ausgereicht hätten, gegen ihn ein Entlassungsverfahren einzuleiten. Aus Rücksicht auf seine langjährige Tätigkeit und auf Grund sozialer Erwägungen sei ihm jedoch ein Vergleich des Inhalts angeboten worden, das bisherige Arbeitsverhältnis per 31. 12. 1999 einvernehmlich aufzulösen und für die Zeit vom 1. 1. 2000 bis 31. 3. 2006 ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis abzuschließen. Dabei habe es sich nicht um ein Altersteilzeitmodell, sondern um die Vermeidung einer fristlosen Auflösung des Arbeitsverhältnisses bei Verlust sämtlicher Ansprüche des Klägers gehandelt. Eine Koppelung mit einem allfälligen Pensionsantritt habe nicht bestanden. Künftige Entwicklungen im Gesetzesbereich seien häufig nicht vorhersehbar, weshalb jeder auf sein eigenes Risiko disponieren müsse. Bei der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung habe es sich um eine abschließende vergleichsweise Generalbereinigung gehandelt. Sie sei auf Grund des Umstands, dass man den Kläger auch hätte fristlos entlassen können, sachlich gerechtfertigt gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren unter Zugrundelegung der wiedergegebenen Feststellungen ab. Die gegenständliche Gesetzesänderung sei ein Nachteil, der allein den Kläger treffe. Dies sei zwar bedauerlich, könne aber nicht dazu führen, dass die Last des Nachteils die Beklagte treffe. Die Weigerung der Beklagten, auch beim Kläger eine Vertragsänderung vorzunehmen, stelle zwar eine große Härte dar; die Beklagte könne aber nicht zu einer Vertragsänderung gezwungen werden.

Das Berufungsgericht gab der dagegen erhobenen Berufung des Klägers nicht Folge. Die Revision sei nicht zulässig, weil Gründe für die Revisionszulassung nicht zu erkennen seien. Ein Wegfall der Geschäftsgrundlage könne schon deshalb nicht geltend gemacht werden, weil keine Äquivalenzstörung vorliege. Der Kläger sei nicht nur großzügig abgefertigt, sondern auch vorzeitig ins Vorruhestandsmodell genommen worden und habe ohnehin bereits mehr als sechs Jahre lang ein Entgelt ohne Gegenleistung bezogen. Der Kläger sei auf Grund eklatanter Kompetenzüberschreitungen seiner Funktion enthoben worden. Gegen die Berufungsentscheidung richtet sich die außerordentliche Revision des Klägers wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, die angefochtene Entscheidung iSd Klagestattgebung abzuändern; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt. Die Beklagte beantragt, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist gemäß § 502 Abs 1 ZPO zulässig; sie ist auch iSd gestellten Abänderungsantrags berechtigt.

Die Beklagte gelangte nach internen Beratungen zu dem Ergebnis, den Kläger am gerade laufenden „Vorruhestandsmodell" teilnehmen zu lassen; dies, obwohl er noch nicht, wie sonst vorgesehen, 55 Jahre alt war. Der Kläger befand sich Ende 1999 im 54. Lebensjahr. Die interne Unzufriedenheit mit dem Kläger, auf Grund derer man sogar an eine Entlassung dachte, und die Behauptung der Beklagten, dass es sich bei der mit dem Kläger getroffenen Vereinbarung um keine Altersteilzeitlösung, sondern - vor dem Hintergrund einer sonst drohenden Entlassung und des Verlusts aller Ansprüche - um eine „abschließende vergleichsweise Generalvereinbarung" gehandelt habe, fanden keinen Niederschlag in der den Einstieg des Klägers in das Vorruhestandsmodell begleitenden Korrespondenz. Vielmehr betonte die Beklagte darin, dass sich der Kläger für das Vorruhestandsmodell (und nicht etwa für einen Vergleich) entschieden habe, und bedankte sich für seinen Einsatz beim Ausbau seiner ehemaligen Filiale trotz schwieriger Bedingungen. Der in unkündbarer Stellung befindliche Kläger stimmte - wie auch alle anderen Teilnehmer am Vorruhestandsmodell - einer einvernehmlichen Auflösung seines unbefristeten Arbeitsverhältnisses zu und erhielt daraufhin von der Beklagten sowohl eine gesetzliche als auch eine freiwillige Abfertigung. Gleichzeitig vereinbarten die Parteien ein befristetes Teilzeitarbeitsverhältnis für den auf die einvernehmliche Auflösung des bisherigen Arbeitsverhältnisses folgenden Zeitraum vom 1. 1. 2000 bis 31. 3. 2006. Dieser Zeitraum wich im Fall des Klägers (und zweier anderer Mitarbeiter) von den sonst getroffenen Vorruhestandsvereinbarungen der Beklagten insoweit ab, als er länger als die sonst maximal üblichen fünf Jahre war.

Das mit 31. 3. 2006 vereinbarte Ende des befristeten Teilzeitarbeitsverhältnisses des Klägers war nicht zufällig gewählt worden oder das Ergebnis von Vergleichsverhandlungen auf Grund der Androhung der Entlassung, sondern entsprach dem damaligen gemeinsamen Wissensstand der Parteien, wonach der am 5. 3. 1946 geborene Kläger nach Vollendung des 60. Lebensjahrs (und Erfüllung aller sonstigen, beim Kläger aber nicht weiter strittigen Voraussetzungen) ab 1. 4. 2006 berechtigt sein werde, eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu beziehen. Nur deshalb wählte man beim Kläger, der schon vor Vollendung des 55. Lebensjahrs in den Vorruhestand eintrat, eine 5 Jahre übersteigende Dauer des befristeten Arbeitsverhältnisses.

Der Kläger konnte allerdings nicht ab 1. 4. 2006, wie ursprünglich vorgesehen, eine vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer nach § 253b ASVG antreten. Dies war eine Folge der Pensionsreformen der Jahre 2000 (Sozialrechts-Änderungsgesetz [SRÄG] 2000, BGBl I 2000/101), 2003 (Budgetbegleitgesetz 2003, BGBl I 2003/71) und 2004 (Pensionsharmonisierungsgesetz, BGBl I 2004/142). Die Pensionsreform 2000 führte bei der vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu einer schrittweisen Anhebung des Antrittsalters von 60 Jahren (bei Männern) um 18 Monate auf 61,5 Jahre. Die Pensionsreform 2003 brachte überhaupt die Abschaffung dieser Pensionsart ab 1. 7. 2004; dies jedoch mit Übergangsbestimmungen bis zum 30. 9. 2017 und einer weiteren etappenweisen Anhebung des Antrittsalters bis hin zum Regelalter von 65 Jahren bei Männern. Mit der Pensionsreform 2004 wurde schließlich die sog „Korridorpension" eingeführt (§ 4 Abs 2 Allgemeines Pensionsgesetz [APG]), die (sowohl Männern als auch Frauen) einen Pensionsantritt mit 62 Jahren ermöglicht (vgl Teschner/Widlar/Pöltner, ASVG 1076/2 ff, 1290 ff; dies, APG 6 ff;

Pinggera/Pöltner/Stefanits, Das neue Pensionsrecht Rz 135 ff, 148;

Milisits/Wolff, Handbuch zur gesetzlichen Pensionsversicherung in Österreich 97 ff, 110 ff; Stefanits/Hollarek, Die Pensionsreformen der Jahre 2000, 2003 und 2004: Auswirkungen auf das Antrittsverhalten, SozSi 2007, 119 [123 ff] ua). Diese Korridorpension markiert im vorliegenden Fall mit dem Datum 1. 4. 2008 den (derzeit) frühestmöglichen Pensionsantritt des Klägers. Damit trat nach Vertragsabschluss - die einvernehmliche Auflösung des unbefristeten Arbeitsverhältnisses und die Vereinbarung eines daran anschließenden befristeten Arbeitsverhältnisses sind nach dem Willen der Parteien als Einheit zu sehen, weil keine Vereinbarung ohne die andere erfolgt wäre - ein Konfliktfall auf, der von den Parteien Ende 1999 nicht bedacht und daher auch nicht ausdrücklich geregelt worden war. Die Befristung des „neuen" Arbeitsverhältnisses mit 31. 3. 2006 hatte einen einzigen Bezugspunkt, nämlich den bei seiner Vereinbarung für die Parteien absehbaren, frühestmöglichen Pensionsantritt des Klägers auf Grund einer vorzeitigen Alterspension bei langer Versicherungsdauer mit 60 Jahren. Interne alternative Überlegungen auf Beklagtenseite (insbesondere Disziplinarverfahren, Entlassung, Vergleich) fanden keinen Niederschlag in den mit dem Kläger getroffenen Vereinbarungen. Es bestand gegenüber allen Teilnehmern am Vorruhestandsmodell - auch gegenüber dem Kläger - die Absicht, dass die Mitarbeiter nach dem jeweiligen Ende der Befristung „nahtlos in eine Pensionsregelung gleiten können". Auch die Bezeichnung „Vorruhestand" spricht dafür, dass sich zwischen dessen Beendigung und dem tatsächlichen Pensionsantritt nicht noch ein weiterer, mehr oder weniger langer „Lebensabschnitt" schiebt, in dem sich der Betroffene mit 60 Jahren einen neuen Arbeitsplatz suchen muss. Hätte der Kläger derartiges gewärtigen müssen, hätte ihm die Beklagte wohl kaum mit einem ihrer Schreiben vom 9. 12. 1999 alles Gute für die Zukunft, vor allem Gesundheit und Lebensfreude, gewünscht, damit er auch „diesen Lebensabschnitt genießen" könne.

Nach der Lage des Falls besteht kein Zweifel, dass das Fehlen einer Regelung für den hier aufgetretenen Konfliktfall die Folge einer „planwidrigen Unvollständigkeit" des Vertrags, also einer Lücke ist. Diese Lücke muss geschlossen werden (vgl Mazal, Pensionsreform und Vorruhestand: Anregungen, ecolex 2003, 579 [581]). Dem Gesetzgeber war bereits beim SRÄG 2000 bewusst, dass die Anhebung des gesetzlichen Anfallsalters für die vorzeitige Alterspension bei langer Versicherungsdauer zu Problemen bei den in manchen Unternehmen bestehenden Vorruhestandsmodellen führen wird. Der Ausschuss für Arbeit und Soziales hielt in seinem Bericht über die Regierungsvorlage zum SRÄG 2000 fest, dass er (im Einklang mit dem Regierungsprogramm) hinsichtlich der Vorruhestandsmodelle in Form von Sozialplänen, die vor dem Hintergrund eines „Frühpensionsalters von 55/60" entstanden seien, davon ausgehe, dass die Anpassung der Sozialpläne „durch die Sozialpartner auf betrieblicher Ebene" erfolgen solle (254 BlgNR 21. GP 4; vgl dazu auch Schneller, Vorruhestandsmodelle in Sozialplänen unter geändertem Pensionsrecht, infas 2000, 147).

Das gegenständliche Vorruhestandsmodell beruht auf einzelvertraglicher Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Auch hier ist nach dem Vorgesagten eine „Anpassung" geboten. Sie hat durch Lückenschließung im Wege ergänzender Vertragsauslegung unter Berücksichtigung der übrigen Vertragsbestimmungen und des von den Parteien verfolgten Zwecks zu erfolgen (RIS-Justiz RS0017758, RS0017829 ua). Als Behelf ergänzender Vertragsauslegung kommt primär die Frage nach dem hypothetischen Parteiwillen in Betracht (Rummel in Rummel, ABGB³ § 914 Rz 12 mwN; 4 Ob 73/03v; 6 Ob 172/05w ua). Dabei ist zu fragen, welche Lösung redliche und vernünftige Parteien getroffen hätten (RIS-Justiz RS0017758, RS0017899 ua). Rein subjektive Interessen der Parteien sind auszublenden (Mazal aaO 581). Die internen Überlegungen der Beklagten auf Grund des kompetenzüberschreitenden Verhaltens des Klägers als Zweigstellenleiter, die sie ohnehin bereits nach reiflicher Überlegung zugunsten der „Ziehung eines Schlussstrichs" durch Teilnahme des Klägers am Vorruhestandsmodell aufgegeben hatte, können keine Berücksichtigung finden. Am Zweck des gegenständlichen Vorruhestandsmodells, der bereits das Vorliegen einer Lücke sichtbar machte, besteht hier kein Zweifel. Den Arbeitnehmern, die am Vorruhestandsmodell teilnahmen, sollte es auf der Grundlage einer bis zum frühestmöglichen Pensionsantritt befristeten Teilzeittätigkeit ermöglicht werden, „nahtlos in eine Pensionsregelung gleiten zu können". Für die Lückenschließung liegt daher die vom Kläger aufgezeigte schlichte „Verlängerung" des befristeten Arbeitsverhältnisses bis zum frühestmöglichen Antritt einer Korridorpension auf der Hand. In den meisten Fällen ist ein einfaches Fortschreiben der Vereinbarung am sinnvollsten (vgl Mazal aaO 581). Die Beklagte zeigte dem gegenüber keine konstruktiven Alternativen auf. Obwohl sie der Erhöhung des Pensionsantrittsalters bei allen anderen im Rahmen des Vorruhestandsmodells betroffenen Arbeitnehmern durchaus Rechnung trug, will sie den Kläger anders (schlechter) behandelt wissen. Eine Lösung, die im vorliegenden Fall allein auf das bisherige Ablaufdatum des befristeten Arbeitsverhältnisses abstellt und dieses als unabänderlich ansieht, vernachlässigt den zu berücksichtigenden Gesamtzusammenhang (vgl Schneller aaO 148). Überlegungen des Berufungsgerichts, der Kläger habe ohnehin schon lange genug ein Entgelt ohne Arbeitsleistung bezogen, übergehen, dass die Entscheidung, den Kläger bis zum Ablauf der Befristung des Arbeitsverhältnisses dienstfrei zu stellen und auf seine weiteren Dienste zu verzichten, einseitig von der Beklagten getroffen wurde. Legt man sohin die zwischen dem Kläger und der Beklagten im Wissen um die Unkündbarkeit des Klägers und die Gleichbehandlung aller betroffenen Arbeitnehmer getroffene Vereinbarung ergänzend dahin aus, dass das befristete Arbeitsverhältnis erst mit der Erreichung jenes Antrittsalters endet, das für den Antritt einer „vorzeitigen Alterspension" - wie immer deren konkrete Bezeichnung ist - erforderlich ist, dann erweist sich das Klagebegehren, dem die der Höhe nach außer Streit stehenden Gehälter samt anteiliger Sonderzahlungen für die Monate April - August 2006 in der Höhe von insgesamt 14.251,72 EUR brutto sA zugrundeliegen, als berechtigt. Der Revision des Klägers ist Folge zu geben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen sind im Sinne der Klagestattgebung abzuändern. Die Entscheidung über die Kosten in allen drei Instanzen beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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