OGH 10Ob115/07w

OGH10Ob115/07w15.1.2008

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schinko als Vorsitzenden und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon.-Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der Minderjährigen Stefanie B*****, geboren am 23. Juni 1991, vertreten durch den Jugendwohlfahrtsträger (JWT) Land Niederösterreich als besonderen Vertreter in Unterhaltsangelegenheiten über den Revisionsrekurs des Vaters Viorel M*****, vertreten durch Mag. Klaus Kabelka, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Beschluss des Landesgerichts St. Pölten als Rekursgericht vom 12. September 2007, GZ 23 R 284/07y-U20, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs vom 11. Juni 2007, GZ 2 P 33/06x-U15, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Text

Begründung

Die am 23. 6. 1991 geborene - in Pflege und Erziehung ihrer Mutter stehende - Stefanie Christine B***** ist die Tochter von Camelia B***** und Viorel M*****. Dass dieser ihr Vater ist, während der (Ex-)Ehemann der Mutter, Stefan B*****, der bis einschließlich Dezember 2005 den Kindesunterhalt geleistet hatte, nicht der Vater der Minderjährigen ist, wurde jedoch erst mit Beschluss des Bezirksgerichts Waidhofen an der Ybbs vom 4. 9. 2006 festgestellt.

Am 13. 10. 2006, modifiziert am 6. 3. 2007 (U14) beantragte der JWT, den (tatsächlichen) Vater zu einer monatlichen Unterhaltsleistung ab 1. 1. 2006 von 280 EUR und ab 1. 7. 2006 von 300 EUR zu verpflichten. Dieser sprach sich gegen den Unterhaltsfestsetzungsantrag aus und berief sich darauf, dass von seinem durchschnittlichen monatlichen Nettoeinkommen von 1.490 EUR inklusive Sonderzahlungen monatliche Autokosten von 100 EUR sowie monatliche Kreditraten von 300 EUR abgezogen werden müssten. Die Rückzahlung des „existenznotwendigen" Kredits betreffe Kreditschulden von rund 15.000 EUR, die aus Aufwendungen für Wohnungseinrichtung, Autoreparaturen und für eine Zeremonie infolge des 7. Todestags seiner Schwester in Rumänien resultierten. Außerdem werde der Vater vom „bisherigen Kindesvater" auf 16.108 EUR für von diesem bezahlten Unterhalt in Anspruch genommen.

Das Erstgericht verpflichtete den Vater, die beantragten monatlichen Unterhaltsbeiträge zu bezahlen. Dabei ging es von seinem angeführten - unstrittigen - monatlichen Durchschnittseinkommen für das Jahr 2006 und davon aus, dass er gesetzlich nur für die Minderjährige Stefanie sorgepflichtig sei, die aufgrund ihres Alters vom 1. 1. 2006 bis 30. 6. 2006 Anspruch auf 20 % und ab 1. 7. 2006 auf 22 % der Bemessungsgrundlage habe (also 298 EUR bzw 327 EUR). Unter Anrechnung der Transferleistung (Familienbeihilfe) auf die Unterhaltsbeträge ergäben sich aufgrund der steuerlichen Bemessungsgrundlage (17.337,54 EUR für das Jahr 2006) geminderte Beträge von rund 280 EUR ab 1. 1. 2006 und rund 300 EUR ab 1. 7. 2006. Die vom Vater begehrten Abzüge seien nicht geeignet, die Unterhaltsbemessungsgrundlage zu schmälern.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung und vertrat - soweit im Revisionsrekursverfahren noch von Bedeutung - folgenden Standpunkt:

Wenn der Rekurswerber seine besondere Lebenssituation geltend mache, insbesondere den Umstand, dass er von der Vaterschaft erst jetzt Kenntnis erlangt habe und vom „Ex-Ehemann" der Mutter zur Leistung von Ersatz für in der Vergangenheit von diesem getragenen Unterhalt für die Minderjährige in Anspruch genommen worden sei, müsse er darauf verwiesen werden, dass Unterhaltsrückstände nicht abzugsfähig seien (Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 212). Grundsätzlich wäre der Vater seit der Geburt des Kindes diesem gegenüber unterhaltspflichtig gewesen. Dadurch, dass er von der Vaterschaft keine Kenntnis gehabt habe und nicht er sondern der Ehemann der Mutter den tatsächlichen Unterhaltsaufwand getragen habe, habe sich der leibliche Vater diese Unterhaltszahlungen in der Vergangenheit erspart. Mit der Klage des „Ex-Ehemanns" der Mutter werde somit ein Aufwand beim Vater geltend gemacht, den dieser in der Vergangenheit selbst hätte trägen müssen, tatsächlich aber nicht geleistet habe. Bei der Unterhaltsbemessung gehe es im Wesentlichen um die Bedarfsdeckung des Unterhaltsberechtigten. Diese sei davon unabhängig, wer in der Vergangenheit den Unterhaltsbedarf gedeckt habe, und ob dies die „rechtlich richtige" Person gewesen sei. Davon, dass der Unterhaltspflichtige möglicherweise Unterhaltsaufwand für die Vergangenheit an jenen zu ersetzen habe, der diesen Aufwand irrtümlich getragen habe, könne die Unterhaltsberechtigte „in der Zukunft nicht leben". Die Belastung des Unterhaltspflichtigen durch die Rückersatzforderung des „Ex-Ehemanns" der Mutter der Minderjährigen könne daher auf die Unterhaltsbemessung ebensowenig Einfluss haben, wie dies bei Unterhaltsrückständen aus der Vergangenheit der Fall sei. Der „existenznotwendige" Kredit sei hingegen nach den eigenen Angaben des Vaters für eine Wohnungseinrichtung sowie für Kosten eines Autokaufs bzw für die Erfüllung einer bloßen sittlichen Pflicht (Bestattungszeremonie in Rumänien samt Reise dorthin) entstanden und könne daher keine Abzugspost bilden.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil zur Frage, ob Rückforderungen des „Gilt-Vaters" beim tatsächlichen Unterhaltsschuldner (wie der Rekurswerber meint) auf die Unterhaltsbemessungsgrundlage gegenüber dem nachträglich festgestellten Vater, der von seiner Unterhaltsverpflichtung zunächst gar nicht gewusst habe, Einfluss hätten oder nicht, bisher keine Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen erhobene Revisionsrekurs des Vaters, mit dem Antrag, die Beschlüsse der Vorinstanzen aufzuheben und die Rechtssache an das Gericht erster, in eventu an das zweiter Instanz zurückzuverweisen, ist aus dem vom Rekursgericht angeführten Grund zulässig, aber nicht berechtigt.

Der Rechtsmittelwerber beruft sich darauf, dass die für ihn „völlig überraschend" eingetretene Situation, neben den monatlichen Kreditraten von „mehr als 300 EUR" nunmehr auch die Forderungen der Minderjährigen und des vermeintlichen Vaters (laut Exekutionsbewilligung mehr als 16.000 EUR samt Zinsen seit 1995) abdecken zu müssen, mangels Rücksichtnahme der Anspruchsteller seine Zahlungsunfähigkeit herbeiführe. Die Vorinstanzen hätten zu Unrecht nicht berücksichtigt, dass der Kredit (zur Finanzierung des Aufwands für Wohnungseinrichtung, Kraftfahrzeug und „sittliche Verpflichtung" [Totenzeremonie in Rumänien]) „im guten Glauben" und unter der Voraussetzung aufgenommen worden sei, dass der Vater keine Unterhaltspflichten habe. Durch die bevorstehende Fälligstellung des Kredits aufgrund der für ihn völlig überraschenden Veränderung seiner finanziellen Verhältnisse entstünden ihm zusätzliche Kosten und finanzielle Nachteile. Aufgrund der „unvorhersehbaren und unverschuldeten" finanziellen Überlastung werde ihm in Hinkunft über viele Jahre nur das Existenzminimum zur Verfügung stehen.

Daher müsse diese Belastung mit zahlreichen zusätzlichen Forderungen, insbesondere jener des Scheinvaters, bei der Unterhaltsbemessungsgrundlage berücksichtigt werden; gerade die letztgenannte Forderung basiere nämlich darauf, dass der vermeintliche (und nicht der tatsächliche) Vater Unterhalt an die Minderjährige geleistet habe, was dann, wenn an seiner Stelle der Rechtsmittelwerber Unterhalt geleistet hätte, „doch auch bei der Berechnung des Unterhalts allenfalls dritter Unterhaltsberechtigter" zu berücksichtigen gewesen wäre. Die Vorinstanzen hätten nicht bedacht, dass ein Unterhaltspflichtiger nicht soweit belastet werden solle, dass er in seiner wirtschaftlichen Existenz gefährdet sei; sie hätten übersehen, dass vermieden werden solle, dass dadurch und durch „übertriebene Beanspruchung" kein Interesse an der Erzielung weiteren Einkommens mehr bestehen könnte.

Da die Entscheidung des Rekursgerichts vom Obersten Gerichtshof bestätigt wird und dieser die Begründung des Rekursgerichts für zutreffend erachtet, reicht es aus, auf deren Richtigkeit hinzuweisen (§ 71 Abs 3 AußStrG). Den Revisionsrekursausführungen ist daher nur kurz zu erwidern:

Vorerst ist darauf hinzuweisen, dass der Unterhaltsanspruch auf dem Gesetz beruht (§§ 140, 166 ABGB) und dieser Anspruch mit der Geburt des Kindes entsteht (SZ 61/143 mit Hinweis auf Literatur und Rechtsprechung), also nicht von der Kenntnis des Unterhaltspflichtigen von seiner Unterhaltspflicht abhängt. Daher kommt den im Revisionsrekurs zur angeblich erforderlichen Berücksichtigung der angeführten Belastungen des Vaters (insbesonders aus seiner Rückzahlungsverpflichtung betreffend den vom Scheinvater geleisteten Unterhalt) angestellten Überlegungen (weil er ja vorerst von seiner Vaterschaft keine Kenntnis gehabt habe und von der Unterhaltsverpflichtung für ihn „völlig überrascht" worden sei) für die Frage seiner Unterhaltspflicht schon grundsätzlich keine entscheidende Bedeutung zu (vgl 2 Ob 570/92 [betreffend die Unterhaltspflicht für die Vergangenheit]).

Erbringt (wie im vorliegenden Fall) ein Dritter, der vorerst unterhaltspflichtig war, Unterhaltsleistungen, so wird ihm nach Beseitigung des ihn als Vater feststellenden Rechtsakts - außer bei Schenkungsabsicht - von Lehre und Rechtsprechung gegen den in Wahrheit nach dem Gesetz Unterhaltspflichtigen ein Ersatzanspruch nach § 1042 ABGB gewährt (RIS-Justiz RS0020073 = 2 Ob 570/92 mwN aus Lehre und Rsp), wobei sich der Umfang dieses Ersatzanspruchs einerseits nach der Leistung des Scheinvaters bestimmt, andererseits aber auch durch die dem wahren Unterhaltsschuldner nach dem Gesetz obliegende Unterhaltsverpflichtung begrenzt ist. Der Nutzen des wahren Unterhaltspflichtigen liegt dabei darin, dass im Umfang der vom Scheinvater erbrachten Leistung der gesetzliche Unterhaltsanspruch des Kindes erloschen ist und er, der wahre Unterhaltsschuldner, von seiner Verpflichtung im Ausmaß der vom Scheinvater (Verkürzten) erfüllten Unterhaltsschuld befreit ist (zu allem: 2 Ob 570/92 mwN).

Legt man dies zugrunde, hat das Rekursgericht die vom Vater begehrten Abzüge aber ohnehin im Einklang mit der ständigen Judikatur zum Vorhandensein von Unterhaltsrückständen und ihrer Betreibung nicht berücksichtigt:

Nach ständiger Rechtsprechung sind nämlich auch exekutiv betriebene Schulden, selbst wenn diese in Unterhaltsrückständen bestehen, von der Bemessungsgrundlage nicht abzugsfähig (6 Ob 16/98s mwN = ÖA 1998, 240/U234 = RIS-Justiz RS0047505 [T2]; Gitschthaler, Unterhaltsrecht, Rz 212 f mwN). Nichts anderes kann für Schulden gelten, die auf einer Rückzahlungsverpflichtung des Vaters hinsichtlich des vom Scheinvater geleisteten Unterhalts beruhen; handelt es sich doch auch hier um - mittlerweile exekutiv betriebene - Unterhaltsrückstände, die der Vater noch nicht beglichen hat; während dem Hinweis des Revisionsrekurswerbers auf die Berücksichtigung der Unterhaltszahlungen des Scheinvaters im Rahmen der Unterhaltsbemessung zu erwidern ist, dass eine solche - wie bereits ausgeführt - nur für den Zeitraum vor dem 1. 1. 2006 in Betracht käme, der hier jedoch nicht zu beurteilen ist.

Zu Recht haben die Vorinstanzen auch bei der Prüfung der Abzugsfähigkeit der übrigen Ausgaben einen strengen Maßstab angelegt und die monatlichen Kreditraten, die offenbar in keiner Weise der Unterhaltsberechtigten zugute kamen, nicht von der Bemessungsgrundlage abgezogen (vgl Schwimann/Kolmasch, Unterhaltsrecht³ 61 ff). Dass das Rekursgericht die besonderen Umstände des Einzelfalls dabei nicht ausreichend berücksichtigt hätte, ist nicht zu erkennen.

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