OGH 3Ob252/07s

OGH3Ob252/07s19.12.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schiemer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Prückner, Hon.-Prof. Dr. Sailer und Dr. Jensik sowie die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Fichtenau als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Parteien 1. Dipl.-Ing. Ilse P*****, 2. Ing. Peter P*****, und 3. Mag. Michael P*****, alle vertreten durch Dr. Gabriele Schubert, Rechtsanwältin in Baden, wider die beklagte Partei ***** B***** AG, ***** vertreten durch Dr. Vera Kremslehner ua Rechtsanwälte in Wien, wegen 7.049 EUR sA, infolge Revision der klagenden Parteien gegen das Urteil des Handelsgerichts Wien als Berufungsgericht vom 27. Juni 2007, GZ 50 R 55/07f-13, womit infolge Berufungen der klagenden Parteien das Urteil des Bezirksgerichts für Handelssachen Wien vom 27. Februar 2007, GZ 5 C 1760/05t-9, bestätigt wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird Folge gegeben. Die Entscheidungen der Vorinstanzen werden dahin abgeändert, dass dem Klagebegehren stattgegeben wird. Die beklagte Partei ist schuldig, den klagenden Parteien zu Handen der Klagevertreterin 7.049 EUR samt 4 % Zinsen seit 19. März 2005 binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Die beklagte Partei hat den klagenden Parteien die mit 2.655,21 EUR (darin 371,76 EUR Umsatzsteuer und 424,66 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz, die mit 1.374,37 EUR (darin 139,55 EUR Umsatzsteuer und 467 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens und die mit 1.245,90 EUR (darin 95,72 EUR Umsatzsteuer und 584 EUR Barauslagen) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Kläger sind bereits eingeantwortete Miterben (Witwe und Söhne) eines am 15. April 2005 verstorbenen Kunden der beklagten Bank, der am 11. November 2002 in einer Filiale derselben ein Sparbuch auflöste, sich am Kassenschalter das Guthaben von 14.098,53 EUR auszahlen ließ und noch im Geschäftsraum der Bank von einem unbekannten Dieb bestohlen worden war.

Die Kläger begehrten unter Anerkennung einer Mitverantwortlichkeit des Bestohlenen (im Folgenden: Bankkunden) von 50 %, gestützt auf Schadenersatzrecht, die Zahlung von 7.049 EUR sA mit der wesentlichen Begründung, dass die beklagte Partei bei Barabhebungen (größeren Ausmaßes) zur Verhinderung des Ausspähens durch Kriminelle für einen Sichtschutz im Schalterraum, eine Hauszustellung durch einen Sicherheitswachedienst oder den Einbau von Sicherheitstüren hätte sorgen müssen. Nach der Judikatur des Obersten Gerichtshofs bestehe eine Warnpflicht sowie die Pflicht zur Ermöglichung einer „diskreten" Auszahlung. Eine solche sei dem Bankkunden nicht angeboten worden. Während der Auszahlung habe in der Filiale dichtes Gedränge geherrscht. Der Bankkunde habe nach der Auszahlung einen ruhigen Platz zum Verstauen des Geldes gesucht und dieses zunächst in eine Innentasche seines Sakkos oder Mantels gesteckt und in der Folge das Fehlen des Geldkuverts feststellen müssen.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens. Eine Barabhebung sei wegen gegebener Überweisungsmöglichkeit nicht notwendig gewesen. Der Bankkunde habe sorglos und „diebstahlsfördernd" das Geld in die Manteltasche gesteckt. Eine Warnpflicht sei nicht verletzt worden, weil die Gefahr des Ausspähens bei der Geldauszahlung für jedermann erkennbar gewesen sei. Im Hinblick auf das Verschulden des Bankkunden sei ein allfälliges leichtes Verschulden der Bank zu vernachlässigen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Von seinen Feststellungen ist Folgendes hervorzuheben:

Auf dem vor der Kassa aufgelegten Teppich sei der Hinweis „Bitte Abstand halten" zu lesen gewesen. Links und rechts vom Teppich hätten sich Absperrungen, bestehend aus zwei Stehern und einem dazwischen gespannten Seil befunden. Der Kassenbereich sei mit klarem durchsichtigem Glas umrahmt und einsichtig gewesen und von mehreren Überwachungskameras überwacht worden. Der Kassier der beklagten Partei habe nicht gewusst, zu welchem Zweck der Bankkunde das Sparbuch habe auflösen wollen. Dem Bankkunden sei nicht bekannt gewesen, dass es möglich gewesen wäre, das Sparbuchguthaben auf ein Konto bei einer anderen Bank zu überweisen. Es könne nicht festgestellt werden, dass er sich nach dieser Möglichkeit erkundigt habe. Der Kassier habe auf die Überweisungsmöglichkeit nicht hingewiesen und auch nicht eine Auszahlung in einem abgetrennten Raum oder Bereich der Bank angeboten. Wenn solches gewünscht werde, erfolge die Auszahlung üblicherweise im Kreditbereich links von der Kassa. Dieser Bereich sei von der Kassa her nicht einsehbar, wohl aber vom Kreditbereich. Der Bankkunde habe die Geldscheine und das entwertete Sparbuch in ein bei der Kasse aufliegendes Banknotenkuvert und dieses anschließend provisorisch in seine linke Rockaußentasche gesteckt. Da es im Geschäftsraum sehr eng gewesen sei und mehrere Kunden gewartet hätten, habe der Bankkunde beabsichtigt, einen ruhigen Ort zu suchen, wo er das Geld in seiner Herrenhandtasche hätte verstauen können. Hinter dem Bankkunden seien mehrere andere Personen angestellt gewesen, als Vierter in der Warteschlange ein etwa 30 bis 45 Jahre alter Mann, der dem Bankkunden, nachdem er die Geldbehebung beobachtet habe, gefolgt sei. Der Bankkunde sei zu einem etwa 10 m von der Kassa entfernt aufgestellten Münzzähler gegangen, auf dem er seinen Hut und seine Herrenhandtasche abgestellt habe. Der ihm folgende Mann sei von hinten auf ihn zugegangen und habe ihm das Kuvert unbemerkt aus der Tasche gezogen und dann die Bank verlassen. Als der Bankkunde das Verschwinden des Geldkuverts bemerkte, habe er dies zunächst der beklagten Partei und anschließend der Polizei gemeldet. In der Filiale der beklagten Partei habe es zuvor noch keinen derartigen Diebstahl gegeben.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass keine allgemeine Warnpflicht von Banken über die allgemeinen Risken bei Bargeldauszahlungen ab einer bestimmten Höhe und gleichzeitig feststehender Beobachtungsmöglichkeit beim Auszahlungsvorgang bestünde. Der Bankkunde sei zwar nicht auf die Möglichkeit der Auszahlung in einem nicht einsehbaren Bereich hingewiesen worden. Eine solche Aufklärung sei aber auch nicht erforderlich gewesen. Zuvor habe es im Bereich der beklagten Bank noch keine „Bankanschlussdelikte" gegeben. Schließlich handle es sich beim behobenen Betrag von 14.098,53 EUR noch nicht um einen auffällig hohen Geldbetrag, der eine Aufklärung erforderlich gemacht hätte. Einem durchschnittlich verständigen Bankkunden müsse bekannt sein, dass er die Auszahlung in einem abgetrennten Bereich verlangen könne. Die Anbringung eines Sichtschutzes im Kassabereich hätte zwar das Risiko des Ausspähens verringert, allerdings auch das Risiko eines Überfalls im uneinsehbaren Schalterbereich erhöht. Im Rahmen einer Güterabwägung überwiege daher das Interesse der Bank, den Kassabereich nicht uneinsehbar zu gestalten. Kostenintensive Sicherheitsmaßnahmen wie die Hauszustellung des Geldbetrages durch einen Wachedienstbeamten, der Einbau von Sicherheitstüren und die Anwesenheit von Sicherheitsbeamten in der Geschäftsräumlichkeit seien nicht zumutbar. Das unvorsichtige Verhalten des Bankkunden stelle ein grobes Verschulden dar. Er hätte das Geldkuvert nicht in seine Jackenaußentasche stecken dürfen, wo er keine ausreichende Kontrolle und Aufsicht über das Geld gehabt habe.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Kläger nicht Folge. Es verneinte die Verletzung einer Warn- oder Schutzpflicht der beklagten Partei unter Hinweis auf eine zu einem ähnlich gelagerten Fall ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofs, AZ 6 Ob 77/05z. Die festgestellte Ausstattung des Kassenschalters mit durchsichtiger Glasumrahmung und Überwachungskameras sei keinesfalls sorgfaltswidrig. Die Möglichkeit der Auszahlung höherer Beträge in einem abgetrennten Raum zur Verhinderung des Risikos des Ausspähens reiche aus. Der Kassenbereich sei ohnehin von mehreren Kameras überwacht worden, sodass nicht davon auszugehen gewesen sei, dass Taschendiebe vor laufender Kamera vom Kunden abgehobene Geldbeträge stehlen. Der beklagten Partei sei auch nicht die Verletzung einer nebenvertraglichen Warnpflicht über die besondere Gefahr bei Auszahlung von hohen Geldbeträgen vorzuwerfen. Diese Frage sei in der zitierten oberstgerichtlichen Entscheidung zwar offen gelassen worden, in der Entscheidung sei aber klargestellt worden, dass ein Bankkunde, dem alle Gefahrenquellen bekannt seien oder bekannt sein müssten, nicht aufgeklärt zu werden brauche. Hier sei die Gefahr des Ausspähens für den Bankkunden offenkundig gewesen, sodass die beklagte Partei davor nicht warnen habe müssen. Eine positive Aufklärungspflicht über alternative Möglichkeiten zur Verhinderung des Risikos des Ausspähens treffe die Bank nicht. Daher müsse auf den Einwand der beklagten Partei nicht eingegangen werden, ob die Verletzung von Schutz- und Aufklärungspflichten im Jahr 2002 angesichts der erst im Jahr 2005 ergangenen oberstgerichtlichen Entscheidung überhaupt vorwerfbar wäre. Immerhin könnte eine vertretbare Rechtsansicht vorliegen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision zulässig sei, weil zur Frage der Aufklärungspflicht einer Bank bei Bargeldauszahlungen ab einer gewissen Höhe über das allgemeine Risiko bei Vorliegen einer Beobachtungsmöglichkeit noch keine oberstgerichtliche Entscheidung vorliege.

Mit ihrer ordentlichen Revision beantragen die Kläger die Abänderung dahin, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde, hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag zur Verfahrensergänzung gestellt.

Die beklagte Partei beantragt, die Revision nicht zuzulassen, hilfsweise, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist aus dem vom Berufungsgericht angeführten Grund zulässig. Das Rechtsmittel ist auch berechtigt.

I. Entscheidungswesentlich sind Rechtsfragen zur Warnpflicht einer Bank über das Risiko des Ausspähens bei einer Barauszahlung sowie zur Aufklärungspflicht über eine Alternative durch Auszahlung in einem für andere uneinsehbaren Raum. Zum besseren Verständnis sind zunächst aus der vom Berufungsgericht mehrfach zitierten Vorentscheidung 6 Ob 77/05z (= ÖBA 2005, 633 [Koziol 526] = RdW 2005, 609 = RZ 2005, 283) folgende dort angeführte und mit Vorjudikatur belegte Grundsätze und Erwägungen vorauszuschicken:

1. Banken trifft gegenüber ihren Kunden bei der Abwicklung von Bankgeschäften nicht nur eine Verkehrssicherungspflicht nach Deliktsrecht, die auch den Personenschutz umfasst. Der Kunde kann sich auch auf die Vertragshaftung wegen Verletzung von Schutz- und Sorgfaltspflichten stützen. Die schuldhafte Verletzung derartiger vertraglicher und vorvertraglicher Pflichten löst Schadenersatzansprüche aus. Ein Geschäftsinhaber, also auch eine Bank, muss alle erkennbaren Gefahrenquellen, die sich aus dem Geschäftsbetrieb ergeben, ausschalten. Das Bestehen einer Sorgfaltspflicht und deren Verletzung hat grundsätzlich der Geschädigte zu behaupten und zu beweisen. Der beklagten Bank obliegt der Beweis fehlenden Verschuldens.

2. Mit der zitierten Entscheidung hatte der 6. Senat einen nur teilweise ähnlichen Sachverhalt zu beurteilen. Die Bankkundin hatte sich 28.000 EUR in einem gut einsehbaren Geschäftsraum ohne Sichtschutz beim Schalter auszahlen lassen. Die Geldauszahlung und das folgende sehr umständliche Verhalten der Kundin im Kassaraum bis zum Verstecken des Geldes im Hosenbund wurde von einem Mann beobachtet. 500 m von der Bank entfernt wurde die Kundin überfallen und beraubt. Sie war von der Bank nicht darüber aufgeklärt worden, dass es im Nahebereich des Bankgebäudes schon zuvor mehrfach zu Überfällen ähnlicher Art gekommen war. Zur Frage, ob die Kundin über das allgemeine Risiko einer Barauszahlung eines hohen Geldbetrags aufgeklärt worden war, hatten die Tatsacheninstanzen eine Negativfeststellung getroffen. Ob die Kundin in diese Richtung aufgeklärt hätte werden müssen, ließ der Oberste Gerichtshof offen und führte zu diesem Thema Folgendes aus:

„Wenn es nicht schon zur allgemeinen Aufklärungspflicht der Bank gehören sollte, bei Bargeldauszahlungen ab einer gewissen Höhe und gleichzeitig feststehender Beobachtungsmöglichkeit beim Auszahlungsvorgang, den Kunden auf die allgemeinen Risken aufmerksam zu machen, so ist eine Warnpflicht hinsichtlich eines konkret erhöhten Risikos jedenfalls zu bejahen. Gegen jene Pflicht kann allenfalls mit Recht eingewendet werden, dass der Kunde bei der Wahl der Barauszahlung (statt einer sicheren Überweisung) an einem von allen Seiten einsichtigen Bankschalter auf eigene Gefahr handelt, die Gefahr des „Ausspähens" offenkundig erkennbar ist und dass der Kunde, wenn er dennoch das Risiko auf sich nimmt, dies allein zu vertreten hat. Ein Bankkunde, dem alle Gefahrenquellen bekannt sind (allenfalls bekannt sein müssen), braucht nicht aufgeklärt zu werden. Vom Umstand der vorangegangenen Überfälle wusste die Klägerin allerdings nichts. Darüber hätte sie mit einfachen Worten aufgeklärt werden können und auch müssen."

Zum Sichtschutz im Schalterbereich verwies der 6. Senat darauf, dass ein Sichtschutz zwar das Risiko des Ausspähens verringere, andererseits aber das Risiko eines Überfalls im uneingesehenen Bereich erhöhe. Die Ermöglichung einer diskreten Auszahlung hoher Geldbeträge in einem anderen Raum stelle aber eine zumutbare Alternative dar, die grundsätzlich nicht als kontraproduktiv angesehen werden könne, weil nicht davon auszugehen sei, dass ein krimineller Beobachter jeden Bankkunden, der einen abgesonderten Raum aufsuche, als potenziellen Bargeldempfänger betrachte. Der 6. Senat bejahte eine Verletzung der Warnpflicht der Bank, weil sie nicht über das erhöhte Risiko aufgrund der der Auszahlung vorausgegangenen Überfälle aufgeklärt und keine diskrete Auszahlung ermöglicht (angeboten) hatte und beurteilte das unvorsichtige Verhalten der Kundin in der Geschäftsräumlichkeit (auffälliges Verstecken des Geldes) als im Ausmaß von 50 % mitverschuldensbegründend.

II. Im vorliegenden Revisionsverfahren sind die zitierten allgemeinen Rechtsgrundsätze zur Vertragshaftung von Banken nicht weiter strittig. Die Revisionswerber stützen ihren Anspruch nur mehr darauf, dass die beklagte Bank auf die Überweisungsmöglichkeit anstelle der Barauszahlung und auf eine Auszahlungsmöglichkeit in einem abgesonderten Raum hinweisen hätte müssen. Verfehlt sei die Ansicht, dass ein 82-Jähriger selbst eine solche Auszahlungsform verlangen müsse. Die Bank habe über allgemeine Risken aufzuklären. Das Anbringen von Überwachungskameras reiche nicht aus, wenn diese nicht ständig von einem Mitarbeiter der Bank beobachtet würden, wodurch erst ein unverzügliches Einschreiten ermöglicht werde. Die beklagte Partei steht demgegenüber auf dem Standpunkt, dass bei der für jedermann offenkundigen Gefahr des Ausspähens einer Bargeldabhebung an einem einsichtbaren Kassenschalter den Kunden das alleinige Risiko treffe. Dass keine allgemeine Risikoaufklärungspflicht bestehe, gehe aus der Begründung der Entscheidung 6 Ob 77/05z hervor. Hier handle es sich beim Bankkunden um einen akademisch gebildeten Menschen, der sich nach anderen Möglichkeiten (Überweisung; Auszahlung in einem uneinsehbaren Raum) selbst hätte erkundigen müssen. Die Verwahrung des behobenen Geldes in der Rockaußentasche begründe ein so schweres Verschulden, dass ein allfälliges Verschulden der beklagten Partei vernachlässigbar wäre. Überwachungskameras schreckten jedenfalls potenzielle Diebe ab. Zu diesem Parteivorbringen ist Folgendes auszuführen:

III.1. Zunächst ist der Rechtsansicht der beklagten Partei entgegenzutreten, dass der 6. Senat in der zitierten Entscheidung eine Aufklärungspflicht von Banken über die allgemeinen Risken bei Bargeldauszahlungen höherer Beträge verneint habe. Zutreffend hat das Berufungsgericht erkannt, dass diese Frage vielmehr offen gelassen wurde, weil bei dem der Vorentscheidung zugrunde liegenden Sachverhalt jedenfalls über das festgestellte erhöhte Risiko (infolge vorausgegangener Überfälle) hätte aufgeklärt werden müssen. Auch im vorliegenden Fall kann von einem aufklärungspflichtigen erhöhten Risiko gesprochen werden, das darin zu erblicken ist, dass es „in der Bank sehr eng war" und mehrere Kunden eine Warteschlange hinter dem Bankkunden gebildet hatten, die nach der allgemeinen Lebenserfahrung wohl vom Kassier aus seiner Position heraus genauer überblickbar war, nicht aber vom Bankkunden. Gegen ein solcherart erhöhtes Risiko kann auch nicht eingewendet werden, dass es für den Kunden feststellbar gewesen wäre, hätte er doch die Gefährlichkeit des Gedränges hinter ihm nur nach einem auffälligen Umdrehen und genauem Mustern der Anwesenden feststellen und einschätzen können. Wohl gilt der in der Vorentscheidung zitierte Grundsatz, dass derjenige, dem alle Gefahrenquellen bekannt sind, nicht aufgeklärt werden muss. Dass überall dort, wo Menschen in räumlicher Nähe zusammenkommen, die Gefahr eines Diebstahls besteht, ist sicherlich eine Gefahr, mit der jedermann rechnen muss und über die nicht aufzuklären ist. Grundsätzlich ist für jeden auch erkennbar, dass eine Bargeldauszahlung am Kassenschalter von anderen beobachtet werden kann. Einsichtig ist auch, dass die Diebstahlsgefahr bei Vorliegen enger Räumlichkeiten und räumlicher Nähe zu anderen wartenden Personen größer ist. Gerade diese besondere, in die Sphäre der Bank fallende Gefahrensituation - bringt doch auch die Reduzierung offener Kassen nur für die Bank und nicht für ihre Kunden Vorteile - löst aber die in der Vorentscheidung angesprochene vorvertragliche Schutzpflicht aus, dem Kunden eine weniger risikoträchtige Zahlungsmöglichkeit anzubieten, also auf die Möglichkeit der Überweisung oder der Barauszahlung in einem nicht einsehbaren Raum hinzuweisen. Dass diese Möglichkeiten im konkreten Fall tatsächlich zur Verfügung stehen, gehört aber keineswegs zum notwendigen Wissen eines durchschnittlichen Bankkunden (vgl insbesondere den in der zitierten Entscheidung des 6. Senats festgestellten Sachverhalt, wonach dort in der Bank ein Nebenraum, in dem höhere Geldbeträge diskret ausgezahlt hätten werden können, gar nicht existierte). Aufgeklärt musste hier also nicht über die grundsätzliche bestehende Ausspähmöglichkeit werden, sondern über Alternativen zur verlangten Barauszahlung, weil diese Alternativen eben nicht notorischerweise dem verständigen Durchschnittskunden bekannt sein mussten, ganz abgesehen davon, dass die Schutzpflichten auch nicht stets am Maßstab eines Durchschnittskunden zu messen sind, sondern selbstverständlich Schutzpflichten auch gegenüber weniger gebildeten, alten oder gebrechlichen Personen zu bejahen sind. Da schließlich das Ausmaß der Schutzbedürftigkeit in der Eile des Geschäftsverkehrs (vom Kassier) nicht verlässlich beurteilt werden kann - hier hätte ohnehin das unstrittig hohe Alter des Bankkunden Anlass für eine Aufklärung geben müssen - ist eine Sorgfaltspflicht der Bank im Sinne einer „grundsätzlichen Verpflichtung zur Ermöglichung einer diskreten Auszahlung hoher Geldbeträge" zu bejahen, wie dies schon in der Vorentscheidung formuliert wurde. Die Ansicht der beklagten Partei, der Kunde müsse sich selbst nach einer alternativen Möglichkeit erkundigen und es bestünde keinerlei Aufklärungspflicht über solche Möglichkeiten, kann daher nicht geteilt werden. Von einer Überspannung der Sorgfaltspflicht kann in diesem Zusammenhang auch nicht die Rede sein.

2. Was unter einem hohen Geldbetrag, der für die Frage der Erhöhung des Risikos eines Diebstahls oder räuberischen Überfalls Bedeutung hat, zu verstehen ist und ab welcher Untergrenze eine Schutzpflicht angenommen werden kann, braucht hier nicht in absoluten Zahlen festgelegt werden. In der Vorentscheidung ging es um 28.000 EUR, hier um die Hälfte. Auch bei einem solchen Geldbetrag, mit dem immerhin ein besserer Kleinwagen angeschafft werden kann, besteht kein Zweifel, dass der dem Kunden drohende mögliche Schaden die angeführten Schutzpflichten der Bank auslöst.

3. Das festgestellte Aufstellen von Überwachungskameras vermag die beklagte Bank nicht von der aufgezeigten, ihr vorzuwerfenden Schutzpflichtverletzung zu entlasten. Zur Verhinderung von Diebstählen im Geschäftslokal sind die Kameras nur geeignet, wenn eine ständige Beobachtung der Bilder durch einen Angestellten erfolgt, wodurch erst ein sofortiges Einschreiten möglich wäre. Derartiges wurde von der in diesem Punkt beweispflichtigen beklagten Partei nicht einmal behauptet. Überwachungskameras mögen durchaus präventiv wirken, einen Schutz vor Diebstählen bieten sie - wie in casu - nicht. Im Übrigen soll ja mit den Schutzpflichten im aufgezeigten Umfang nicht nur Diebstählen in den Bankräumlichkeiten selbst, sondern auch außerhalb der Bank (Heimweg des Kunden) vorgebeugt werden.

4. Zur Mitverantwortlichkeit des geschädigten Bankkunden:

Diesem ist zweifellos ein sorgloses Verhalten in eigenen Angelegenheiten anzulasten. Das Verstauen des Geldkuverts in der Rockaußentasche war wegen der festgestellten beengten Verhältnisse im Geschäftsraum unvorsichtig und tatsächlich iSd Formulierung der beklagten Partei „diebstahlsfördernd", musste doch der Kunde bei seinem Weg zum Münzzähler in unmittelbarer Nähe an den hinter ihm wartenden Personen vorbeigehen. Entgegen der Ansicht der beklagten Partei begründet aber die Nachlässigkeit des Bankkunden, der das Geldkuvert zumindest in einer Rockinnentasche, also nahe dem Körper, verwahren hätte können, weder ein weit überwiegendes noch auch nur ein höheres Verschulden gegenüber der Verletzung der Schutzpflichten durch die beklagte Bank. Die von den Klägern selbst vorgenommene Verschuldensaufteilung von 1 : 1 erscheint angemessen und steht mit der zitierten Vorentscheidung durchaus im Einklang.

Zusammenfassend ist daher festzustellen, dass eine Bank gegenüber einem Bankkunden, der am Kassenschalter die Auszahlung eines hohen Geldbetrags (hier rund 14.000 EUR) verlangt, die vorvertraglichen Schutzpflichten zur Aufklärung und zum Anbot von weniger risikoträchtigen Auszahlungsmöglichkeiten (Überweisung des Geldbetrags; Barauszahlung in einem uneinsehbaren Geschäftsraum) treffen. Dem Klagebegehren ist daher in Abänderung der Entscheidung der Vorinstanzen stattzugeben.

Die Entscheidung über die Verfahrenskosten beruht auf § 41 ZPO, für die Rechtsmittelverfahren auch auf § 50 Abs 1 ZPO.

Stichworte