Spruch:
Karl G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Linz vom 9. Oktober 2007, AZ 10 Bs 234/07v, richtet, abgewiesen.
Soweit sie den Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 27. September 2007, GZ 27 Ur 158/06b-31, bekämpft, wird sie zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Beschluss des Landesgerichtes Salzburg vom 27. September 2007 (ON 31) wurde die am 14. September 2007 (im Anschluss an die Verbüßung der Strafhaft zu AZ 40 Hv 129/06d des selben Gerichtes) wegen des dringenden Verdachtes der Begehung (richtig:) des Verbrechens des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 und Abs 3 erster Fall StGB und mehrerer Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB über Karl G***** verhängte (ON 23) Untersuchungshaft aus den Haftgründen des § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO fortgesetzt (ON 31). Mit Beschluss vom 9. Oktober 2007 gab das Oberlandesgericht Linz der dagegen erhobenen Beschwerde des Beschuldigten keine Folge und ordnete die Fortsetzung der Untersuchungshaft aus den schon vom Erstgericht angenommenen Haftgründen der Flucht- und Tatbegehungsgefahr nach § 180 Abs 2 Z 1 und 3 lit b StPO mit Wirksamkeit bis 10. Dezember 2007 an (ON 34).
Rechtliche Beurteilung
Soweit sich die Grundrechtsbeschwerde des Beschuldigten im Rahmen der Anträge inhaltlich auch gegen die Entscheidung auf Fortsetzung der Untersuchungshaft durch den Untersuchungsrichter des Landesgerichtes Salzburg richtet, ist sie nach § 1 Abs 1 GRBG unzulässig. Im Übrigen kommt ihr keine Berechtigung zu.
Das Oberlandesgericht Linz ging ausdrücklich nur vom dringenden Verdacht aus, Karl G***** habe im Jahr 1996 die damals 10-jährige Ramona R*****, geboren am 21. April 1986, in K***** durch Betasten der Brust über der Kleidung sowie - einige Monate später - dadurch, dass er sie teils oberhalb der Kleidung und - nachdem er ihr Hose und Unterhose hinuntergezogen hatte - teils im nackten Intimbereich berührte, eine unmündige Person auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht missbraucht, wobei die Tathandlung eine posttraumatische Belastungsstörung des Opfers zur Folge hatte, die einer schweren Körperverletzung entspricht.
Der Beschwerdeeinwand bereits eingetretener Verjährung der Strafbarkeit weiterer von der Voruntersuchung umfasster gleichartiger Taten an einem anderen Opfer geht demgemäß von vorneherein ins Leere. Dass die vom Gerichtshof zweiter Instanz vorgenommene Beschränkung auf die Feststellung haftrelevanter Umstände einiger weniger Taten aus einer umfangreicheren Verdachtslage, deretwegen die Voruntersuchung geführt wird, im konkreten Fall der im Grundrechtsbeschwerdeverfahren vorzunehmenden Prüfung nicht standhalten könnte, weil diese Umstände nicht hafttragend seien, wurde im Übrigen in der Beschwerde - zu Recht - gar nicht behauptet. Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens dahin geprüft, ob sie aus den in der angefochtenen Entscheidung angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste (RIS-Justiz RS0117806).
Die begründete Gefahr, der Beschuldigte werde auf freiem Fuß ungeachtet des gegen ihn geführten Strafverfahrens weitere strafbare Handlungen mit nicht bloß leichten Folgen begehen, die gegen das selbe Rechtsgut gerichtet sind, wie die ihm angelasteten Taten, leitete das Oberlandesgericht Linz aus dessen einschlägig bescholtenen Vorleben, dem aktuell bestehenden Verdacht wiederholten sexuellen Missbrauchs des unmündigen Tatopfers Ramona R***** und der dadurch indizierten sexuellen Neigung des Beschuldigten zu Mädchen im Kindesalter ab. Den Beschwerdeeinwand, Wiederholungsgefahr bestünde aufgrund des jahrzehntelangen Zurückliegens der vorgeworfenen Handlungen und des zuletzt jahrelangen Wohlverhaltens nicht, erachtete es unter Verweis auf die zu AZ 40 Hv 129/06d des Landesgerichtes Salzburg ergangene Verurteilung vom 12. April 2007 als nicht stichhältig (BS 4).
Damit wurde die Annahme der Tatbegehungsgefahr gesetzmäßig begründet. Die Beschwerdebehauptung, sämtliche dem Beschuldigten vorgeworfenen Handlungen lägen bereits 20 bis 21 Jahre zurück, sodass „bereits aus diesem Grunde eine Tatbegehungsgefahr nicht automatisch anzunehmen ist und konkrete Anhaltspunkte dafür notwendig sind, die sich aber aus gegenständlichem Akt nicht entnehmen lassen", geht hinsichtlich der - als alleine hafttragend beurteilten - Taten zum Nachteil der Ramona R***** nicht von dem vom Beschwerdegericht (aktenkonform) aufgrund der Anzeige und den Angaben des Tatopfers (S 3, 45 ff und 102 ff) angenommenen Tatzeitraum im Jahr 1996 aus, sondern basiert auf den (aktenwidrigen) Annahmen des Erstgerichtes, das die Taten (ersichtlich irrtümlich) den Jahren 1986 oder 1987 zuordnete, und verfehlt damit den Bezugspunkt der vorliegenden Grundrechtsbeschwerde (vgl § 1 Abs 1 GRBG).
Insoweit dieses Vorbringen als grundsätzliche Kritik am Beschwerdegericht, von den Beschlussannahmen des Erstgerichtes abgewichen zu sein, verstanden werden könnte, genügt es, darauf zu verweisen, dass der Fortsetzungsbeschluss des Oberlandesgerichts nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes die erstinstanzliche Entscheidung nicht bloß zu beurteilen, sondern zu ersetzen hat und solcherart eine neue - reformatorische - Entscheidung darstellt (§ 182 Abs 4 zweiter Satz StPO; RIS-Justiz RS0116421, RS0120817). Indem der Beschwerdeführer ohne weitere Argumentation von der Richtigkeit des Tatzeitraumes 1986 bis 1987 ausgeht, wird Willkür bei Annahme des Haftgrundes jedenfalls nicht aufgezeigt.
Eine Erörterung der weiteren Einwände gegen die vom Oberlandesgericht ebenfalls als bestehend angesehene Fluchtgefahr erübrigt sich, weil bei gegebenem dringenden Tatverdacht bereits ein Haftgrund die Aufrechterhaltung der Untersuchungshaft rechtfertigt (RIS-Justiz RS0061196).
Mit der substratlosen Behauptung der Substituierbarkeit der Untersuchungshaft durch „alle" gelinderen Mittel wird schließlich nicht dargelegt, inwiefern dem Beschwerdegericht bei der fallbezogenen Verneinung dieser Frage ein Beurteilungsfehler unterlaufen wäre.
Karl G***** wurde daher durch den angefochtenen Beschluss in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.
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