OGH 1Ob132/07d

OGH1Ob132/07d29.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Gerstenecker als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Univ.-Doz. Dr. Bydlinski, Dr. Fichtenau, Dr. E. Solé und Dr. Schwarzenbacher als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wassergenossenschaft G*****, vertreten durch Haßlinger Haßlinger Planinc & Partner, Rechtsanwälte in Deutschlandsberg, gegen die beklagte Partei Martin W*****, vertreten durch Dr. Alfred Lind und Dr. Klaus Rainer, Rechtsanwälte in Graz, wegen 8.070,43 EUR sA, infolge Revision der beklagten Partei (Revisionsinteresse 3.570,18 EUR) gegen das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Berufungsgericht vom 28. März 2007, GZ 6 R 32/07f-43, mit dem das Urteil des Bezirksgerichts Voitsberg vom 29. November 2006, GZ 5 C 2047/04k-36, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Beklagte verunreinigte durch Ausbringung von Gülle auf sein landwirtschaftlich genutztes Grundstück die nahe gelegene Quelle der Klägerin. Diese begehrte - „gestützt auf die §§ 364 ff ABGB sowie auf Schadenersatz" - den Ersatz der ihr dadurch verursachten Kosten (für Reinigung, Wasserzukäufe und Wasseruntersuchungen samt sonstigen Unkosten) in Höhe des Klagebetrags. Der Beklagte bestritt im Wesentlichen, dass die Verunreinigung durch ihn verursacht worden sei.

Das Erstgericht gab der Klage statt. Der Beklagte habe durch seine - das ortsübliche Maß überschreitende - Düngung die Verunreinigung der Quelle der Klägerin verursacht. Der Klägerin stehe daher ein verschuldensunabhängiger Ausgleichsanspruch nach den §§ 364 ff ABGB im Betrag von 8.070,43 EUR zu.

Das Berufungsgericht bestätigte diese Entscheidung und erklärte die Revision für zulässig. Zu ersetzen seien insbesondere auch die Kosten für die Reinigung des Hochbehälters in Höhe von 3.570,18 EUR. Diese Reinigung sei zwar nicht erforderlich gewesen, was sich aber erst im Nachhinein herausgestellt habe. Auf Grund der zu befürchtenden Gesundheitsgefährdung durch das verunreinigte Wasser auch aus diesem Hochbehälter sei die Klägerin zu einem „Rettungsversuch" berechtigt gewesen, weshalb ihr dessen Kosten als „Rettungsaufwand" zu ersetzen seien. Die ordentliche Revision sei zuzulassen, weil keine gesicherte Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs zur Frage vorliege, ob der sogenannte Rettungsaufwand verschuldensunabhängig gebühre, und dieser Frage über den Einzelfall hinaus erhebliche Bedeutung zukomme.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen erhobene Revision des Beklagten erweist sich als unzulässig, weil darin die Entscheidungsrelevanz einer im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO erheblichen Rechtsfrage nicht aufgezeigt wird. Der Beklagte argumentiert, dass die von ihm gesetzten Handlungen zu keinem Schaden im Bereich des Hochbehälters geführt hätten. Es hätte somit keiner Maßnahmen zur Abwendung eines von ihm verursachten Schadens bedurft, sodass die damit verbundenen Kosten auch nicht von ihm zu ersetzen seien. Außerdem sei die Zuerkennung eines „Rettungsaufwands" als verschuldensunabhängigem Ausgleichsanspruch gemäß § 364 ABGB verfehlt. Die im § 1293 ABGB bestehende Grundlage für den „Rettungsaufwand" setze schuldhaftes und rechtswidriges Verhalten voraus. Ausschließlich unter diesen Voraussetzungen sei festgelegt, dass Aufwendungen, die zur Abwendung bzw Minderung eines drohenden Schadens gemacht wurden, als positiver Schaden zu beurteilen seien und somit deren Ersatzpflicht gegeben sei. Ausgleichsansprüche gemäß § 364 ABGB seien hingegen nachbarrechtliche Ansprüche und nicht Schadenersatzansprüche aus unerlaubten Handlungen. Bei der Bemessung des Ausgleichsanspruchs sei nicht die Bestimmung des § 1324 ABGB anzuwenden. Zuzuerkennen seien somit nur Ansprüche auf Grund unmittelbarer direkter Einwirkungen, die von Nachbargrundstücken ausgingen. Maßnahmen, die als „Rettungsaufwand" im Sinne des § 1293 ABGB zu qualifizieren seien, könnten somit nicht Gegenstand eines Ausgleichsanspruchs gemäß § 364 ABGB sein.

Dazu ist auszuführen:

Der Beklagte hat den „Rettungsversuch" der Klägerin (Reinigung des Hochbehälters zur Abwendung einer durch das präsumtiv verunreinigte Wasser zu befürchtenden Gesundheitsgefährdung) adäquat verursacht. Nach ständiger Rechtsprechung ist ein vom Verschulden unabhängiger Ausgleichsanspruch in den Fällen des § 364 Abs 2 ABGB dann zuzubilligen, wenn sich ausreichende Anhaltspunkte für eine Analogie zu § 364a ABGB ergeben. Diese Gesetzesstelle regelt einen der Enteignung verwandten Tatbestand. Der Geschädigte hat deshalb einen Ersatzanspruch, weil er im Interesse des Nachbarn Eingriffe in sein Eigentum hinnehmen muss, die über die normale Duldungspflicht des § 364 Abs 2 ABGB hinausgehen. Jede Analogie zu § 364a ABGB hat an diese Grundsituation anzuknüpfen. Dem Geschädigten muss ein Abwehrrecht genommen sein, das ihm nach dem Inhalt seines Eigentums an sich zugestanden wäre. Eine derartige gleichartige Gefahrenlage ist insbesondere auch dann anzunehmen, wenn durch die auf ein einmaliges Ereignis zurückzuführende Einleitung von Schadstoffen jede Unterlassungsklage zu spät käme, sodass sich der von dieser Einwirkung Betroffene in einer Situation wie derjenige befindet, dem aus anderen Gründen die Unterlassungsklage verwehrt war (1 Ob 19/93 = SZ 66/147 mwN). Die Vorinstanzen haben daher zutreffend einen (verschuldensunabhängigen) Ausgleichsanspruch in analoger Anwendung des § 364a ABGB als gerechtfertigt erkannt.

Auch wenn § 364a ABGB einen Fall von (verschuldensunabhängiger) Erfolgshaftung enthält, so verweist die Bestimmung doch schon nach ihrem Wortlaut („Ersatz des zugefügten Schadens gerichtlich verlangen") auf die schadenersatzrechtlichen Normen des 30. Hauptstücks (§§ 1293 ff) des ABGB. Auf diese ist daher auch Bedacht zu nehmen. Der nach dieser Gesetzesstelle zustehende Ausgleichsanspruch umfasst dabei als volle Genugtuung das gesamte subjektiv berechtigte Interesse (10 Ob 113/98k mwN). Der „Rettungsaufwand", das ist der Aufwand, der gemacht wird, um eine Gefahr abzuwenden, gehört zum positiven Schaden (RIS-Justiz RS0023516).

Die Zuerkennung (auch) der Reinigungskosten für den Hochbehälter durch die Vorinstanzen erfolgte daher zu Recht.

Da es der Lösung von Rechtsfragen im Sinne des § 502 Abs 1 ZPO nicht bedarf, ist die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

Stichworte