OGH 5Ob124/07g

OGH5Ob124/07g20.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Floßmann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Hurch, Dr. Höllwerth, Dr. Grohmann und Dr. E. Solé als weitere Richter in der außerstreitigen Mietrechtssache des Antragstellers Dr. Helmut B*****, vertreten durch Dr. Rose-Marie Rath, Rechtsanwältin in Wien, wider die Antragsgegnerin G*****, vertreten durch Spitzauer & Backhausen, Rechtsanwälte GmbH in Wien, wegen § 37 Abs 2 Z 8 MRG iVm § 46a Abs 2 MRG, infolge Revisionsrekurs der Antragsgegnerin gegen den Sachbeschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 10. Jänner 2007, GZ 39 R 411/06i-28, mit dem der Sachbeschluss des Bezirksgerichtes Innere Stadt Wien vom 31. Oktober 2006, GZ 58 Msch 10/05k-24, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Aus Anlass des Revisionsrekurses werden die Entscheidungen der Vorinstanzen einschließlich des ihnen vorangegangenen Verfahrens als nichtig aufgehoben und das Begehren auf Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit des dem Antragsteller unter Berücksichtigung des § 46a MRG vorgeschriebenen monatlichen Hauptmietzinses von EUR 402,05 vom 1. 3. 2004 bis 1. 11. 2004 für das Bestandobjekt top 7, 8 und 8a im Haus 1010 Wien, Hafnersteig 2-4, zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrekursverfahrens sowie des für nichtig erklärten Verfahrens werden gegenseitig aufgehoben.

Text

Begründung

Der Antragsteller wandte sich im Verfahren vor der Schlichtungsstelle gegen die Erhöhung des Nettohauptmietzinses gemäß § 46a MRG für das Bestandsobjekt top 7, 8 und 8a im Haus H***** und brachte dazu vor, er sei Hauptmieter dieser Objekte, die Antragsgegnerin Eigentümerin und Vermieterin. Den ursprünglichen Mietvertrag habe Dr. Adolf K***** abgeschlossen, der am ***** verstorben sei. Bereits vor seinem Tod sei der Antragsteller aufgrund eines vertraglich vereinbarten Weitergaberechts in den Mietvertrag eingetreten und nicht, wie die Antragsgegnerin rechtsirrig meine, als Erbe nach Dr. Adolf K***** aufgrund Rechtsnachfolge von Todes wegen. Die Erhöhung des Mietzinses gemäß § 46a MRG sei daher unberechtigt.

In einer weiteren Stellungnahme wies der Antragsteller darauf hin, dass Dr. Alfred K*****, der Sohn des Erblassers während der gesamten Dauer des Mietvertrages (ab 1967 bzw 1975) bis zur Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens nach Dr. Adolf K***** Mitmieter des streitgegenständlichen Objektes gewesen sei und erst durch ein Erbenübereinkommen vom 25. 9. 2002 dieses Mietrecht an den Antragsteller weitergegeben habe. Nachdem die Schlichtungsstelle das Verfahren bis zur rechtskräftigen Entscheidung eines Verfahrens vor dem Bezirksgericht Innere Stadt Wien „in dem die Frage der Berechtigung zur Mietzinsanhebung Gegenstand sei" unterbrach, zog die Antragsgegnerin das Verfahren gemäß § 40 MRG zu Gericht ab. Das Erstgericht gelangte in einem ersten Sachbeschluss zu dem Ergebnis, dass eine unzulässige Überschreitung des Zinsausmaßes vorliege, weil § 46a MRG nicht anzuwenden sei. Der Antragsteller habe durch das Ableben von Dr. Adolf K***** nur Mitmietrechte erworben. Alleiniger Mieter sei er erst durch einen rechtsgeschäftlichen Akt, nämlich die Vereinbarung mit Dr. Alfred K*****, wonach dieser auf seine Mietrechte zugunsten des Antragstellers verzichte, geworden. Es liege somit kein Anwendungsfall des § 46a MRG vor.

Das Rekursgericht hob in der Folge diese Entscheidung auf und trug dem Erstgericht die Verfahrensergänzung unter Überbindung der Rechtsansicht, dass eine Anhebung des Mietzinses nach § 46a Abs 2 MRG nur dann in Betracht komme, wenn der einzige Mieter einer Geschäftsräumlichkeit versterbe, dahingehend auf, festzustellen, wann die Einantwortung im Verlassenschaftsverfahren erfolgt sei, ob dem Antragsteller überhaupt eingeantwortet wurde und ob Dr. Adolf K***** vor der rechtskräftigen Einantwortung auf seine eigenen Mietrechte verzichtet habe sowie, ob die Vermieterin einem solchen Verzicht zugestimmt habe, weil ein Verzicht erst mit zumindest stillschweigender Zustimmung der Vermieterin wirksam werde. Im zweiten Rechtsgang gelangte das Erstgericht wiederum zu dem Ergebnis, dass eine Mietzinsanhebung nach § 46a MRG unzulässig sei. Dr. Alfred K***** habe auf seine Mitmietrechte nie wirksam verzichtet. Ein solcher Verzicht sollte nach einem Erbteilungsübereinkommen mit dem Antragsteller zwar nach rechtskräftiger Einantwortung wirksam werden, die Antragsgegnerin habe einem derartigen Verzicht Dr. Alfred K***** auf seine Mitmietrechte aber niemals zugestimmt, sodass dieser weiter als Mitmieter anzusehen sei. Darüber hinaus liege im Vorbringen der Antragsgegnerin, Dr. Alfred K***** habe vorweg der alleinigen Rechtsnachfolge des Antragstellers in das Unternehmen des Dr. Adolf K***** zugestimmt, keine Erfüllung des Tatbestandes nach § 12a Abs 1

MRG.

Mit dem angefochtenen Beschluss bestätigte das Rekursgericht diese Entscheidung. Dr. Alfred K***** sei unabhängig von einer Rechtsnachfolge als Erbe nach Dr. Adolf K***** selbständig Mitmieter. Die Aufgabe dieser Mitmieterstelle hätte einer Dreiparteieneinigung bedurft, die nicht erfolgt sei. So sei zwar der Antragsteller alleiniger Rechtsnachfolger nach Dr. Adolf K***** in Ansehung des in den Geschäftsräumlichkeiten betriebenen Unternehmens der Rechtsanwaltskanzlei, aber nicht alleiniger Mieter, weil Dr. Alfred K***** noch eigene Mitmietrechte innehabe, ohne dass er in den Geschäftsräumlichkeiten ein Unternehmen betreibe. Zwar könne die Vereinbarung im Erbenübereinkommen als Verzicht auf die eigenen Mitmietrechte Dris. Alfred K***** angesehen werden, doch habe die Antragsgegnerin im Verfahren selbst vorgebracht, eine Zustimmung zur Aufgabe der Mitmietrechte Dris. Alfred K***** niemals erteilt zu haben, sodass eine Dreiparteieneinigung nicht vorliege. Schon der Wortlaut des § 46a Abs 2 MRG spreche dafür, dass die Mietzinsanhebung nur in Betracht komme, wenn der einzige Mieter einer Geschäftsräumlichkeit versterbe. Auch nach dem Sinn der Bestimmung könne eine Mietzinserhöhung nicht in Betracht kommen, wenn einer von zwei oder mehreren Mitmietern versterbe und dessen Erbe bisher nicht Mieter gewesen sei, weil weder eine Aufspaltung des Mietzinses auf bisherige und neue Mieter in Frage komme noch dem bisherigen Mieter gegenüber eine Mietzinserhöhung gerechtfertigt sei. Zwar könnten Mitmieter grundsätzlich nur gemeinsam einen Antrag auf Überprüfung des gesetzlich zulässigen Zinsausmaßes stellen, doch müsse in einem Fall, in dem die Vermieterin den Standpunkt vertrete, es gebe nur einen in den Mietvertrag eingetretenen Mieter, und daher nur diesem einen erhöhten Mietzins nach § 46a Abs 2 MRG vorschreibe, dem Mitmieter das Recht zugebilligt werden, diese Vorschreibung im gerichtlichen Verfahren überprüfen zu lassen. Den ordentlichen Revisionsrekurs erklärte das Rekursgericht für zulässig, weil eine oberstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage, ob im Falle eines am 1. 3. 1994 bestehenden Hauptmietvertrages über eine Geschäftsräumlichkeit bei Tod eines Mitmieters von dessen Rechtsnachfolger gemäß § 46a Abs 2 MRG ein erhöhter Hauptmietzins begehrt werden könne, nicht vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der dagegen von der Antragsgegnerin erhobene Revisionsrekurs ist zulässig, weil der Wahrnehmung einer Nichtigkeit immer erhebliche Bedeutung zur Wahrung der Rechtssicherheit zukommt (RIS-Justiz RS0042743).

1. Die Vorschaltung der Schlichtungsstellen vor Befassung der Gerichte in außerstreitigen Mietrechtssachen gem § 39 MRG stellt eine zwingende Verfahrensvoraussetzung für das gerichtliche Verfahren bei sonstiger Unzulässigkeit des außerstreitigen Rechtsweges dar (RIS-Justiz RS0070782; RS0116912).

1.1. Mit dem in dieser Bestimmung verwendeten Begriff der „Sache" ist der das Verfahren einleitende Sachantrag gemeint (RIS-Justiz RS0070055; M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 39 MRG Rz 1 und 4). Der vor der Schlichtungsstelle vorgebrachte anspruchsbegründende Sachverhalt darf vor Gericht nicht erweitert werden (RIS-Justiz RS0109931). Für die Identität der „Sache" kommt es entscheidend darauf an, dass vor Gericht derselbe Anspruch wie vor der Schlichtungsstelle geltend gemacht wird (RIS-Justiz RS0070068), wobei der herrschende zweigliedrige Streitgegenstandsbegriff heranzuziehen ist (vgl auch M. Mohr in Hausmann/Vonkilch, Österreichisches Wohnrecht § 39 MRG Rz 9). Insoweit darf der bei der Schlichtungsstelle erhobene Antrag bei Gericht weder erweitert noch geändert werden (RIS-Justiz RS0006307).

1.2. Nach dem Vorbringen des Antragstellers vor der Schlichtungsstelle wurde er infolge Eintrittes in das Mietrecht des Dr. Adolf K***** auf Grund dessen Weitergaberechtes bereits lange vor dessen Tod Mieter und war deshalb eine Mietzinserhöhung nach § 46a MRG ausgeschlossen. Die Frage eines allfälligen Mitmieters wurde im Verfahren vor der Schlichtungsstelle nur insoweit thematisiert, als in einer Stellungnahme des Antragstellers vom 17. 1. 2005 dargelegt wird, dass Dr. Alfred K***** über den gesamten Zeitraum des Mietvertrages bis zur Beendigung des Verlassenschaftsverfahrens nach Dr. Adolf K***** Mitmieter des Objektes gewesen und erst mit Erbenübereinkommen vom 25. 9. 2002, also lange vor dem Antrag an die Schlichtungsstelle vom 24. November 2004, seine Mitmietrechte an den Beklagten weitergegeben habe. Gegenstand der vor die Schlichtungsstelle gebrachten „Sache" war daher die Behauptung, der Antragsteller sei - im Zeitpunkt der Antragstellung - alleiniger Mieter des Bestandobjektes.

1.3. Dagegen brachten die Parteien im gerichtlichen Verfahren vor bzw stellten sogar außer Streit, dass die Anzeige einer Weitergabe durch Dr. Adolf K***** vor einem 2004 geführten Kündigungsprozess nicht erfolgt ist bzw dass eine Übertragung der Mietrechte seitens Dr. Alfred K***** dem Vermieter gegenüber nicht rechtswirksam erfolgt bzw von Vermieterseite diesem Vorgang nie zugestimmt worden und daher eine Dreiparteieneinigung insoweit nie erfolgt sei. Das Vorbringen im gerichtlichen Verfahren lautet daher im Gegensatz zu jenem vor der Schlichtungsstelle, dass der Antragsteller nach wie vor nicht alleiniger Mieter, sondern lediglich Mitmieter neben Dr. Alfred K***** und deshalb eine Mietzinsanhebung nach § 46a MRG unzulässig sei. Eben diese Rechtsfrage ist auch der Grund für die Zulassung des Revisionsrekurses durch das Rekursgericht.

1.4. Auch wenn bei Mietzinsüberprüfungsanträgen nicht kleinlich am Wortlaut des Antrages gehangen werden soll, sondern dieser nach Möglichkeit so auszulegen ist, dass eine Überprüfung der gesetzlichen Zulässigkeit im sachlich notwendigen Umfang gewährleistet werden kann (RIS-Justiz RS0116684), differieren hier die im Antrag vor der Schlichtungsstelle vorgebrachten anspruchsbegründenden Tatsachen von jenen im gerichtlichen Verfahren soweit, dass nicht mehr von derselben „Sache" gesprochen werden kann. Dies steht jedoch einer Geltendmachung vor Gericht entgegen. Haben die Vorinstanzen über etwas anderes entschieden, als Gegenstand des Antrages bei der Schlichtungsstelle war, hat dies die Nichtigkeit der Entscheidungen und deren ersatzlose Beseitigung zur Folge (5 Ob 25/91; RIS-Justiz RS0070401).

2. Der Vollständigkeit halber sei darauf verwiesen, dass in materieller Hinsicht der Rechtsansicht des Rekursgerichtes zu folgen wäre und ein Fall der zulässigen Mietzinsanhebung nach § 46a MRG in Bezug auf den letztlich entscheidungsrelevanten Sachverhalt nicht vorläge. Die Möglichkeit der Mietzinsanhebung nach § 46a Abs 2 MRG besteht nur dann, wenn es durch den Tod eines Geschäftsraummieters zur Gesamtrechtsnachfolge in dessen Mietrechte kommt (RIS-Justiz RS0116304). Mit dem Tod verwirklicht sich der maßgebliche Sachverhalt endgültig und abschließend. § 46a Abs 2 MRG setzt weder eine Einantwortungsurkunde noch deren Rechtskraft voraus und knüpft in seinem Tatbestand nicht an den Übergang der Mietrechte vom ruhenden Nachlass auf den Erben an, sondern setzt lediglich den Tod des Geschäftsraummieters voraus (5 Ob 2307/96t = SZ 69/225; RIS-Justiz RS0105708).

Davon zu unterscheiden ist die Frage, wem gegenüber die Mietzinsanhebung begehrt werden kann. Dies ist nur gegenüber dem Universalsukzessor des verstorbenen Mieters möglich (5 Ob 291/05p; RIS-Justiz RS0105708). Da, wie bereits das Rekursgericht dargelegt hat, § 46a Abs 2 MRG an den Tod des Hauptmieters anknüpft, ist der Tatbestand dieser Bestimmung nur erfüllt, wenn das gesamte Mietverhältnis durch den Tod des Hauptmieters auf dessen Rechtsnachfolger übergeht und nicht auch schon dann, wenn dies nur auf einen von mehreren Mitmietern zutrifft. Jede andere Sicht der Dinge müsste grundsätzlich dazu führen, dass entweder mehrere Mitmieter hinsichtlich ein und desselben Bestandobjektes unterschiedlichen Mietzins zu zahlen hätten bzw umgekehrt von der Möglichkeit der Mietzinserhöhung auch ein Mitmieter betroffen wäre, auf den die Voraussetzungen des § 46a MRG gar nicht zuträfen. Ist ein Objekt aber an mehrere Mitmieter in Bestand gegeben, ist ein solches Mietverhältnis ein einheitliches, ungeteiltes Gesamtmietverhältnis und besteht nicht aus mehreren konkurrierenden Mietverhältnissen (RIS-Justiz RS0101118). Der von mehreren Mitmietern eines Bestandobjektes als Gesamtschuldner zu entrichtende Hauptmietzins kann nicht in Verbindlichkeiten der einzelnen Mitmieter aufgespalten werden. Die Unwirksamkeit der Mietzinsvereinbarung und die Höhe des angemessenen Hauptmietzinses müssen zwingend alle am Vertrag Beteiligten treffen (5 Ob 28/83 = SZ 56/132 = MietSlg 35.425/25 = RIS-Justiz RS0013162).

3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 37 Abs 3 Z 17 MRG iVm § 51 Abs 2 ZPO. Beide Parteien haben die vorliegende Nichtigkeit nicht geltend gemacht.

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