Spruch:
Der Antrag wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Mit Urteil des Landesgericht für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 18. November 1999, GZ 4 b Vr 6528/99-34, wurde Erich B***** unter anderem des Verbrechens der versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Personen unter 18 Jahren nach §§ 15, 209 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 27. Juli 1999 in Wien versucht, nach Vollendung des neunzehnten Lebensjahres mit einer Person, die das vierzehnte, aber nicht das achtzehnte Lebensjahr vollendet hatte, gleichgeschlechtliche Unzucht zu treiben, indem er dem am 21. September 1985 geborenen Marvin G***** über dessen Badehose zumindest fünf Sekunden lang fest auf den Geschlechtsteil griff. Mit Erkenntnis des VfGH vom 21. Juni 2002, AZ G 6/02, wurde § 209 StGB unter Fristsetzung bis 28. Februar 2003 als verfassungswidrig aufgehoben. Mit dem Strafrechtsänderungsgesetz 2002, BGBl I Nr 134/2002, entfiel die Strafbestimmung des § 209 StGB, jene des § 207b StGB wurde neu eingefügt.
Rechtliche Beurteilung
Gestützt auf eine Reihe von Urteilen des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte (EGMR), mit welchen, beginnend mit dem Erkenntnis vom 9. Jänner 2003 (L & V gegen Österreich, Nr 39392/98 und 39829/98; ÖJZ 2003/19, 394), der Gerichtshof eine Verletzung des Art 14 iVm Art 8 MRK durch die diesen - das gegenständliche Strafverfahren nicht betreffenden - Beschwerdefällen zu Grunde gelegenen Verurteilungen nach § 209 StGB feststellte, beantragt der Verurteilte Erich B*****, gemäß § 363a StPO die Erneuerung des Strafverfahrens anzuordnen. Zur Frage der Zulässigkeit einer solchen Erneuerung ohne ein ihr zugrunde liegendes, denselben Fall betreffendes Urteil des EGMR hat der Oberste Gerichtshof bereits in der Entscheidung vom 1. August 2007, AZ 13 Os 135/06m, ausführlich Stellung genommen. Wie dort eingehend dargelegt wurde, kann mit Blick auf Art 13 MRK die Vorschrift des § 363a Abs 1 StPO nicht dahin verstanden werden, die Erneuerung des Strafverfahrens aufgrund einer Verletzung von Konventionsrechten nur in jenen Fällen zu ermöglichen, in denen die Konventionsverletzung bereits in einem Urteil des EGMR festgestellt wurde. Der Oberste Gerichtshof sieht sich demnach als nach der Bundesverfassung oberste Instanz in Strafrechtssachen (Art 92 Abs 1 B-VG) - über Art 46 Abs 1 MRK hinausgehend - dazu aufgerufen, die Erfüllung der aus der MRK erfließenden verfassungs- wie völkerrechtlichen Verpflichtungen für den Bereich der Strafgerichtsbarkeit sicherzustellen, mit anderen Worten dem Geist der MRK auch in jenen Fällen Rechnung zu tragen, in denen noch kein Urteil gegen Österreich ergangen ist (vgl Grabenwarter, Europäische Menschenrechtskonvention² § 3 Rz 13).
In Hinsicht darauf, dass auch der EGMR eine Grundrechtsverletzung nur bei Anrufung innerhalb der Frist des Art 35 Abs 1 MRK aufgreifen, anderes für den Obersten Gerichtshof in seiner dargelegten Funktion als höchstem innerstaatlichen Grundrechtewahrer nicht gelten kann (eingehend 13 Os 135/06m) und die Voraussetzung rechtzeitiger Geltendmachung hier nicht vorliegt, war aber der Erneuerungsantrag als unzulässig nach § 363b Abs 2 Z 2 StPO bereits bei der nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.
Allfällige Nachteile bei künftig zu treffenden Ermessensentscheidungen (zB im Rahmen einer Strafzumessung oder bei der Entscheidung über eine bedingte Entlassung) aus der hier in Rede stehenden Verurteilung können auf prozessual einwandfreie Weise unter Bedacht auf das Erkenntnis 11 Os 95/02 (verstärkter Senat), SSt 2003/45, vermieden werden.
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