OGH 4Ob172/07h

OGH4Ob172/07h13.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Fachverband der Buch- und Medienwirtschaft, Wien 4, Wiedner Hauptstraße 63, vertreten durch Tonninger Riegler Maierhofer Rechtsanwälte in Wien, gegen die beklagte Partei L***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Georg Prantl, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Urteilsveröffentlichung (Streitwert im Sicherungsverfahren 35.000 EUR), infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 6. Juni 2007, GZ 1 R 216/06a, 230/06k-11, mit dem der Beschluss des Landesgerichts Wiener Neustadt vom 27. September 2006, GZ 27 Cg 99/06f-4, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

I. Dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften werden gemäß Artikel 234 EG folgende Fragen zur Vorabentscheidung vorgelegt:

1. Ist Artikel 28 EG dahin auszulegen, dass er an sich der Anwendung nationaler Rechtsvorschriften entgegensteht, die lediglich Importeure von deutschsprachigen Büchern verpflichten, für die in das Inland eingeführten Bücher einen Letztverkäufer bindenden Verkaufspreis festzusetzen und bekannt zu machen, wobei der Importeur den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis oder den von einem Verleger mit Sitz außerhalb eines Vertragsstaats des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) für das Inland empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten darf, aber eine Ausnahme für den Fall besteht, dass der Importeur, der in einem Vertragsstaat des EWR zu einem von den üblichen Einkaufspreisen abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Preis - im Fall von Reimporten den vom inländischen Verleger festgesetzten Preis - im Verhältnis zum erzielten Handelsvorteil unterschreiten darf?

2. Bei Bejahung der Frage nach Punkt 1.:

Ist die an sich Artikel 28 EG - allenfalls auch auf Grund einer in die Warenverkehrsfreiheit eingreifenden Verkaufsmodalität - widersprechende nationale gesetzliche Buchpreisbindung nach Punkt 1., deren Zweck ganz allgemein mit einer gebotenen Bedachtnahme „auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels" umschrieben ist, nach Artikel 30 oder Artikel 151 EG etwa vor dem Hintergrund eines Allgemeininteresses an der Förderung der Buchproduktion, einer Titelvielfalt zu geregelten Preisen und einer Vielfalt an Buchhändlern - trotz des Mangels an empirischen Daten, die belegen könnten, dass sich das Mittel einer gesetzlichen Buchpreisbindung eigne, die damit angestrebten Ziele zu erreichen - gerechtfertigt?

3. Bei Verneinung der Frage nach Punkt 1.:

Ist die nationale gesetzliche Buchpreisbindung nach Punkt 1. mit den Artikeln 3 Abs 1 lit g, 10 und 81 EG vereinbar, obgleich sie zeitlich und sachlich nahtlos an die vorangegangene vertragliche Bindung der Buchhändler an die von Verlegern festgesetzten Preise für Verlagserzeugnisse (Sammelreverssystem 1993) anschloss und dieses vertragliche System ersetzte?

II. Das Verfahren über den Revisionsrekurs wird bis zum Einlangen der Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Gemeinschaften gemäß § 90a Abs 1 GOG ausgesetzt.

Text

Begründung

I. Sachverhalt

Der klagende Verband ist der für die Buch- und Medienwirtschaft zuständige Bundesfachverband der Wirtschaftskammer Österreichs, dem über die Landesfachgruppen über 4000 Buchhändler und Verleger als Mitglieder angehören. Als zuständiger Fachverband für die Bekanntmachung der Mindestpreise gemäß § 4 Abs 2 des Bundesgesetzes über die Preisbindung bei Büchern (BGBl I 45/2000 - in der Folge nur: BPrBG) veröffentlicht er - auf der Website www.buchmarkt.at - die von Buchhändlern einzuhaltenden Letztverkaufspreise gemäß § 3 Abs 1 BPrBG zuzüglich Umsatzsteuer (in der Folge: österreichischer Mindestpreis). Der Kläger überwacht auch, ob Letztverkäufer bei der Werbung für den Absatz preisgebundener Bücher den Mindestpreis unterschreiten. Er brachte - weder im Haupt- noch im Provisorialverfahren - vor, es belegten bestimmte empirisch gesicherte Daten, dass sich die nationale gesetzliche Buchpreisbindung eigne, die nach § 1 BPrBG angestrebten Ziele zu erreichen.

Die Beklagte handelt ua mit Büchern; sie betreibt in Österreich über 200 Filialen. Etwa 80 % der von ihr im Inland vertriebenen Bücher erwirbt sie von Verlagen, die ihren Sitz im Ausland haben. Sie bewarb ab August 2006 den Verkauf preisgebundener, in Deutschland verlegter Bücher im Inland gegenüber Letztverbrauchern zu Preisen unter den für Österreich festgesetzten Mindestpreisen. Darunter war etwa das im August 2006 im Verlag Rowohlt erschienene Buch „Terrorist" von John Updike. Diesen Titel hatte die Beklagte direkt aus Deutschland importiert; dafür war ein veröffentlichter österreichischer Mindestpreis von 20,50 EUR festgesetzt. Die Beklagte bot das Buch zum Letztverkaufspreis von 19,90 EUR an. Das im deutschen Verlag Hanser im August 2006 erschienene Buch „Die Arbeit der Nacht" von Thomas Glavinic (veröffentlichter österreichischer Mindestpreis 22,10 EUR) wurde von ihr etwa zum Letztverkaufspreis von 21,50 EUR angeboten. Dieser Titel war einer von jenen, den die Beklagte über einen österreichischen Zwischenhändler erwarb.

Die Beklagte importiert weit mehr als die Hälfte der von ihr gehandelten, im Ausland verlegten Bücher selbst. Auch wenn sie Bücher von Importeuren mit Sitz in Österreich erwirbt, verhandelt sie ihre Einkaufspreise mit den ausländischen Verlegern oder deren Vertretern im Inland. Sie vereinbart mit jedem einzelnen Verlag die für das Folgejahr gültige Rabattstaffel. Diese wird durch das Gesamtvolumen der im Vorjahr bezogenen Bücher bestimmt. Der Beklagten werden keine Sonderrabatte für einzelne Buchtitel gewährt. Sie erhält jedoch einen Großhändlerrabatt. Kleinbuchhändlern werden von Verlegern geringere Rabatte gewährt.

II. Anträge und Vorbringen der Parteien

Die Klägerin beantragte unter anderem, der Beklagten mit einstweiliger Verfügung aufzutragen, es bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs zu unterlassen, gegenüber Letztverbrauchern für preisgebundene Bücher nach dem BPrBG Preise anzukündigen, die den festgesetzten österreichischen Mindestpreis (Letztverkaufspreis zuzüglich Umsatzsteuer) für das jeweils angebotene preisgebundene Buch unterschreiten. Die Beklagte bewerbe Bücher gegenüber Letztverbrauchern zu Preisen, die unter dem für sie jeweils veröffentlichten Mindestpreis nach dem BPrBG lägen. Sie verschaffe sich damit einen sittenwidrigen Wettbewerbsvorteil gegenüber gesetzestreuen Mitbewerbern (§ 1 UWG [Bundesgesetz gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl Nr 448/1984]).

Die Beklagte strebt die Abweisung des Sicherungsantrags an. Sie habe etwa auch beim Buch „Terrorist" von John Updike, einen Titel, den sie direkt aus Deutschland importiert habe, einen - auf Grund des Vorbringens nicht konkretisierten - Preisnachlass als Großhändlerin erhalten. Insofern habe sie jedenfalls nicht gegen das BPrBG verstoßen, weil dessen Ausnahmetatbestand nach § 3 Abs 3 BPrBG eingreife. Allgemein sei indes maßgebend, dass § 3 Abs 2 BPrBG der in der Gemeinschaft zu gewährleistenden Warenverkehrsfreiheit widerspreche, dürfe doch bei Bestimmung des Verkaufspreises für importierte Bücher in deutscher Sprache der im Exportstaat festgesetzte oder empfohlene Letztverkaufspreis abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer nicht unterschritten werden. Diese Regelung erschwere den Absatz solcher Bücher. Nur ein rein nationales Buchpreisbindungssystem für im Inland verlegte Bücher sei mit dem Grundsatz der Warenverkehrsfreiheit vereinbar.

Gemeinschaftsrechtswidrig sei ferner, dass die von ihr beim Einkauf von Büchern im EU-Ausland erzielten Preisvorteile, soweit sie rein formal nicht Importeur im Sinne des BPrBG sein sollte, nicht an Letztverbraucher im Inland weitergeben dürfe; dadurch sinke die Nachfrage für preisgebundene Bücher, sodass der Absatz solcher Bücher aus dem EU-Ausland behindert werde. Bedenklich sei überdies, dass nach § 5 Abs 1 BPrBG ein Rabatt an Letztverbraucher bis zu 5 % zulässig sei, jedoch gemäß § 5 Abs 2 BPrBG nicht beworben werden dürfe. Damit werde der Bucheinzelhandel gegenüber Großhändlern bevorzugt. Im filialisierten Einzelhandel, wie ihn die Beklagte betreibe, sei das Gewähren von Einzelrabatten wegen des zentralen Warenwirtschaftssystems nicht möglich, weil sämtliche Waren zur automatischen Einlesung mit Preisangaben und Strichcodes versehen seien. Diese Preise könnten an der Kasse einer einzelnen Filiale nicht geändert werden. Eine Behinderung des freien Warenverkehrs folge auch aus den unterschiedlichen Letztverkaufspreisen in Österreich und in Deutschland. Importeure seien gezwungen Preise festzusetzen, die von den Konsumenten als unvorteilhaft empfunden würden. So sei die Nachfrage bei einem Buch, das im Letztverkauf 19,90 EUR koste, überproportional höher als die Nachfrage für ein Buch um 20,50 EUR. Importeuren und Endverkäufern werde somit die Möglichkeit zur „psychologischen Preisgestaltung" genommen. Den freien Warenverkehr behindere weiters das Erfordernis einer Umetikettierung in Österreich. In Deutschland ergebe sich der dort verbindliche Letztverkaufspreis von Büchern aus einem bereits von den Verlagen auf der Ware angebrachten Preisetikett oder dieser Preis sei direkt auf Buchumschläge gedruckt. Die österreichische Buchpreisbindung erfordere das Entfernen oder Überkleben der Etiketten auf importierten Büchern. Dadurch könnten Bücher beschädigt und deshalb Konsumenten vom Kauf solcher Bücher abgehalten werden. Der mit dem Überkleben der Etiketten verbundene finanzielle Aufwand sei ein Nachteil für den Absatz importierter Bücher im Inland. Der gebotenen Warenverkehrsfreiheit widerspreche auch die gesetzliche Privilegierung des grenzüberschreitenden elektronischen Handels mit Büchern nach § 1 BPrBG. Darauf sei die nationale Buchpreisbindung nicht anzuwenden.

III. Bisheriges Verfahren

Das Erstgericht gab dem Sicherungsantrag statt. Nach dessen Ansicht verstieß die Beklagte gegen das BPrBG. Die nationale Buchpreisbindung als allfällige mittelbare Beschränkung des freien Warenverkehrs sei aus kulturellen Gründen und zur Erhaltung der Medienvielfalt gerechtfertigt.

Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung. Die von der Beklagten verletzten Bestimmungen des BPrBG seien mit dem Gemeinschaftsrecht vereinbar. Das BPrBG regle weder eine Einfuhrnoch eine Ausfuhrbeschränkung. Inländische Importeure könnten gemäß § 3 Abs 3 BPrBG überdies den im Ausfuhrmitgliedstaat erzielten Vorteil eines günstigeren Preises im Endverkaufspreis an Kunden weitergeben. Da die Preisbindung und die Rechtspflicht, sie zu beachten, nur die Gestaltungsfreiheiten beim Vertrieb deutschsprachiger Bücher in Österreich, aber nicht deren Herstellung beschränke, handle es sich um eine reine Verkaufsmodalität, die den freien Warenverkehr innerhalb der Gemeinschaft nicht behindere. Selbst im Fall einer Beurteilung der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung als Eingriff in die Warenverkehrsfreiheit wäre sie aus kulturellen Gründen und zur Erhaltung der Medien- und Titelvielfalt gerechtfertigt. Die Buchpreisbindung diene insofern zwingenden Erfordernissen, für die eine Gemeinschaftspolitik fehle. Sie werde unterschiedslos auf inländische und aus anderen Mitgliedstaaten importierte Waren angewendet. Im Sicherungsverfahren bedürfe es keines Nachweises, dass die erwünschte Anzahl an Büchern dann nicht verlegt werden könne, wenn sich der Letztverkaufspreis auf dem freien Markt bilde. Es sei vielmehr zu vermuten, dass die Buchpreisbindung die Medien- und Titelvielfalt fördere, weil sie Verlegern eine Mischkalkulation zwischen Bestsellern und weniger rentablen, aber literarisch anspruchsvollen Titeln ermögliche, Buchhändler ein breiteres Sortiment an Verlagserzeugnissen für den Konsumenten bereithielten und ein weiteres Netz kleinerer Buchhandlungen bestehen bleibe. Dadurch werde die angemessene Versorgung der Bevölkerung mit Büchern sichergestellt. Mit dem BPrBG werde auch nicht der gemeinschaftsrechtliche Grundsatz der Vertragstreue verletzt. Die Ausnahme von der Preisbindung gemäß § 3 Abs 3 BPrBG greife im Anlassfall auch nicht beim Buchtitel „Terrorist" von John Updike ein, den die Beklagte selbst importiert habe, mangle es doch an einem Vorbringen, welchen konkreten Einkaufspreisvorteil die Beklagte insofern erzielt habe.

Die Beklagte wendete sich gegen diese Entscheidung mit Revisionsrekurs, über den der Oberste Gerichtshof als letzte Instanz abzusprechen hat.

Rechtliche Beurteilung

IV. Nationales Recht

Das BPrBG lautet auszugsweise:

„Anwendungsbereich

§ 1. Dieses Bundesgesetz gilt für den Verlag und den Import sowie den Handel, mit Ausnahme des grenzüberschreitenden elektronischen Handels, mit deutschsprachigen Büchern und Musikalien. Es zielt auf eine Preisgestaltung ab, die auf die Stellung von Büchern als Kulturgut, die Interessen der Konsumenten an angemessenen Buchpreisen und die betriebswirtschaftlichen Gegebenheiten des Buchhandels Bedacht nimmt.

Begriffsbestimmungen

§ 2. Im Sinne dieses Bundesgesetzes ist

1. Verleger, wer die Herausgabe, das Herstellen und das Verbreiten einer Ware im Sinne des § 1 gewerbsmäßig übernimmt;

2. Importeur, wer eine Ware im Sinne des § 1 gewerbsmäßig zum Vertrieb nach Österreich einführt [...]

Preisfestsetzung

§ 3. (1) Der Verleger oder Importeur einer Ware im Sinne des § 1 ist verpflichtet, für die von ihm verlegten oder die von ihm in das Bundesgebiet importierten Waren im Sinne des § 1 einen Letztverkaufspreis festzusetzen und diesen bekannt zu machen.

(2) Der Importeur darf den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Letztverkaufspreis oder den von einem Verleger mit Sitz außerhalb eines Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) für das Bundesgebiet empfohlenen Letztverkaufspreis, abzüglich einer darin enthaltenen Umsatzsteuer, nicht unterschreiten.

(3) Ein Importeur, der Waren im Sinne des § 1 in einem Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) zu einem von den üblichen Einkaufspreisen abweichenden niedrigeren Einkaufspreis kauft, kann entgegen Abs. 2 den vom Verleger für den Verlagsstaat festgesetzten oder empfohlenen Preis, im Fall von Reimporten den vom inländischen Verleger festgesetzten Preis, im Verhältnis zum erzielten Handelsvorteil unterschreiten.

(4) Auf reimportierte Waren im Sinne des § 1 findet Abs. 3 keine Anwendung, wenn diese allein zum Zwecke ihrer Wiedereinfuhr ausgeführt worden sind, um dieses Bundesgesetz zu umgehen.

(5) Zum nach Abs. 1 bis 4 festgesetzten Letztverkaufspreis ist die für die Ware im Sinne des § 1 in Österreich geltende Umsatzsteuer hinzuzurechnen.

Preisbindung

§ 5. (1) Letztverkäufer dürfen bei Veräußerung von Waren im Sinne des § 1 an Letztverbraucher den nach § 3 festgesetzten Letztverkaufspreis höchstens bis zu 5 vH unterschreiten.

(2) Letztverkäufer dürfen im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs eine Unterschreitung des Letztverkaufspreises im Sinne des Abs. 1 nicht ankündigen.

(3) Die Verpflichtung nach Abs. 1 gilt nicht für Waren im Sinne des § 1, deren Letztverkaufspreis vor mehr als 24 Monaten zum ersten Mal gemäß § 4 bekannt gemacht wurde und deren Lieferzeitpunkt länger als sechs Monate zurückliegt.

(4) Das Vorliegen der Voraussetzungen nach Abs. 3 ist vom Letztverkäufer nachzuweisen.

Handlungen gegen die Preisfestsetzung und Preisbindung

§ 7. (1) Handlungen gegen § 3 Abs. 1 bis 4, § 4 Abs. 1 sowie gegen § 5 Abs. 1 bis 3 gelten als Handlungen im Sinne des § 1 des Bundesgesetzes gegen den unlauteren Wettbewerb, BGBl. Nr. 448/1984, in der jeweils geltenden Fassung."

V. Gemeinschaftsrecht

A. Freiheit des Warenverkehrs

1. Nach der Rechtsprechung des EuGH ist jede Maßnahme, die geeignet ist, den Handel zwischen den Mitgliedstaaten unmittelbar oder mittelbar, tatsächlich oder potentiell zu behindern, eine Maßnahme mit gleicher Wirkung wie eine mengenmäßige Einfuhrbeschränkung (EuGH 11. 7. 1974 Rs 8/74 , Slg 1974, 837 - Benoit/Dassonville). Insbesondere staatliche Preisregelungen sind geeignet, im Wege von Auswirkungen auf die Wettbewerbschancen von Importgütern deren Einfuhr zu beeinträchtigen (EuGH 24. 1. 1978 Rs 82/77 , Slg 1978, 25 - Staatsanwaltschaft Niederlande/Van Tiggele). Der EuGH hält Vorschriften darüber, dass Waren auf bestimmte Art bezeichnet, zusammengesetzt, aufgemacht, etikettiert, verpackt etc sein müssen, auch dann für verbotene Maßnahmen gleicher Wirkung nach Art 28 EG, wenn sie unterschiedslos für alle Erzeugnisse gelten, sofern sie nicht durch einen Zweck im Allgemeininteresse gerechtfertigt sind und so den Erfordernissen des freien Warenverkehrs vorgehen. Allerdings fallen allgemein geltende, bestimmte Verkaufsmodalitäten, obgleich von ihnen ausgehende beschränkende Wirkungen auf den Warenverkehr zumindest nicht ausgeschlossen werden können, unter bestimmten Voraussetzungen nicht unter die Maßnahmen gleicher Wirkung nach Art 28 EG. Insofern sind dann zwingende Erfordernisse oder Gründe nach Art 30 EG nicht mehr von Belang (EuGH 24. 11. 1993 C-267/91 und C-268/91 - Keck und Mithouard, Slg 1993, I-6097).

2. Damit eine Vorschrift unter diese Rechtsprechung fällt, muss sie folgende Kriterien erfüllen:

a) Sie darf nicht zu „produktbezogenen" Vorschriften gehören, durch die Waren in Bezeichnung, Form, Abmessung, Gewicht, Zusammensetzung, Aufmachung, Etikettierung oder Verpackung näher bestimmt werden;

b) sie muss für alle betroffenen Wirtschaftsteilnehmer gelten, die ihre Tätigkeit im Inland ausüben, weil mit dem freien Warenverkehr nur diskriminierungsfreie Vorschriften vereinbar sind;

c) sie muss den Absatz der inländischen Erzeugnisse und der Erzeugnisse aus anderen Mitgliedsstaaten rechtlich und tatsächlich in gleicher Weise berühren, um eine Schlechterstellung eingeführter Waren auszuschließen (Müller-Graff in von der Groeben/Schwarze, Kommentar zum Vertrag über die EU und zur Gründung der EG Art 28 EG Rz 248, 253, 257, 258).

Es bestehen Zweifel, ob die nationale gesetzliche Preisbindung für Bücher in deutscher Sprache den soeben bezeichneten gemeinschaftsrechtlichen Vorgaben - insbesondere jenen nach lit a) und c) - entspricht.

B. Wettbewerbs- und kartellrechtliche Aspekte

Eine gesetzliche Regelung ist gemeinschaftsrechtswidrig und verstößt gegen die Art 3 lit g, 10 und 81 EG, wenn ein Mitgliedstaat dadurch die Auswirkungen einer Kartellabsprache verstärkt (grundlegend EuGH 21. 9. 1988 Rs 267/86 , Slg 1988, 4769 - Van Eycke/NV ASPA Rn 16). Eine solche Verstärkung von Kartellabsprachen liegt etwa dann vor, wenn die Absprache durch die staatliche Maßnahme eine Allgemeinverbindlichkeit erhält (EuGH 30. 1. 1985 Rs 123/83 , Slg 1985, 391 - BNIC/Clair Rn 17, 23), wenn der Staat den beteiligten Unternehmen die Einhaltung der vereinbarten Verpflichtungen vorschreibt (EuGH 1. 10. 1987 Rs 311/85 , Slg 1987, 3801 - Vlaamse Reisbureaus/A.S.B.L. Rn 23), oder wenn die Regelung sich darauf beschränkt, Elemente der betreffenden Kartellvereinbarung ganz oder teilweise zu übernehmen (EuGH 21. 9. 1988 Rs 267/86 , Slg 1988, 4769 - Van Eycke/NV ASPA Rn 18).

VI. Vorlagefragen

1. Hier ist eine nationale gesetzliche Preisregelung für bestimmte Waren im Zusammenhang mit Importen zu beurteilen. Der Sachverhalt hat daher einen grenzüberschreitenden Bezug. Die aufgeworfenen Fragen nach einer allfälligen Verletzung von Gemeinschaftsrecht wegen der durch das BPrBG angeordneten Preisbindung für bestimmte Importwaren ist als Vorfrage der zu beurteilenden Hauptfrage, ob die Beklagte im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs unlauter handelte, zu lösen.

2. Die Frage, ob und allenfalls mit welchen Einschränkungen ein grenzüberschreitendes nationales gesetzliches Preisbindungssystem lediglich für Bücher in deutscher Sprache gemeinschaftsrechtlich zulässig ist, wurde vom EuGH bisher nicht beantwortet. Die nationale französische Buchpreisbindung wurde deshalb als diskriminierend beurteilt, weil sie einem bestimmten Importeur (dem Hauptdepositär) erlaubte, den Verkaufspreis des von ihm importierten Buchs mit der Wirkung festzulegen, dass alle anderen Importeure desselben Buchs - unabhängig von ihrem eigenen Einstandspreis - daran gebunden waren (EuGH 10. 1. 1985 Rs 229/83 - Leclerc/S.A. Thouars, Slg 1985, 1; im Grundsätzlichen bestätigt durch EuGH 3. 10. 2000 Rs C-9/99 - Échirolles/Association du Dauphiné, Slg 2000, I-8207). Allein dieses Problem scheint mit § 3 Abs 3 BPrBG vermieden.

3. Nach Stimmen im österreichischen Schrifttum entspricht die nationale Regelung der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung nicht Vorgaben des Gemeinschaftsrechts (Berka/Eilmansberger, Das Buchpreisbindungsgesetz auf dem Prüfstand des Verfassungsrechts und Gemeinschaftsrechts, wbl 2007, 205; Heidinger, Gemeinschaftsrechtliche Aspekte der grenzüberschreitenden Buchpreisbindung, MR 2006, 299). Berka/Eilmansberger beurteilen die nationale Buchpreisbindung auch dahin, dass sie als Verstärkung einer kartellrechtswidrigen Absprache einen Verstoß gegen Art 3 lit g, 10 und 81 EG bilden könnte. Die Rechtsmittelwerberin machte sich die Argumente der bezeichneten Autoren zu eigen. Sie lassen sich wie folgt kurz zusammenfassen:

Das BPrBG gelte nur für deutschsprachige Bücher und sei daher eine mit Art 28 EG unvereinbare diskriminierende Sonderregelung für Waren aus einem bestimmten Mitgliedstaat. Art 30 EG enthalte keinen Rechtfertigungsgrund für eine diskriminierende gesetzliche Preisbindung von Büchern. Die Preisbindung sei überdies eine Verkaufsmodalität, die in die Warenverkehrsfreiheit eingreife, weil dadurch der Absatz importierter Bücher stärker belastet werde als jener der im Inland verlegten Bücher. Die Verpflichtung zur Übernahme des für den Verlagsstaat festgesetzten Preises könne dazu führen, dass bei bestimmten Büchern die Transportkosten nicht vollständig gedeckt seien, was den Importanreiz verringere. Verleger und Importeure könnten bei der Preisfestsetzung für den österreichischen Markt nicht auf das nationale Marktumfeld reagieren. Sie könnten etwa nicht berücksichtigen, dass ein bestimmtes Buch im Inland auf ein besonders starkes Konkurrenzprodukt treffe. Schließlich führten die unterschiedlichen Mehrwertsteuersätze in Deutschland und Österreich im Inland zwangsläufig zu geringfügig höheren - oft über kaufpsychologisch relevanten Schwellen liegenden - Bruttoverkaufspreisen. Als Rechtfertigungsgrund einer in die Warenverkehrsfreiheit eingreifenden Verkaufsmodalität kämen zwar zwingende Erfordernisse im Allgemeininteresse in Betracht, die rechtzufertigenden Maßnahmen müssten aber zur Zielerreichung auch geeignet und angemessen sein. Das sei - folge man Untersuchungen der deutschen Monopolkommission und der schweizerischen Wettbewerbskommission - für die Ziele der Förderung der Buchproduktion und einer Titelvielfalt zweifelhaft. In wettbewerbsrechtlicher Hinsicht setze das am 30. 6. 2000 in Kraft getretene BPrBG zeitlich und sachlich nahtlos die kartellrechtlich bedenkliche Preisbindung des Sammelreverssystems 1993 (Bindung der Buchhändler an die von den Verlagen festgesetzten Preise für Verlagserzeugnisse - ausgelaufen am 1. 7. 2000) fort und wandle sie - zu deren „Rettung" - in eine gesetzliche Regelung um. Österreich habe demnach die Auswirkungen einer Kartellabsprache durch einen Akt der Gesetzgebung verstärkt und die Wettbewerbsvorschriften des Gemeinschaftsrechts insofern ihrer praktische Wirkung entkleidet; das verstoße gegen die Art 3 lit g, 10 und 81 EG.

4. Ein Vorabentscheidungsverfahren wäre nur dann entbehrlich, wenn die Übereinstimmung des nationalen BPrBG mit dem Gemeinschaftsrecht so eindeutig wäre, dass für vernünftige Zweifel kein Raum bliebe. Davon kann jedoch angesichts der voranstehenden Ausführungen keine Rede sein.

5. Der Ausspruch über die Aussetzung des Verfahrens über den Revisionsrekurs gründet sich auf § 90a Abs 1 GOG.

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