OGH 10ObS134/07i

OGH10ObS134/07i6.11.2007

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden, die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger und Dr. Hoch sowie die fachkundigen Laienrichter DI Rudolf Pinter (aus dem Kreis der Arbeitgeber) und AR Angelika Neuhauser (aus dem Kreis der Arbeitnehmer) als weitere Richter in der Sozialrechtssache der klagenden Partei Ing. Erich W*****, ohne Beschäftigung, *****, vertreten durch Dr. Johannes Grund und Dr. Wolf D. Polte, Rechtsanwälte in Linz, gegen die beklagte Partei Pensionsversicherungsanstalt, 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, vertreten durch Dr. Vera Kremslehner und andere Rechtsanwälte in Wien, wegen Berufsunfähigkeitspension, infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht in Arbeits- und Sozialrechtssachen vom 3. Juli 2007, GZ 11 Rs 56/07w-38, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichtes Steyr als Arbeits- und Sozialgericht vom 10. Jänner 2007, GZ 24 Cgs 120/05a-34, teilweise abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Revision der beklagten Partei wird zurückgewiesen. Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 333,12 (darin enthalten EUR 55,52 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Im Vorverfahren 24 Cgs 173/02s des Erstgerichtes war das auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension ab 1. 2. 2002 gerichtete Klagebegehren des Klägers vom Erstgericht mit rechtskräftigem Urteil vom 29. 6. 2004 mit der Begründung abgewiesen worden, dass der am 30. 9. 1946 geborene Kläger nicht berufsunfähig iSd § 273 Abs 1 ASVG sei. In diesem Verfahren war unter anderem ein neurologisch-psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Dr. D***** vom 19. 2. 2003 eingeholt worden, wonach der Kläger unter anderem nach einem jahrzehntelangen schädlichen Gebrauch von Alkohol an einer Alkoholabhängigkeit leide. Nach den wesentlichen Ausführungen im Gutachten sei es im Rahmen eines Krankenhausaufenthaltes im Herbst 2003 zum Auftreten eines Alkoholentzugssyndroms gekommen, welches entsprechend behandelt worden sei. Mittlerweile habe sich diese Problematik wieder entschärft, weil vom Kläger auch abstinente Phasen eingehalten würden. Dem Kläger sei durchaus zuzumuten, dass er das Problem Alkohol realistisch einschätze; auch eine professionelle Entwöhnung wäre ihm zumutbar. Bei Durchführung einer professionellen Alkoholentwöhnung sei mit einer weiteren Verschlechterung und Zunahme der Abhängigkeit nicht zu rechnen. Mit einer wesentlichen Besserung sei aber (auch) nicht zu rechnen.

Der Kläger wäre aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten nach Vorliegen dieses Gutachtens des Sachverständigen Dr. D***** im Vorverfahren in der Lage gewesen, die Notwendigkeit einer Alkoholentzugsbehandlung einzusehen. Er war allerdings subjektiv der Meinung, dass ihm „das persönlich nichts bringt" und er das „Alkoholproblem" noch selbst beherrschen könne.

Mit Bescheid der beklagten Partei vom 20. 4. 2005 wurde der neuerliche Antrag des Klägers vom 9. 3. 2005 auf Gewährung einer Berufsunfähigkeitspension mangels Berufsunfähigkeit abgelehnt. Dagegen erhob der Kläger rechtzeitig Klage, zuletzt mit dem Begehren auf Gewährung einer befristeten Berufsunfähigkeitspension für die Zeit vom 1. 4. 2005 bis 30. 6. 2006.

Die beklagte Partei beantragte die Abweisung des Klagebegehrens und wendete in der Tagsatzung am 16. 2. 2006 insbesondere ein, der Kläger habe seine Mitwirkungspflicht verletzt, weil er sich trotz Kenntnis des Gutachtens des Sachverständigen Dr. D***** vom 19. 2. 2003 keiner Entwöhnungsbehandlung unterzogen habe.

Der Kläger hielt dem entgegen, er habe sich laufend in ärztlicher Behandlung befunden. So habe er sich in den Jahren 2002 bis 2006 auch wiederholt stationär im Krankenhaus befunden und alle ihm empfohlenen Behandlungen vorgenommen. Die Notwendigkeit weiterer Behandlungen habe er nicht erkennen können. Im Übrigen habe ihn die beklagte Partei nicht auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen und kein - zur Begründung einer Mitwirkungspflicht erforderliches - Verlangen gestellt. Erst durch das Vorbringen der beklagten Partei in der Tagsatzung vom 16. 2. 2006 sei er auf seine Mitwirkungspflicht hingewiesen worden. Zu diesem Zeitpunkt habe er bereits eine ambulante Alkoholentwöhnungstherapie absolviert, welche in der Folge dazu geführt habe, dass er seit einiger Zeit wieder abstinent sei. Eine stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung wäre nicht sinnvoll gewesen.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es stellte im Wesentlichen noch fest, dass beim Kläger zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den neurologisch-psychiatrischen Sachverständigen Univ.-Doz. Dr. Hans-Peter H***** im gegenständlichen Verfahren im August 2005 noch ein Alkoholabhängigkeitssyndrom bestand. Der Kläger trank damals mindestens einen Liter Wein täglich, eine Entzugsbehandlung lehnte er allerdings ab. Er nahm zwar ein Antidepressivum, eine regelmäßige fachärztliche Betreuung zur Optimierung sowohl der medikamentösen als auch der sonstigen Therapiemaßnahmen (Psychotherapie) hatte bis dahin jedoch nicht stattgefunden. Die dem Kläger zumutbaren standardmäßigen Therapiemaßnahmen (medikamentöse Therapie sowie Psychotherapie) waren nicht ausgeschöpft. Der Sachverständige Univ.-Doz. Dr. Hans-Peter H***** leitete daraus ab, dass nach Inanspruchnahme der entsprechenden Behandlungsmaßnahmen eine signifikante Chance auf Verbesserung des Leidenszustandes (Alkoholerkrankung und Depression) bestehe. Die vom Sachverständigen in seinem Ergänzungsgutachten vom 26. 12. 2005 als unabdingbare Voraussetzung für einen Therapieerfolg genannte stationäre Entzugsbehandlung ließ der Kläger nicht durchführen. Er hält allerdings seit Februar 2006 eine Alkoholabstinenz ein und nimmt seit März 2006 an einem regelmäßigen ambulanten Behandlungsprogramm in einem Therapiezentrum teil. Darüber hinaus befindet er sich seit März 2006 in Behandlung eines Facharztes für Neurologie und Psychiatrie.

Auch bei Beachtung der vom Erstgericht näher festgestellten Einschränkungen im medizinischen Leistungskalkül des Klägers war im Zeitraum ab Stichtag (1. 4. 2005) bis zur erfolgreichen Alkoholentwöhnung (etwa Mai 2006) mit hoher Wahrscheinlichkeit mit Krankenständen von insgesamt zehn Wochen jährlich zu rechnen. Nach erfolgreicher Alkoholentwöhnung war beim Kläger mit hoher Wahrscheinlichkeit mit leidensbedingten Krankenständen von insgesamt drei Wochen jährlich zu rechnen.

In rechtlicher Hinsicht gelangte das Erstgericht zu dem Ergebnis, dass der Kläger schuldhaft seine bereits aus dem Gutachten des Sachverständigen Dr. D***** im Vorverfahren erkennbare Mitwirkungspflicht verletzt habe, weil er die darin zur Aufrechterhaltung seiner Arbeitsfähigkeit und zur Hintanhaltung einer weiteren Verschlechterung als erforderlich angesehene Entwöhnungsbehandlung nicht durchgeführt habe. Daran könne auch der Umstand, dass der Kläger von der beklagten Partei zur Vornahme dieser Heilbehandlung nicht aufgefordert worden sei, nichts ändern, da sich eine solche Verpflichtung der beklagten Partei nur auf den - hier nicht vorliegenden - Fall einer Pensionsentziehung beziehe. Das Berufungsgericht gab der Berufung des Klägers teilweise Folge, indem es das Klagebegehren für die Zeit vom 1. 4. 2005 bis 31. 5. 2006 dem Grunde nach als zu Recht bestehend erkannte, der beklagten Partei bis zur Erlassung des die Höhe der Leistung festsetzenden Bescheides die Erbringung einer vorläufigen Zahlung für diesen Zeitraum auftrug und das darüber hinausgehende Mehrbegehren auf Gewährung der Berufsunfähigkeitspension im gesetzlichen Ausmaß auch für den Monat Juni 2006 abwies. Es gelangte nach ausführlicher Darstellung der einschlägigen höchstgerichtlichen Rechtsprechung zu dem Ergebnis, dass der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 188/04a - in Abkehr von seiner bisherigen Rechtsprechung - erstmals ausgesprochen habe, dass die Pflicht des Versicherten, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers voraussetze. Dieser Grundsatz habe nach Ansicht des Berufungsgerichtes nicht nur im Fall des Entzuges einer Leistung nach § 99 ASVG, sondern auch im Gewährungsfall zu gelten. Da die beklagte Partei im Vorverfahren ein entsprechendes Verlangen nach Durchführung einer professionellen Alkoholentwöhnung gegenüber dem Kläger nicht gestellt habe, sei eine diesbezügliche Mitwirkungspflicht nicht entstanden, weshalb sich die beklagte Partei nunmehr auch nicht mit Erfolg auf eine Verletzung einer Mitwirkungspflicht durch den Kläger berufen könne. Da beim Kläger im Zeitraum vom 1. 4. 2005 bis einschließlich Mai 2006 mit hoher Wahrscheinlichkeit mit leidensbedingten Krankenständen von zehn Wochen jährlich zu rechnen gewesen sei, sei er in diesem Zeitraum vom allgemeinen Arbeitsmarkt ausgeschlossen und damit berufsunfähig iSd § 273 Abs 1 ASVG gewesen.

Das Berufungsgericht sprach aus, dass die ordentliche Revision gegen seine Entscheidung zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung 10 ObS 188/04a von seiner bisherigen gegenteiligen Judikatur nicht ausdrücklich abgegangen sei. Gegen den stattgebenden Teil dieser Entscheidung richtet sich die Revision der beklagten Partei wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil im Sinne einer gänzlichen Abweisung des Klagebegehrens abzuweisen. Hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Der Kläger beantragt, der Revision keine Folge zu geben. Die Revision ist im Hinblick auf die mittlerweile ergangene Entscheidung des Obersten Gerichtshofes vom 11. 9. 2007, 10 ObS 88/07z, welche die auch hier zu beantwortende Rechtsfrage zum Gegenstand hatte, unzulässig.

Nach zutreffender Rechtsansicht der Revisionswerberin ist im vorliegenden Fall vor allem die Rechtsfrage zu beurteilen, ob ein ausdrückliches Verlangen des Versicherungsträgers an den Versicherten, sich einer Heilbehandlung zur Besserung seines Gesundheitszustandes zu unterziehen, in jedem Fall erforderlich ist oder auf den Anwendungsbereich des § 99 Abs 2 ASVG (Entziehung einer Leistung) als Sondernorm beschränkt bleibt. Sie verweist auf die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach der Versicherte verpflichtet sei, von sich aus alles zu unternehmen, um seinen Gesundheitszustand durch eine entsprechende medizinische Behandlung zu verbessern. Dabei sei nicht darauf abzustellen, ob dem Versicherten die Möglichkeit einer ärztlichen Behandlung von dritter Seite mitgeteilt worden sei, sondern ob er bei Einhaltung der ihm obliegenden Verpflichtungen zur Inanspruchnahme der erforderlichen Krankenbehandlung hievon habe Kenntnis erlangen können. Demgegenüber habe der Oberste Gerichtshof in der Entscheidung 10 ObS 188/04a die Ansicht vertreten, dass die Pflicht des Versicherten, sich einer Heilbehandlung zu unterziehen, ein entsprechendes Verlangen des Versicherungsträgers voraussetze. Dieser Ansicht könne nur für den Fall der Entziehung einer Leistung gefolgt werden, da der dem § 99 ASVG innewohnende Schutzcharakter des Weiterbezuges einer unbefristeten Leistung ein aktives Tätigwerden des Versicherungsträgers erfordere. Der Schlussfolgerung des Berufungsgerichtes, der in der Entscheidung 10 ObS 188/04a ausgesprochene Grundsatz sei auf alle Pensionsfälle, insbesondere auch auf den hier vorliegenden Fall der beantragten Gewährung einer Pensionsleistung, anzuwenden, könne hingegen nicht gefolgt werden. Gerade der Umstand, dass der Gesetzgeber in § 99 Abs 2 ASVG im Zusammenhang mit der Entziehung von Leistungsansprüchen ausdrücklich normiert habe, dass die Leistung auf Zeit ganz oder teilweise entzogen werden könne, wenn sich der Anspruchsberechtigte nach Hinweis auf diese Folge einer Nachuntersuchung oder Beobachtung entziehe, in anderen die Erst- bzw Weitergewährung einer Leistung betreffenden Bestimmungen jedoch eine solche ausdrückliche Norm fehle, lasse den Schluss zu, der Gesetzgeber habe ein ausdrückliches Verlangen des Versicherungsträgers nur auf die Fälle der Entziehung von Leistungsansprüchen beschränkt wissen wollen. Da der Kläger durch Zustellung des Gutachtens des Sachverständigen Dr. D***** vom 19. 2. 2003 im Vorverfahren von der in diesem Gutachten vom Sachverständigen vertretenen Ansicht in Kenntnis gesetzt worden sei, dass bei Durchführung einer professionellen Alkoholentwöhnung mit einer weiteren Verschlechterung und Zunahme der Abhängigkeit nicht zu rechnen sei, er aufgrund seiner intellektuellen Fähigkeiten in der Lage gewesen wäre, die Notwendigkeit einer Alkoholentzugsbehandlung einzusehen, und er sich dennoch dieser Alkoholentwöhnung nicht unterzogen habe, habe er seine Mitwirkungspflicht verletzt.

Rechtliche Beurteilung

Dazu ist Folgendes auszuführen:

Nach ständiger Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes (SSV-NF 2/33, 4/23 uva) bestehen für das österreichische Sozialversicherungsrecht - anders als nach dem Recht der Bundesrepublik Deutschland - keine allgemeinen Normen über die Mitwirkungs- und Duldungspflicht des Versicherten, doch lässt sich, abgeleitet aus einer Vielzahl von Einzelregelungen (vgl §§ 88 Abs 1, 99 Abs 2, 142 Abs 1, 144 Abs 2 iVm 143 Abs 6, 197 Abs 1, 305 iVm 307b, 366 Abs 1 ASVG), auch für das österreichische Sozialversicherungsrecht eine solche Verpflichtung des Versicherten ableiten. Diese für den Bereich des Sozialversicherungsrechts bestehenden Duldungs- und Mitwirkungspflichten bezüglich medizinischer Eingriffe sind aus den Bestimmungen über die Schadensminderungspflicht im Bereich des bürgerlichen Rechts abgeleitet, wobei die Grenze der Zumutbarkeit einer Krankenbehandlung in den Fällen überschritten wird, in denen für den deutschen Rechtsbereich § 65 SGB I eine Ausnahme von der dort durch andere Bestimmungen allgemein angeordneten Untersuchungs- und Behandlungspflicht statuiert (SSV-NF 4/23 ua).

Es trifft zu, dass der Oberste Gerichtshof in der vom Berufungsgericht zitierten, vor der Entscheidung 10 ObS 188/04a ergangenen Judikatur zur Frage des Entstehens der Mitwirkungspflicht des Versicherten grundsätzlich die Ansicht vertreten hat, dass der Versicherte verpflichtet sei, von sich aus alles zu unternehmen, um seinen Gesundheitszustand durch eine entsprechende medizinische Behandlung zu verbessern. Abzustellen sei hier nicht darauf, ob dem Versicherten die Möglichkeit einer ärztlichen Behandlung von dritter Seite mitgeteilt werde, sondern ob er bei Einhaltung der ihm obliegenden Verpflichtungen zur Inanspruchnahme der erforderlichen Krankenbehandlung hievon Kenntnis habe erlangen können (vgl SSV-NF 13/122 ua). Dass sich die Frage, wann die Mitwirkungspflicht des Versicherten entsteht, letztlich nur einzelfallbezogen beurteilen lässt, zeigt auch die weitere Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes, wonach es bei der Frage der Zumutbarkeit eines operativen Eingriffes zunächst auf den Zeitpunkt ankomme, zu dem der Versicherte erstmals die Zweckmäßigkeit und Zumutbarkeit der Operation ernstlich in Betracht ziehen habe müssen. Ab diesem Zeitpunkt müsse dem Versicherten in der Regel eine angemessene Frist zur Überlegung und Vorbereitung eingeräumt werden, sodass erst nach Ablauf dieser Frist den Versicherten die Nichtvornahme einer zumutbaren Operation als Verschulden vorgeworfen werden könne, welches zum Verlust des versicherungsrechtlichen Anspruches für die Zeit der Verzögerung führe (SSV-NF 6/14). Weiters hat der Oberste Gerichtshof ausgesprochen, dass dem Versicherten eine Verletzung der Mitwirkungspflicht nicht vorgeworfen werden könne, solange er eine vom Arzt angeordnete Therapie einhalte. Es könne von ihm nicht verlangt werden, dass er die Richtigkeit einer Behandlungsmethode in Zweifel ziehe und von sich aus nach anderen, möglicherweise zweckmäßigeren Therapiemöglichkeiten forsche (SSV-NF 5/42). Die schuldhafte Verletzung der Mitwirkungspflicht sei vom beklagten Pensionsversicherungsträger zu behaupten und zu beweisen (SSV-NF 15/69 ua).

Zu der hier entscheidungswesentlichen Frage, ob für das Entstehen

einer Mitwirkungspflicht des Versicherten darüber hinaus eine

entsprechende Aufforderung durch den Versicherungsträger notwendig

sei, hat der Oberste Gerichtshof im Fall der Entziehung einer

Versehrtenrente darauf hingewiesen, dass nach § 99 Abs 2 ASVG die

Leistung auf Zeit ganz oder teilweise entzogen werden könne, wenn

sich der Anspruchsberechtigte nach Hinweis auf diese Folge einer

Nachuntersuchung oder Beobachtung entziehe. Es müsse daher dem

Leistungsempfänger die Aufforderung zur Nachuntersuchung oder

Beobachtung unter Hinweis auf die sonstige Entziehung der Leistung zu

eigenen Handen zugestellt werden (SSV-NF 9/27). In der Entscheidung

10 ObS 188/04a (= EvBl 2006/90, 502 = RdW 2006/421, 457) hat der

erkennende Senat unter Berufung auf Schrammel (Anm zu 10 ObS 90/91,

DRdA 1992/8, 120) mit ausführlicher Begründung erstmals

ausgesprochen, dass die Pflicht des Versicherten, sich einer

Heilbehandlung zu unterziehen, generell ein entsprechendes Verlangen

des Versicherungsträgers voraussetzt. Diese Auffassung entspricht im

Übrigen auch der deutschen Rechtslage, auf die der Oberste

Gerichtshof, wie bereits dargestellt, auch in seiner Judikatur zur

Frage der Grenzen der Mitwirkungspflicht (§ 65 SGB I) immer wieder

Bedacht nimmt. Nach § 63 SGB I soll sich derjenige, der wegen

Krankheit oder Behinderung Sozialleistungen beantragt oder erhält,

auf Verlangen des zuständigen Leistungsträgers einer Heilbehandlung

unterziehen, wenn zu erwarten ist, dass sie eine Besserung seines

Gesundheitszustandes herbeiführen oder eine Verschlechterung

verhindern wird. Durch die Aufforderung, sich einer Heilbehandlung zu

unterziehen, legt der Sozialversicherungsträger die äußeren Umstände

der von ihm vom Versicherten im Rahmen der Mitwirkungspflicht

verlangten Heilbehandlung fest. Damit wird auch für den Versicherten

klargestellt, welche konkrete Heilbehandlung (im vorliegenden Fall zB

ambulante oder stationäre Entwöhnungsbehandlung) vom

Versicherungsträger verlangt wird. Stellt sich - wie im vorliegenden

Fall - in einem gerichtlichen Verfahren aufgrund eines

Sachverständigenbeweises heraus, dass ein Leidenszustand durch eine

Heilbehandlung verbessert werden könnte, ist der Versicherte vom

Versicherungsträger zur Mitwirkung aufzufordern (10 ObS 188/04a =

EvBl 2006/90, 502 = RdW 2006/421, 457 unter Hinweis auf Schrammel,

DRdA 1992, 123).

In der erst jüngst ergangenen Entscheidung 10 ObS 88/07z vom 11. 9. 2007 hat der erkennende Senat ausgesprochen, dass bei der Frage der Mitwirkungspflichten des Versicherten kein grundsätzlicher Unterschied zwischen Gewährung und Entziehung einer Leistung besteht, weshalb entgegen der Rechtsansicht der Revisionswerberin die dargestellten Grundsätze auch im Falle der Erst- oder Weitergewährung einer Leistung zu gelten haben. Die Beurteilung des Berufungsgerichtes, dass mangels eines entsprechenden Verlangens der beklagten Partei, der Kläger solle sich entsprechend dem im Vorverfahren eingeholten Sachverständigengutachten einer professionellen Alkoholentwöhnung unterziehen, eine Mitwirkungspflicht des Klägers nicht entstanden sei, sodass ihm die begehrte Leistung für den Zeitraum vom 1. 4. 2005 bis 31. 5. 2006 zustehe, steht daher im Einklang mit der aktuellen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes. Da im Hinblick auf die mittlerweile vorliegende einschlägige Entscheidung 10 ObS 88/07z eine erhebliche Rechtsfrage iSd § 502 Abs 1 ZPO nicht mehr zu beurteilen war, war die Revision zurückzuweisen (vgl Zechner in Fasching/Konecny² IV/1 § 502 Rz 32 mwN).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO. Der Kläger konnte in seiner Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision im Hinblick auf die erst jüngst ergangene Entscheidung 10 ObS 88/07z noch nicht hinweisen.

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