OGH 2Ob78/07w

OGH2Ob78/07w18.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Baumann als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.-Prof. Dr. Danzl, Dr. Veith, Dr. Grohmann und Dr. Nowotny als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Sabine G*****, ***** vertreten durch Dr. Norbert Bergmüller, Rechtsanwalt in Schladming, gegen die beklagten Parteien 1. Marcel E*****, *****, 2. Inka E*****, ***** 3. G***** Versicherung AG, ***** alle vertreten durch Dr. Klaus Fürlinger, Dr. Christoph Arbeithuber, Rechtsanwälte in Linz, wegen restlich EUR 18.300 sA (Revisionsinteresse EUR 11.000), über die Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichtes Linz als Berufungsgericht vom 18. Dezember 2006, GZ 6 R 181/06i-115, womit das Urteil des Landesgerichtes Linz vom 20. Juni 2006, GZ 5 Cg 182/00k-109, abgeändert wurde, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

1) Die Parteibezeichnung der drittbeklagten Partei wird auf „G***** Versicherung AG" berichtigt.

2) Die Revision wird zurückgewiesen.

Die beklagten Parteien sind zur ungeteilten Hand schuldig, der klagenden Partei die mit EUR 789,91 (darin enthalten EUR 131,65 USt) bestimmten Kosten der Revisionsbeantwortung binnen 14 Tagen zu bezahlen.

Text

Begründung

Zu 1): Aus dem offenen Firmenbuch ergibt sich, dass die vormals drittbeklagte Partei I***** Versicherung Aktiengesellschaft (FN *****) als übertragende Gesellschaft mit der G***** Versicherung AG (FN *****) als übernehmender Gesellschaft verschmolzen wurde. Dies bewirkt Gesamtrechtsnachfolge (§ 219 AktG) und ist ein Fall der Berichtigung der Parteibezeichnung gemäß § 235 Abs 5 ZPO (RIS-Justiz RS0039530).

Zu 2): Die Klägerin begehrte für Verletzungen, die sie als Beifahrerin durch den am 30. 9. 1997 vom Erstbeklagten alleine verschuldeten Verkehrsunfall erlitten habe, unter Abzug bereits erfolgter Zahlungen ein Restschmerzengeld von EUR 18.300. Das Erstgericht sprach der Klägerin EUR 500 sA zu und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge und sprach ihr EUR 11.500 sA zu und wies das Mehrbegehren ab. Es ging dabei von einem insgesamt gerechtfertigten Schmerzengeld von EUR 15.000 aus. Das Berufungsgericht sprach gemäß § 508 Abs 3 ZPO aus, die ordentliche Revision sei zulässig, weil eine korrekturbedürftige Überschreitung des dem Berufungsgericht eingeräumten Ermessensspielraums bei der Schmerzengeldbemessung insbesondere im Hinblick auf die Entscheidungen 2 Ob 120/02i und 9 Ob 147/00h nicht auszuschließen sei.

Die Revision der beklagten Parteien ist unzulässig.

Rechtliche Beurteilung

Die Zurückweisung einer ordentlichen Revision wegen Fehlens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO kann sich auf die Ausführung der Zurückweisungsgründe beschränken (§ 510 Abs 3 letzter Satz ZPO).

Die Bemessung der Höhe des Schmerzengeldes stellt mit Ausnahme einer eklatanten Fehlbemessung, die völlig aus dem Rahmen der ständigen oberstgerichtlichen Rechtsprechung fällt, regelmäßig keine Rechtsfrage im Sinn des § 502 Abs 1 ZPO dar (RIS-Justiz RS0042887 [T2, 5]).

Aus den vom Berufungsgericht in seiner Zulassungsbegründung angeführten Entscheidungen kann jedoch keine eklatant überhöhte Fehlbemessung des Schmerzengeldes abgeleitet werden. In 2 Ob 120/02i = ZVR 2004/25 erlitt die Klägerin durch das unmittelbare Miterleben eines von ihr nicht verschuldeten, tödlichen Verkehrsunfalls samt nachfolgender Todesnachricht einen schweren Schock mit Ausbildung einer deutlich depressiven Symptomatik und posttraumatischen Belastungsstörung, wofür ihr die Vorinstanzen 150.000 S (EUR 10.901) zusprachen. Mögen auch die in diesem Fall von der Klägerin erlittenen Zustände gleich schwer oder schwerer als im vorliegenden Fall sein, so kann dennoch aus dieser Entscheidung nicht argumentiert werden, im vorliegenden Fall sei der Klägerin ein überhöhtes Schmerzengeld zuerkannt worden, weil dort nach dem entsprechenden Zuspruch durch das Erst- und das Berufungsgericht nur die Beklagte, nicht aber auch die Klägerin die Revision erhoben hatte. Überdies wendete sich dort die Revision nicht gegen die Höhe des zuerkannten Schmerzengeldbetrages.

Der Fall 9 Ob 147/00h = ZVR 2001/55 ist abgesehen vom Alter der Entscheidung deshalb mit dem vorliegenden Fall nicht vergleichbar, weil bei wesentlich stärkeren Beeinträchtigungen des dortigen Klägers nach sexuellem Missbrauch ATS 400.000 (= EUR 29.069,13), also etwa das Doppelte des hier für berechtigt erachteten Schmerzengeldbetrages (EUR 15.000), zuerkannt wurden.

Angesichts der festgestellten, auch in Zukunft voraussichtlich fortdauernden Beeinträchtigungen der Klägerin in Form von Angstzuständen vor dem bzw beim Autofahren hat das Berufungsgericht nach Ansicht des erkennenden Senates den ihm gemäß § 273 ZPO eingeräumten Ermessensspielraum bei der Bemessung des Schmerzengeldes noch nicht überschritten.

Auch die Revision zeigt keine erhebliche Rechtsfrage auf. Die Revisionswerber meinen zunächst, das Berufungsgericht sei von der ständigen Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofes zur Kausalität abgewichen.

Nach herrschender Rechtsprechung (zB 2 Ob 291/97a = RIS-Justiz RS0109228) und Lehre (Koziol, Haftpflichtrecht I3 3/5; Harrer in Schwimann, ABGB3 § 1295 Rz 4-6; Karner in KBB2 § 1295 Rz 3) kommt es für die Schadenszurechnung zunächst auf die nach der Äquivalenztheorie zu ermittelnde Kausalität an. Nach dieser Theorie ist nach der Formel von der conditio sine qua non zu prüfen, ob ohne das schädigende Ereignis der Schaden nicht eingetreten wäre. Im Sinne dieser Ausführungen ist die Kausalität und - im Sinne der Ausführungen des Berufungsgerichtes im Teil- und Zwischenurteil vom 21. 4. 2005 (erster Rechtsgang; 2 Ob 142/05d: außerordentliche Revision ohne Begründung zurückgewiesen) - auch die Adäquanz zu bejahen: Ob bestimmte Beschwerden oder Störungen dem Unfallsereignis „zuzuordnen" bzw „von Relevanz" sind, ist kein für die schadenersatzrechtliche Zurechnung maßgebliches Kriterium. Deshalb liegen auch die von den Revisionswerbern gerügten, gerade diese Umstände betreffenden sekundären Feststellungsmängel nicht vor. Auch die Überlegungen der Revisionswerber zur überholenden Kausalität können nicht zum Erfolg führen. Die von der Revisionswerberin (auch schon in ihrer Revision im ersten Rechtsgang) für ihren Rechtsstandpunkt zitierte Entscheidung 1 Ob 175/01v = JBl 2002, 720 führt in Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung aus, für die Berücksichtigung überholender Kausalität müsse feststehen, dass der gleiche Erfolg auch ohne das (reale) Schadensereignis zu einem bestimmten Zeitpunkt eingetreten wäre; es genüge nicht, dass der Erfolg „irgendwann" eintreten werde. Die Behauptungs- und Beweislast für das Vorliegen der Voraussetzungen der überholenden Kausalität trage der Schädiger. Im vorliegenden Fall steht aber nicht fest, dass die durch den Unfall ausgelösten Angststörungen auch ohne den Unfall aufgetreten wären.

Die geltend gemachte Aktenwidrigkeit sowie Mangelhaftigkeiten des Berufungsverfahrens liegen nicht vor (§ 510 Abs 3 Satz 3 ZPO). Mangels Vorliegens einer erheblichen Rechtsfrage gemäß § 502 Abs 1 ZPO war die Revision zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 50, 41 ZPO. Die Klägerin hat in der Revisionsbeantwortung auf die Unzulässigkeit der Revision hingewiesen.

Stichworte