OGH 14Os110/07v

OGH14Os110/07v2.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 2. Oktober 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Maschler als Schriftführerin in der Strafsache gegen Gerald B***** wegen des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127, 129 Z 1 und 2 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 28. Juni 2007, GZ 73 Hv 12/07d-24, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen, auch einen in Rechtskraft erwachsenen Freispruch enthaltenden Urteil wurde Gerald B***** des Verbrechens des Diebstahls durch Einbruch nach § 127, 129 Z 1 und 2 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 28. Oktober 2006 in Wien mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz Sylvia W***** fremde bewegliche Sachen durch Einbruch weggenommen, indem er das Fenster zu ihrem Heurigenlokal und einen darin befindlichen Tresor aufbrach und daraus einen Bargeldbetrag in der Höhe von 1.485,31 Euro entnahm. Die dagegen vom Angeklagten nominell aus den Gründen der Z 3, 4, 5, 5a und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Mit der „aus anwaltlicher Vorsicht wegen mangelnder Klarheit der Aktenlage" erhobenen Verfahrensrüge (Z 3) moniert der Beschwerdeführer zunächst die seiner Ansicht nach zu Unrecht unterlassene Zustellung der Beschlüsse auf Beigebung eines Verteidigers nach § 41 Abs 2 StPO und auf Verhängung der Untersuchungshaft an den Verteidiger. Mit diesem Vorbringen wird eine Verletzung einer der in § 281 Abs 1 Z 3 StPO - in Ansehung der Bestimmungen der Strafprozessordnung - taxativ (vgl Ratz, WK-StPO § 281 Rz 193) aufgezählten Vorschriften nicht aufgezeigt. Soweit die weitere Verfahrensrüge (Z 3) mit der Behauptung, es sei nicht nachvollziehbar, „wie die Anklageschrift zum nunmehrigen Pflichtverteidiger gemäß § 41 Abs 1 Z 1 StPO gekommen ist", aus der - nach der Beschwerdeauffassung - ebenfalls unterlassenen Zustellung der Anklageschrift an den Verfahrenshilfeverteidiger (vgl aber den KV vom 24. Mai 2007, S 119) unter Bezugnahme auf Art 6 Abs 1 und Abs 3 lit c MRK eine Verletzung der Bestimmung des § 221 StPO abzuleiten versucht und dazu hypothetische Erwägungen zu den Erfolgsaussichten eines vom Verfahrenshilfeverteidiger jedenfalls erhobenen Anklageeinspruchs (der im Übrigen entgegen der Beschwerdeauffassung auch bei Wegfall des Anklagefaktums 2.) nicht zu einer Einzelrichterzuständigkeit führen hätte können [§§ 8 Abs 3 StPO, 39 StGB]), anstellt, übersieht sie, dass die Mindestvorbereitungsfrist (§ 6 StPO) des § 221 Abs 1 erster Satz StPO nur für den Angeklagten und nicht auch für den Verteidiger (den Ankläger oder sonstige Verfahrenshilfebeteiligte; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 241 f) gilt. Dem verhafteten Angeklagten aber wurde die am 23. Mai 2007 bei Gericht eingelangte Anklageschrift im Rahmen der am 24. Mai 2007 durchgeführten Haftverhandlung kundgemacht, worauf er - nach Rechtsbelehrung - sofort auf Rechtsmittel verzichtet und die Zustellung an den Verteidiger (§ 209 Abs 3 StPO) nicht begehrt hat (ON 17). Die Vorladung zur Hauptverhandlung am 28. Juni 2007 wurde dem Angeklagten am 31. Mai 2007 zugestellt (RS zu ON 18). Einer Behinderung der Vorbereitung des Verteidigers (hier durch die behauptete Unterlassung der amtswegigen Zustellung der Anklageschrift; siehe aber den Kanzleivermerk vom 24. Mai 2007, S

119) kann im Übrigen durch eine sachgerechte Antragstellung in der Hauptverhandlung entgegengewirkt werden (vgl RIS-Justiz RS0097967), die fallbezogen nicht erfolgte.

Die vorgetragene Kritik an der Verfassungsmäßigkeit der - aktuell gar nicht anzuwendenden (Art 89 Abs 2 letzter Satz B-VG) - Bestimmung des § 209 Abs 3 StPO, welche bloß die Verlängerung der in Abs 2 leg cit normierten 14-tägigen Einspruchsfrist vorsieht, wenn der in Haft befindliche Beschuldigte die Zustellung der Anklageschrift an seinen Verteidiger verlangt, bietet keinen Anlass für ein Vorgehen nach Art 89 Abs 2 B-VG.

Soweit der Nichtigkeitswerber „für den Fall, dass der Verfassungsgerichtshof § 209 Abs 3 StPO aufhebt ... hilfsweise den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 4 StPO" geltend macht, weil es „verfassungsrechtlich nicht haltbar sei", den Angeklagten nicht „in Folge eines Verstoßes im Vorverfahren vor Rechtskraft der Anklageschrift gegen Verstöße gegen die EMRK zu schützen", war darauf nicht einzugehen. Im Übrigen kann dieser Nichtigkeitsgrund mit dem bloßen Hinweis, Grundsätze des Verfahrens, deren Beobachtung durch grundrechtliche Vorschriften, insbesondere durch Art 6 EMRK oder sonst durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden, fairen Verfahrens geboten ist, seien unrichtig angewendet worden, nicht dargetan werden, ohne dass damit konkret auf einen Verfahrensantrag des Beschwerdeführers oder ein Zwischenerkenntnis des Gerichtshofes Bezug genommen wird (RIS-Justiz, RS0108863).

Die Mängelrüge spricht mit ihrer Kritik (Z 5) an der vom Erstgericht getroffenen Feststellung, wonach der Angeklagte - nachdem er zuvor das Fenster des Heurigenlokals aufgebrochen hatte und durch dieses in die Räumlichkeiten eingestiegen war, wodurch die Einbruchsqualifikation (§ 129 StGB) bereits begründet wurde - den Möbeltresor des Tatopfers mit einem Schraubenzieher aufbrach, keine für die Strafbarkeit oder rechtliche Unterstellung entscheidende Tatsache an. Die Z 1 bis 4 des § 129 StGB stellen nur (vertauschbare) Alternativen dieser unselbständigen Qualifikation dar, weshalb weder Zusammentreffen noch Verwechslung alternativer Begehungsformen die von den Erstrichtern vorgenommene Subsumtion der Tat berühren (vgl dazu 13 Os 68/00, 13 Os 38/05z, zuletzt 13 Os 116/06t; näher: Ratz, WK-StPO § 281 Rz 395, 401, 649, § 285d Rz 12).

Davon abgesehen, verliert sich die Beschwerde insoweit ohnehin nur unzulässig in beweiswürdigenden Erwägungen und zieht aus dem Fehlen einer „Fotodokumentation des Einbruchs" den spekulativen Schluss, dass der Safe auch durch Lösen einer allenfalls vorhandenen Zahlenkombination und somit nicht auf eine in § 129 StGB umschriebene Weise geöffnet worden sein könnte. Dass aber der Möbeltresor mit einem Schraubenzieher aufgebrochen wurde, haben die Tatrichter - Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechend - auf den (in der Hauptverhandlung verlesenen, S 177) Bericht der Kriminalpolizei über die Tatrekonstruktion gestützt. Weshalb die Aussage der Zeugin Sylvia W*****, sie wisse jetzt nicht mehr, ob er (der Tresor) mit Gewalt aufgebrochen wurde (S 169), in einem logischen Widerspruch zur bekämpften Konstatierung stehen sollte und damit einer gesonderten Erörterung bedurft hätte (Z 5 zweiter Fall), macht die Rüge nicht klar. Von einem aus Z 5 dritter Fall beachtlichen Widerspruch - den der Beschwerdeführer zwischen der kritisierten Feststellung und der zitierten Aussage der Zeugin W***** zu erkennen glaubt und aus dem Fehlen einer Beschreibung des Möbeltresors abzuleiten versucht - kann im Übrigen keine Rede sein, wenn bloß Beweisergebnisse gegen getroffene Feststellungen sprechen (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439) oder Beweiserhebungsmängel behauptet werden.

Soweit die Beschwerde im Rahmen der Mängelrüge auf den in der Hauptverhandlung gestellten Antrag auf Einholung eines Sachverständigengutachtens „zum Thema Tresor, zB dafür, dass es unmöglich ist, solch einen Tresor mit einem Schraubenzieher aufzubrechen" (S 167), verweist und in der unbegründet erfolgten Abweisung dieses Begehrens durch den Schöffensenat eine Verletzung der Verteidigungsrechte des Angeklagten erblickt (Z 4), ist sie schon deshalb nicht im Recht, weil aus dem Antragsvorbringen mit Blick auf obige Ausführungen nicht hervorgeht, inwieweit das Ergebnis der begehrten Beweisaufnahme für Schuld- oder Subsumtionsfrage von Bedeutung sein könnte. Im Übrigen lässt das Vorbringen Hinweise auf in der Hauptverhandlung vorgekommene Anhaltspunkte für eine Fehlerhaftigkeit der sicherheitsbehördlichen Tatortrekonstruktion vermissen und läuft solcherart auf einen in der Hauptverhandlung unzulässigen Erkundungsbeweis hinaus.

Soweit im Rahmen der Mängelrüge ohne weitergehende Argumentation „im Bezug auf die Verurteilung nach § 129 Z 2 StGB hilfsweise auch der Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z 9a" (der Sache nach Z 10) geltend gemacht wird, orientiert sich die Beschwerde nicht an den dazu getroffenen Urteilsannahmen (US 3 und 4), sondern stellt diese vielmehr beweiswürdigend in Frage. Mit Blick auf obige Aussagen spricht sie im Übrigen keine entscheidende Tatsache an. Die Feststellungen zur Täterschaft des Angeklagten haben die Tatrichter - mit auch formal mängelfreier Begründung - im Wesentlichen auf den Tatortbericht der Kriminalpolizei, die als glaubwürdig und unbedenklich beurteilten Angaben der Zeugin Sylvia W***** sowie darauf gestützt, dass auf der Tür des aufgebrochenen Möbelsafes eine Blutspur sichergestellt werden konnte, die nach dem für schlüssig und nachvollziehbar angesehenen Gutachten des Instituts für gerichtliche Medizin Innsbruck eindeutig dem Angeklagten zuzuordnen war. Dabei wurden sowohl die leugnende Verantwortung des Angeklagten, der verschiedene Erklärung dafür anbot, wie sein Blut auf den Safe gekommen sein könnte, als auch die Aussage der zur Entlastung des Angeklagten namhaft gemachten Zeugin Monika K***** einer umfassenden Erörterung unterzogen, diese jedoch mit ausführlicher - Gesetzen logischen Denkens und grundlegenden Erfahrungssätzen entsprechender - Begründung als widerlegt erachtet (US 5 f).

Indem die Tatsachenrüge (Z 5a) die Angaben der Zeugin Sylvia W*****, wonach die Türen zum Schrank, in dem sich der Möbeltresor befand, sowie die Safetüren immer geschlossen waren, mit hypothetischen Erwägungen als „argen Irrglauben" bezeichnet, unter der urteilsfremden Prämisse geöffneter Schranktüren aus den Verfahrensergebnissen einen anderen - ihm „logischer" als der des Erstgerichts erscheinenden - Geschensablauf konstruiert und andere mögliche Ursachen für die Blutanhaftung am Möbeltresor aufzeigt, um solcherart der Verantwortung des Angeklagten zum Durchbruch zu verhelfen, stellt sie den Urteilsannahmen bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber und zielt solcherart - außerhalb der Anfechtungskategorien der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO - auf eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ab, wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 490).

Gleiches gilt für das Vorbringen, die dem Angeklagten vom Schöffensenat unterstellte Vorgangsweise wäre angesichts seiner „Erfahrungen" mit Einbrüchen „unlogisch" und „idiotisch", und die Mutmaßung der Tatsachenrüge, jemand, der einen Safe aufbrechen könne, hätte „keine Mühe gehabt" ein Fenster zu öffnen, sodass der von der Zeugin W***** geschilderte Umstand, wonach nach dem Einbruch im Heurigenlokal mehrere Fenster offenstanden und zerschlagen waren, gegen die Annahme eines Einzeltäters spreche. Damit werden erhebliche Bedenken im Sinne des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes ebensowenig aufgezeigt wie mit dem (aktenfremden) Hinweis auf ein seit 1996 durchgehaltenes Wohlverhalten des Angeklagten (vgl dagegen die Strafregisterauskunft S 29 ff) oder seine angeblich geordneten finanziellen Verhältnisse.

Der aus dem Umstand, dass „der vorsitzende Richter" ohne Kenntnis von der Beschaffenheit des Möbeltresors von dessen „Knackbarkeit" mittels eines Schraubenziehers ausging und „der zweite Anklagepunkt eigentlich nicht verhandelt wurde" abgeleitete Einwand einer Voreingenommenheit des Vorsitzenden des Schöffengerichts entzieht sich unter dem relevierten Nichtigkeitsgrund einer sachbezogenen Erörterung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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