OGH 4Ob161/07s

OGH4Ob161/07s2.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden und durch die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hans-Jörg S*****, vertreten durch Kaan Cronenberg & Partner, Rechtsanwälte in Graz, gegen die beklagte Partei „Ö*****" ***** GmbH, *****, vertreten durch Berger Saurer Zöchbauer, Rechtsanwälte in Wien, wegen Unterlassung, Urteilsveröffentlichung und Schadenersatz (Streitwert im Sicherungsverfahren 40.000 EUR), über den außerordentlichen Revisionsrekurs der Beklagten gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien vom 25. Juli 2007, GZ 4 R 93/07m-9, den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird gemäß §§ 78, 402 EO iVm § 526 Abs 2 ZPO mangels der Voraussetzungen des § 528 Abs 1 ZPO zurückgewiesen

Text

Begründung

Der Kläger war im Jahr 1995 wegen nationalsozialistischer Wiederbetätigung zu einer unbedingten Freiheitsstrafe verurteilt worden. Mitte 1999 wurde er bedingt entlassen. Seither hat er sich wohl verhalten, eine Familie gegründet und sich auch sonst in die Gesellschaft eingegliedert.

Die Beklagte veröffentlichte Anfang 2007 Lichtbilder, die den Kläger bei „Wehrsportübungen" in den Jahren 1987 bis 1989 zeigten. Diesen Lichtbildern waren Fotos gegenübergestellt, auf denen ein heute aktiver Politiker zur selben Zeit in vergleichbaren Zusammenhängen abgebildet war. Eine im Präsens gehaltene Bildunterschrift bezeichnete den Kläger als „Neonaziführer".

Die Vorinstanzen untersagten der Beklagten, Abbildungen des Klägers ohne seine Einwilligung zu veröffentlichen, wenn er in der Textberichterstattung als Neonaziführer bezeichnet und nicht gleichzeitig darauf hingewiesen werde, dass er die über ihn verhängte Haftstrafe bereits lange verbüßt und sich seither wohl verhalten habe. Weiter gehende Begehren, die Veröffentlichung der Lichtbilder generell oder (ohne Einschränkung) für den Fall zu verbieten, dass der Kläger im Begleittext als Neonaziführer bezeichnet werde, wies das Erstgericht unbekämpft ab.

Rechtliche Beurteilung

Das von der Beklagten mit außerordentlichem Revisionsrekurs bekämpfte Verbot hält sich im Rahmen der höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Danach sind bei der Auslegung von § 78 UrhG die Wertungen des Medienrechts zu berücksichtigen, soweit gleiche Sachverhalte zu beurteilen sind (4 Ob 184/97f = SZ 70/183 - Ernestine K). Dazu gehört insbesondere die Wertung des § 7a MedienG, wonach Erwachsenen, die eines Verbrechens verdächtig sind oder wegen eines solchen verurteilt wurden, ein Identitätsschutz nur dann zukommt, wenn durch die Veröffentlichung ihr Fortkommen (unter Bedachtnahme auf die Umstände der Tat sowie deren Verfolgung und Bestrafung) unverhältnismäßig beeinträchtigt werden kann (RIS-Justiz RS0108482). Ob das bei einer konkreten Veröffentlichung zutrifft, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab und begründet daher im Regelfall keine Rechtsfrage erheblicher Bedeutung.

Eine im Rahmen eines außerordentlichen Rechtsmittels aufzugreifende Fehlbeurteilung liegt nicht vor. Die Veröffentlichung von Lichtbildern, die in Zusammenhalt mit dem Begleittext an lange zurückliegende Verbrechen des Abgebildeten erinnern, wird dessen Fortkommen wegen der damit verbundenen Prangerwirkung im Allgemeinen

unverhältnismäßig beeinträchtigen (vgl 4 Ob 66/99f = MR 1999, 150

[Korn] - Ermittlungspannen; dazu EGMR Nr. 57597/00 = MR 2004, 244).

Das gilt jedenfalls dann, wenn der Betroffene die Strafe bereits verbüßt hat, nun seit Jahren sozial integriert ist und aus diesen Gründen ein legitimes Interesse daran hat, dass die Öffentlichkeit nicht an seine Vergangenheit erinnert wird.

Die Besonderheit des vorliegenden Falls liegt zwar darin, dass die Lichtbilder im Zusammenhang mit zeitgeschichtlich bedeutsamen Ereignissen standen und zudem (mittelbar) Rückschlüsse auf die Vergangenheit eines aktiven Politikers erlaubten. Dem Interesse des Klägers am Schutz seiner Privatsphäre stand daher ein zumindest ebenso hohes Interesse der Beklagten und der Öffentlichkeit an der Veröffentlichung gegenüber. Dieses Interesse haben die Vorinstanzen aber ohnehin berücksichtigt, indem sie - entgegen dem Klagebegehren - die Veröffentlichung nicht generell untersagten. Vielmehr haben sie die jeweils grundrechtlich geschützten Interessen der Beteiligten (Art 8 bzw 10 EMRK) gegeneinander abgewogen und dabei den ihnen zustehenden Beurteilungsspielraum keinesfalls überschritten. Denn ein legitimes Interesse an der Veröffentlichung der Lichtbilder rechtfertigt jedenfalls nicht das Erwecken des (unrichtigen) Eindrucks, der vollständig resozialisierte, selbst nicht (mehr) in der Öffentlichkeit stehende Kläger sei noch immer als „Neonaziführer" aktiv.

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