OGH 4Ob169/07t

OGH4Ob169/07t2.10.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Zechner als Vorsitzenden, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofs Dr. Schenk und die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Vogel, Dr. Jensik und Dr. Musger als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wolfgang R*****, vertreten durch Dr. Franz Thienen-Adlerflycht, Rechtsanwalt in Wien, gegen die beklagte Partei Verlagsgruppe N*****, vertreten durch Dr. Hubert Simon, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterlassung und Schadenersatz (Streitwert im Sicherungsverfahren 36.000 EUR), über den ordentlichen Revisionsrekurs der klagenden Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Rekursgericht vom 14. Juni 2007, GZ 5 R 25/07v-16, womit der Beschluss des Handelsgerichts Wien vom 21. Dezember 2006, GZ 19 Cg 164/06y-9, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 1.754,82 EUR (darin 292,47 EUR USt) bestimmten Kosten der Revisionsrekursbeantwortung binnen vierzehn Tagen zu ersetzen.

Text

Begründung

Der Kläger wurde am 11. 2. 1999 wegen Veruntreuung und betrügerischer Krida rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von achteinhalb Jahren verurteilt, weil er

I. sich am 9. 10. 1998 Güter, die ihm als Vorstandsvorsitzenden der R***** AG anvertraut worden waren, nämlich Banknoten und Hartgeld von ATS 69,366.997 und SFR 1 Mio der R***** dadurch mit dem Vorsatz zugeeignet hat, sich unrechtmäßig zu bereichern, dass er die Gelder dem Tresor der Zentrale der Bank entnahm und mit ihnen ins Ausland fuhr, wo er sie auf teilweise noch nicht geklärte Weise im eigenen Interesse verwendete bzw zu verwenden trachtete und veranlagte;

II. am 9. 10. 1998 als Vorstandsvorsitzender der R*****, sohin als leitender Angestellter, einen Bestandteil des Vermögens der R*****, die Schuldner mehrerer Gläubiger war, verheimlicht bzw beiseite geschafft und so das Vermögen der R***** wirklich verringert hat, indem er Dr. Johann Z***** anwies, einen Betrag von ATS 10,450.000 sowie ATS 7,000.000 vom Konto der R***** AG bei der Österreichischen Nationalbank zu beheben und diesen Betrag an ihn zu übergeben, worauf er das Bargeld zunächst an sich nahm und dann auf die in Punkt I beschriebene Weise ins Ausland verbrachte und dort auf nicht mehr zu klärende Weise im eigenen Interesse verwendete, und dadurch die Befriedigung der Gläubiger der R***** oder wenigstens eines von ihnen vereitelte oder schmälerte.

Der Kläger hat die Freiheitsstrafe verbüßt, er wurde am 30. 4. 2003 bedingt entlassen, wobei ihm auferlegt wurde, einer (ihm zugesagten) Beschäftigung nachzugehen. Er erfüllt diese Weisung. Die Beklagte ist Medieninhaberin der Nachrichtenmagazine „Profil" und „Format", in deren Ausgaben vom 14. 4. 2006 bzw 17. 11. 2006 Berichte mit einer Abbildung des Klägers erschienen. Die Lichtbilder zeigen den Kläger im Gerichtssaal neben einem Justizwachebeamten sitzend. Der Bericht im „Profil" vom 14. 4. 2006 wird in der Inhaltsübersicht (Seite 6) mit der Überschrift angekündigt „Wirtschaftsprüfer. Die Affären Bawag und Hypo Alpe-Adria bringen einen ganzen Berufsstand in Verruf: Warum die Prüfer immer öfter versagen." Blättert man zur angegebenen Seite 40, findet sich dort ein ganzseitiges Lichtbild des Klägers, der - mit zu Boden gerichtetem Blick - im Gerichtssaal neben einem Justizwachebeamten sitzt. In einem Einschub findet sich unter der Überschrift „R*****" nachstehender Text:

„Zu Beginn des Jahres 1998 galt die R***** noch als grundweg solides Geldinstitut, ihr Gründer und Chef, Wolfgang R***** (Foto), nebenbei Präsident des Fußballklubs LASK, als angesehener Geschäftsmann. Entsprechend guten Absatz fand damals auch das jüngste Produkt aus dem Haus - eine mit 7,5 Prozent verzinste und mit großem Aufwand beworbene Anleihe. Privatanleger zeichneten das Papier in der Folge in einem Volumen von umgerechnet fast 13 Millionen EUR. Um die tatsächlichen Zahlen des Instituts stand es damals aber längst nicht mehr so gut. Noch im selben Jahr musste die R***** Konkurs anmelden, ihr Chef schnappte sich 7 Mio EUR aus dem Safe und setzte sich nach Südfrankreich ab. Drei Wochen später kehrte er zurück und stellte sich der Justiz. Bereits im darauf folgenden Februar wurde R***** wegen Untreue zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt, nach viereinhalb Jahren wurde er bedingt entlassen. Im Dezember 2004 zog das Wiener Handelsgericht auch Walter T*****, den einstigen Buchprüfer der R***** zur Verantwortung und erlegte ihm eine Schadenersatzleistung von 1,1 Millionen EUR auf. T***** wurde schuldig befunden, in der Testierung der R*****-Bilanzen Fehler gemacht zu haben. Die von einer Bank geforderten Kriterien für eine ordnungsgemäße Buchführung seien demnach in mehreren Punkten nicht eingehalten worden, Prüfer T***** hätte deshalb sein Testat versagen müssen. Tatsächlich hatte dieser aber über Jahre hinweg einen „uneingeschränkten Bestätigungsvermerk" erteilt."

Auf den weiteren Seiten (ab Seite 41) folgt unter der Überschrift „Prüfungsängste" und der Subunterschrift „Affäre. Die Skandale um Bawag und Hypo Alpe-Adria-Bank bringen einen ganzen Berufsstand in Verruf - Warum Wirtschaftsprüfer bei der Bilanzprüfung immer öfter versagen." eine kritische Beurteilung der Tätigkeit des Berufsstandes der Wirtschaftsprüfer anhand einer Reihe von so bezeichneten „Affären" und „Skandalen". Der Bericht befasst sich von Seite 41 bis 47 mit der „BAWAG-Affäre", den Verlusten der Hypo Alpe-Adria-Bank, der „Bautreuhand-WEB-IMMAG-Affäre", dem Fall „AMIS", der „Pleite des Investmenthauses Financial Management Services (FMS)", dem „Libro"-Konkurs, den Verlusten der „Bank Burgenland", der Insolvenz „Economos" und der „Pleite der Bank für Handel und Industrie (BHI)".

Die R***** wird dabei auf Seite 41 wie folgt erwähnt:

„Drei Jahre später [gemeint nach der BHI] erwischte es die Linzer R*****. Die Umstände der Pleite wurden zwar nie restlos geklärt, sehr wohl aber die Verantwortung des Prüfers: Walter T***** verlor seine Lizenz und musste 1,1 Millionen EUR zahlen".

In seiner Ausgabe vom 17. 11. 2006 beschäftigte sich auch das Magazin „Format" auf den Seiten 46 bis 53 mit Finanzskandalen und Betrugsfällen. Unter der Überschrift „Gauner im Nadelstreif. Anlagebetrüger verursachen in Österreich Schäden von bis zu 3 Milliarden EUR im Jahr: Format zeigt, mit welchen Methoden die Geldhaie arbeiten und wie man sie abblitzen lässt." werden Fälle von Bilanzfälschung, Anlagebetrug und Zugriff auf Online-Konten geschildert. Der Leser erhält Hinweise und Tipps, wie er sich gegen Anlagebetrüger schützen kann. Auf Seite 50 findet sich ein Einschub mit der Überschrift „R*****: Der Bankier, der seine eigene Bank ausraubte" und der Subüberschrift „extrem hohe Zinsen sind oft ein Warnzeichen für ein unseriöses Institut. Bankguthaben sind nur bis 20.000 EUR geschützt". Der weitere Text dieses Einschubs lautet:

„Montag 12. Oktober 1998. In der Zentrale der Wiener R***** liegen die Nerven blank. Firmengründer Wolfgang R***** ist spurlos verschwunden. Mit ihm fehlen Millionen aus dem Tresor. Was erst nach einer Entführung aussah, entpuppte sich als spektakuläre Flucht von R*****, der einst als kleiner Betreiber von Geldwechselstuben angefangen hatte und rund 50 Mio EUR Schaden hinterließ. R***** wurde von NEWS-Reporter Karl W***** an der Côte d' Azur aufgespürt und stellte sich der Wiener Polizei. 1999 wurde der Oberösterreicher wegen Veruntreuung und betrügerischer Krida zu achteinhalb Jahren verurteilt und 2003 vorzeitig entlassen. Zu den Geschädigten gehörten viele Privatanleger, die eine Anleihe mit 7,5-%iger Verzinsung gezeichnet hatten - was etwa ein Drittel höher lag als vergleichbare Angebote."

Der Einschub wird durch ein Lichtbild des Klägers illustriert, auf dem er neben einem Justizwachebeamten im Gerichtssaal sitzt. Im weiteren Bericht zum Thema „Gauner im Nadelstreif" wird der Kläger nicht mehr erwähnt.

Zur Sicherung seines inhaltsgleichen Unterlassungsanspruchs begehrt der Kläger, der Beklagten zu gebieten, es ab sofort und bis zur Rechtskraft des über die Klage ergehenden Urteils zu unterlassen, Bildnisse des Klägers zu verbreiten, wenn im Begleittext ausgeführt wird, der Kläger hätte sich 1998 (7) Millionen EUR aus dem Safe geschnappt und/oder Beträge dieser Höhe aus seiner Bank „geraubt", sich nach Südfrankreich abgesetzt und/oder wäre dorthin geflohen und/oder sei der Kläger (bereits im darauffolgenden Februar) 1999 wegen Untreue und betrügerischer Krida zu achteinhalb Jahren Haft verurteilt worden und oder inhaltsgleiche Behauptungen aufzustellen. Die Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit den Affären BAWAG und Hypo Alpe-Adria, dem Thema Anlagebetrug und der kritischen Beurteilung des Berufsstands der Wirtschaftsprüfer greife massiv in seine schutzwürdigen Interessen ein. Der seiner Verurteilung zugrunde liegende Sachverhalt liege ebenso wie die Verurteilung selbst acht Jahre zurück. Er habe seine Freiheitsstrafe überwiegend verbüßt, sei im Frühjahr 2003 bedingt entlassen worden und habe sich seitdem wohl verhalten. Die Verbreitung seines Lichtbilds sei geeignet, seine Identität in einem nach acht Jahren nicht unmittelbar informierten größeren Personenkreis bekanntzumachen und seine Resozialisierung zu gefährden. Er habe Arbeitgeber bewegen können, ihn unter bescheidenen Konditionen anzustellen, seine Vorgeschichte sei potenziellen Mitarbeitern und Kunden nicht bekannt. Die Bildnisveröffentlichung führe dazu, dass potenzielle Arbeitgeber oder Freunde Zurückhaltung zeigten und Gespräche plötzlich auf Eis gelegt schienen. Er könne auch seine Kinder nicht mehr von der Schule abholen oder mit ihnen etwas unternehmen. Im Übrigen stehe der tadelnde Vorhalt der Verurteilung in keinem Zusammenhang mit dem Inhalt der Artikel. Die Beklagte beantragt die Abweisung des Sicherungsantrags. Sie berief sich auf das Recht der freien Meinungsäußerung. Ihre Berichterstattung sei jedenfalls (im Kern) richtig und führe nicht zum Bekanntwerden des Klägers. Er sei den wirtschaftlich interessierten Lesern ihrer Magazine ohnehin bekannt. Das Informationsinteresse der Öffentlichkeit sei wegen der noch anhängigen Gerichtsverfahren gegeben; dass die Veröffentlichung den Kläger in seinem Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigen könnte, behaupte er nicht.

Das Erstgericht erließ die einstweilige Verfügung antragsgemäß. Es stellte noch fest, über das Strafverfahren gegen den Kläger sei umfangreich unter Namensnennung und Wiedergabe seines Bildes berichtet worden. Auch im Zusammenhang mit der bedingten Entlassung seien Berichte mit seinem Bild erschienen. Der Konkurs über das Vermögen der R***** sei wegen einiger noch laufender Schadenersatzprozesse noch nicht abgeschlossen. Auch Klagen von Geschädigten gegen die Republik Österreich wegen Verletzung der Aufsichtspflicht seien noch anhängig.

Rechtlich führte das Erstgericht aus, das Abbild des Klägers sei zwar durch die Berichterstattung ab 1998 und im Zusammenhang mit seiner bedingten Entlassung bekannt geworden. Angesichts des Zeitablaufs und seines wenig prägnanten Aussehens sei aber davon auszugehen, dass die Öffentlichkeit das Aussehen des Klägers inzwischen vergessen habe. Berücksichtige man die Wertungen des § 7a MedienG, so verletze die (identifizierende) Bildnisveröffentlichung schutzwürdige Interessen des Abgebildeten, wenn sie abstrakt geeignet sei, einen Eingriff in den höchstpersönlichen Lebensbereich des Abgebildeten oder dessen Bloßstellung herbeizuführen, so etwa wenn sie sein Fortkommen, nämlich seine Wiedereingliederung in die Gesellschaft beeinträchtige. Der Bildnisschutz nach § 78 UrhG decke sich nicht gänzlich mit dem Schutz der Identität. Die bloße Namensnennung könne Interessen weniger gefährden, während der Betreffende durch die Veröffentlichung seines Bildes auch von Personen wiedererkannt werde, denen er namentlich nicht entgegentrete. Dies wirke sich gerade im Alltagsleben, etwa beim Einkaufen oder in öffentlichen Verkehrsmitteln entscheidend aus. Im konkreten Fall seien die Interessen des Klägers gerade durch die Abbildung betroffen. Verurteilten Straftätern, die sich in die Gesellschaft und im Erwerbsleben eingliedern sollten, sei in der Resozialisierungsphase Schutz vor Veröffentlichung ihres Bildes im Zusammenhang mit früheren Straftaten auch dann zuzugestehen, wenn diese im Zusammenhang mit der aktuellen Berichterstattung über das Strafverfahren zulässig gewesen wäre. Ein den Persönlichkeitsschutz in der Resozialisierungsphase überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit am Aussehen des Klägers bestehe in diesem Zeitraum nicht mehr. Dem Informationsinteresse der Leser (Warnung vor den in den Beiträgen geschilderten Sachverhalten) wäre schon durch die Berichterstattung ohne Bildnisveröffentlichung Genüge getan worden. Der Kläger sei für die Öffentlichkeit derzeit als nicht mehr gefährlich einzustufen. Die Wiedergabe seines Bildnisses im Zusammenhang mit einem Bericht über vergangene Fälle, in denen die Bankenaufsicht versagt habe und die nicht unmittelbar seine Person, sondern Verfehlungen anderer Beteiligter betroffen hätten, dienten nur der Befriedigung einer Informationslust. Sie habe hinter den schutzwürdigen Interessen des Klägers zurückzustehen.

Das Rekursgericht wies den Sicherungsantrag ab und sprach aus, dass der Wert des Entscheidungsgegenstands 20.000 EUR übersteige und der ordentliche Revisionsrekurs zulässig sei, weil der Oberste Gerichtshof zu den in den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Dezember 2006 wiedergegebenen Kriterien zur Bildnisveröffentlichung noch nicht Stellung genommen habe. Nach der Rechtsprechung des EGMR seien für die Beurteilung der Zulässigkeit einer Bildnisveröffentlichung nachstehende Faktoren entscheidend: der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, die seit der Verurteilung und Haftentlassung vergangene Zeit, die Art des Verbrechens, der Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Berichts und dem gezeigten Bild und die Vollständigkeit und Korrektheit des begleitenden Textes. Der Kläger sei allgemein bekannt, weil seine Tat und sein Abbild der Öffentlichkeit, insbesondere dem konkret angesprochenen Leserkreis der beiden Nachrichtenmagazine durch den Bankskandal im Jahr 1998 und die daran anschließende Berichterstattung bestens bekannt geworden seien. Im Frühjahr 2003 sei es im Zusammenhang mit seiner bedingten Entlassung zu weiteren Bildnisveröffentlichungen gekommen, ob mit Zustimmung des Klägers könne offen bleiben. Mit seiner Person werde ein erheblicher Akt von Wirtschaftskriminalität in Verbindung gebracht. Dementsprechend sei darüber auch in den Medien ausführlich berichtet worden. Ein Zusammenhang zwischen dem Inhalt der Berichterstattungen und dem Bild des Klägers sei insofern gegeben, als sich beide Berichte mit Wirtschaftskriminalität befassten, somit im weiteren Sinn jedenfalls jenen Bereich beträfen, der auch damals zur Berichterstattung über den Kläger geführt habe. Die Berichte hätten auch der Wahrheit entsprochen. Nehme man über die Wertungen des EGMR hinaus auf die Kriterien des § 7a MedienG Bedacht, so würden schutzwürdige Interessen des Betroffenen dann verletzt, wenn die Veröffentlichung sein Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigen könne. Dies sei etwa bei der Gefahr eines Arbeitsplatzverlustes der Fall. Es sei nicht zweifelhaft, dass die Resozialisierung des Klägers, die mit seiner bedingten Entlassung begonnen habe, und sein berufliches Fortkommen durch eine Bildnisveröffentlichung gefährdet werden könnten. Verurteilten Straftätern, die sich wieder in die Gesellschaft eingliedern sollten und auch wollten, müsse Schutz vor Veröffentlichung ihres Bildes im Zusammenhang mit früheren Straftaten zugestanden werden. Dem stehe jedoch entgegen, dass der Kläger der Öffentlichkeit im Zusammenhang mit einem der größten Wirtschaftsskandale der Zweiten Republik auch von seinem Abbild her bekannt und wegen einer erheblichen Straftat zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Im Übrigen sei die Berichterstattung wahr und habe den Themenkreis Wirtschaftskriminalität umfasst. Es seien auch nur Bilder veröffentlicht worden, die aus dem Zeitraum des damaligen Strafverfahrens und nicht aus dem heutigen Umfeld des Klägers stammten. Zusammenfassend ging das Rekursgericht davon aus, dass das Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Berichterstattung hinter dem Interesse des Klägers am Unterbleiben einer Bildnisveröffentlichung nicht zurückzustehen habe;

Persönlichkeitsrechte des Klägers seien somit nicht verletzt worden.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs des Klägers ist zulässig, aber nicht berechtigt.

1. Gemäß § 78 UrhG dürfen Bildnisse von Personen nicht veröffentlicht werden, wenn dadurch berechtigte Interessen der Abgebildeten verletzt würden. Bei Auslegung dieser Bestimmung sind die Wertungen des § 7a MedienG zu berücksichtigen. Diese Bestimmung schützt die Identität von Erwachsenen, die eines Verbrechens verdächtig sind oder wegen eines solchen verurteilt wurden, nur dann, wenn die Veröffentlichung ihr Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigen kann (stRsp RIS-Justiz RS0108482). § 7a MedienG unterscheidet nicht, ob die Identität durch Wort- oder durch Bildberichterstattung verletzt wird, der Schutz der Identität wird somit in beiden Fällen gleich beurteilt (4 Ob 216/00v = MR 2001, 92 - bedingte Haftentlassung mwN).

2. Das Klagebegehren ist gerichtet auf Unterlassung der Bildnisveröffentlichung im Zusammenhang mit Ausführungen zu einer 8 Jahre zurückliegenden Straftat und zur strafgerichtlichen Verurteilung. Der Kläger sieht seine Anonymität und damit sein Fortkommen durch die Bildnisveröffentlichung gefährdet. Eine Unterlassung der Namensnennung oder der Wortberichterstattung begehrt er nicht. Er macht auch nicht geltend, dass die Ausführungen zu seiner Person oder zum Konkursfall R***** unrichtig wären.

3. Beide Instanzen haben ihrer Beurteilung den Umstand zugrundegelegt, dass die Medien aus Anlass des gegen den Kläger geführten Strafverfahrens umfangreich unter Namensnennung und Wiedergabe seines Bildes berichtet hatten, Bildberichte auch anlässlich seiner bedingten Entlassung stattfanden und der Kläger dadurch öffentlich bekannt wurde. Ob nun - wie das Erstgericht in seiner rechtlichen Beurteilung meint - sein Aussehen in der Zwischenzeit in Vergessenheit geriet, oder - so das Rekursgericht - nach wie vor noch von einer allgemeinen (auch optischen) Bekanntheit auszugehen ist, ist hier nach den tieferstehenden Erwägungen nicht entscheidend. Ob die mit der Bildnisveröffentlichung verbundene Preisgabe der Identität des Betroffenen dessen Fortkommen unverhältnismäßig beeinträchtigen kann, richtet sich nach den im Zeitpunkt der Bildnisveröffentlichung gegebenen Umständen (4 Ob 110/00f = ÖBl 2001, 284 - Chinesen-Koch). Dass der Kläger zumindest dem Namen nach und nach seiner Funktion als Vorstand der R***** der Öffentlichkeit auch noch im Jahr der beanstandeten Veröffentlichung (2006) bekannt war, ist nicht zweifelhaft. Davon gehen auch beide Vorinstanzen zutreffend aus.

4. Selbst wenn man - wie das Erstgericht - davon ausgehen wollte, dass das Aussehen des Klägers der Öffentlichkeit im Jahr 2006 nicht mehr geläufig war und er erst durch die neuerliche Berichterstattung für die Öffentlichkeit auch optisch wieder erkennbar gemacht wurde, so ergibt die in einem solchen Fall vorzunehmende Interessenabwägung (RIS-Justiz RS0077767 [T1]; zuletzt 4 Ob 172/06g) ein höhergradiges Veröffentlichungsinteresse des Bildnisverbreiters gegenüber den Geheimhaltungsinteressen des Betroffenen.

4.1. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte hat in seiner Entscheidung vom 7. 12. 2006 (Beschwerde Nr 35.841/02 - Österreichischer Rundfunk gegen Österreich) Grundsätze formuliert, die anlässlich der Interessenabwägung bei Beurteilung der Zulässigkeit einer Bildberichterstattung über eine strafgerichtlich verurteilte Person nach deren bedingten Haftentlassung zu berücksichtigen sind. Danach sind entscheidend: der Bekanntheitsgrad der betroffenen Person, die seit der Verurteilung und der Haftentlassung vergangene Zeit, die Art des Verbrechens, der Zusammenhang zwischen dem Inhalt des Berichts und dem gezeigten Bild und die Vollständigkeit und Korrektheit des begleitenden Texts. Schon das Rekursgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Bildnisveröffentlichung aus Gründen der Resozialisierung und der Beibehaltung seines Arbeitsplatzes nicht zweifelhaft ist. Das Resozialisierungsinteresse eines bedingt aus der Strafhaft entlassenen Straftäters ist auch nach der Rechtsprechung des EGMR zu berücksichtigen und kann im Einzelfall das Veröffentlichungsinteresse überwiegen (EGMR vom 25. 5. 2004 Beschwerde Nr 57.597/00 - Österreichischer Rundfunk gegen Österreich = MR 2004, 244).

4.2. Hier ergibt die Anwendung der dargestellten Grundsätze ein überwiegendes Informationsinteresse der Öffentlichkeit an der Bildberichterstattung gegenüber dem Geheimhaltungsinteresse des Klägers:

Auf die Bekanntheit des Klägers seinem Namen und seiner Funktion nach auch noch im Jahr der Veröffentlichung (2006) wurde bereits hingewiesen. Über die „Pleite" der R***** im Jahr 1998, das Verhalten des Klägers und seine strafgerichtliche Verurteilung im Jahr 1999 wurde nicht nur in jenen Medien berichtet, die sich mit wirtschaftlichen Fragen und Fragen des Bankwesens beschäftigen. Sie fanden - gerichtsnotorisch - in fast allen Massenmedien Niederschlag. Auch die bedingte Entlassung des Klägers im Jahr 2003 führte zu Bildberichten. Mag auch die Erinnerung an sein Aussehen bis zur hier beanstandeten Veröffentlichung im Jahr 2006 verblasst und nur mehr wenigen in Erinnerung geblieben sein, so trifft dies auf seinen Namen in Verbindung mit einem der größten Wirtschaftsskandale Österreichs nicht zu.

Ein besonderes Informationsinteresse der Öffentlichkeit wird durch das Ausmaß des damaligen „Skandals", der in den Konkurs einer Bank mündete und eine große Zahl an Geschädigten hinterließ, wie auch durch den Umstand begründet, dass das Konkursverfahren bis heute nicht abgeschlossen ist und noch eine Reihe von Klagen Geschädigter gegen die Republik Österreich wegen Verletzung der Aufsichtspflicht über Banken anhängig sind. Angesichts dieser Verfahren kommt dem Umstand, dass die Taten des Klägers acht Jahre zurückliegen und er 2003 bedingt entlassen wurde, kein entscheidender Einfluss auf die Interessenabwägung zu.

Der die Abbildungen begleitende Text ist (zumindest in seinem Kern) richtig. Es besteht auch ein ausreichender Zusammenhang zwischen der beanstandeten Bildberichterstattung und den Beiträgen in den beiden Magazinen. Der Artikel im Profil beschäftigt sich mit dem „Versagen" von Wirtschaftsprüfern bei Prüfung von Bilanzen anhand so benannter „Affären" und „Skandale" von Banken und Investmentgesellschaften. Die Bezugnahme auf den Wirtschaftsprüfer der R*****, das strafrechtlich relevante Verhalten des Klägers wie auch seine strafgerichtliche Verurteilung sind in diesem Zusammenhang zu verstehen. Der Artikel im Format „Gauner im Nadelstreif" beschäftigt sich mit betrügerischen Praktiken im Zusammenhang mit dem Anlagengeschäft. In diesem Kontext steht die Wiedergabe von Tathandlung und Verurteilung des Klägers verbunden mit dem Hinweis, es seien viele Privatanleger geschädigt, die eine Anleihe (bei der R*****) zu überhöhten Zinsen gezeichnet hätten. Die Bildberichterstattung über den Kläger bewegt sich somit im Rahmen dieses Beitrags über Wirtschaftskriminalität. An solchen im wesentlichen Kern wahren Berichten besteht zur Vermeidung künftiger Schadensfälle ein hohes öffentliches Interesse. Das betrifft auch den Kläger und das von ihm einst geleitete Geldinstitut, ist doch der Konkurs über dessen Vermögen in Verbindung mit den nach wie vor anhängigen Gerichtsverfahren zumindest derzeit noch ein Gegenstand des Informationsinteresses der Öffentlichkeit.

4.3. Dass die Berichte, denen das Bildnis des Klägers angeschlossen war, inhaltlich unrichtig seien, behauptet auch der Kläger nicht. Die ins Treffen geführte inhaltliche Unvollständigkeit (teilweise freisprechendes Strafurteil, Schadensgutmachung) ist im Kontext der maßgebenden Berichterstattung nicht von Bedeutung. Sein in diesem Zusammenhang wiedergegebenes Bild konnte daher auch keinen unrichtigen Eindruck vermitteln (stRsp RIS-Justiz RS0112084 [T1]; zuletzt 4 Ob 172/06g).

Nach den voranstehenden Umständen hat das Interesse des Klägers am Unterbleiben der Bildnisveröffentlichung hinter das Informationsinteresse der Öffentlichkeit auch an der Bildberichterstattung zurückzutreten. Das Rekursgericht hat das Sicherungsbegehren somit zutreffend abgewiesen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 393 Abs 1 EO iVm §§ 41 und 50 Abs 1 ZPO.

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