OGH 14Os93/07v

OGH14Os93/07v28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden, durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll sowie durch die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Khasan S***** wegen des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 zweiter Fall (§ 81 Abs 1 Z 2) StGB und weiterer strafbarer Handlungen über die vom Generalprokurator gegen den Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Mai 2007, GZ 37 Hv 82/07d-15, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung in Anwesenheit des Vertreters des Generalprokurators, Generalanwalt Dr. Eisenmenger, jedoch in Abwesenheit des Verurteilten zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Beschluss des Landesgerichts Innsbruck vom 7. Mai 2007, GZ 37 Hv 82/07d-15, verletzt den im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der Bindungswirkung gerichtlicher Entscheidungen. Der bezeichnete Beschluss wird aufgehoben und der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft zurückgewiesen.

Text

Gründe:

Khasan S***** wurde mit rechtskräftigem (gekürzt ausgefertigtem) Urteil des Landesgerichtes Ried im Innkreis vom 16. Oktober 2003, GZ 9 Hv 77/03f-11, wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Geldstrafe von 180 Tagessätzen verurteilt. Mit rechtskräftigem Beschluss dieses Gerichtes vom 11. Dezember 2006 wurde die Strafe endgültig nachgesehen (ON 24).

Mit rechtskräftigem Urteil des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Mai 2007, GZ 37 Hv 82/07d-15, wurde Khasan S***** des Vergehens der fahrlässigen Körperverletzung nach § 88 Abs 1 und Abs 4 zweiter Fall (§ 81 Abs 1 Z 2) StGB und weiterer strafbarer Handlungen schuldig erkannt und hiefür zu einer Geldstrafe von 360 Tagessätzen sowie zu einer unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung konnte der Einzelrichter in den beigeschafften (vgl S 101) Vorstrafakt, dem die endgültige Strafnachsicht (ON 24) zu entnehmen war, Einsicht nehmen (vgl ON 25 in AZ 9 Hv 77/03f des Landesgerichtes Ried im Innkreis). Dessen ungeachtet wurde mit gemäß § 494a Abs 4 StPO gemeinsam mit dem Urteil verkündetem, gleichfalls in Rechtskraft erwachsenem Beschluss die vom Landesgericht Ried im Innkreis gewährte bedingte Strafnachsicht gemäß § 494a Abs 1 Z 4 StPO widerrufen.

Rechtliche Beurteilung

Der Beschluss des Landesgerichtes Innsbruck vom 7. Mai 2007 auf Widerruf der vom Landesgericht Ried im Innkreis gewährten bedingten Strafnachsicht verstößt - wie der Generalprokurator in seiner deshalb zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde zutreffend ausführt - gegen den im XX. Hauptstück der StPO verankerten Grundsatz der materiellen Rechtskraft.

Zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch das Landesgericht Innsbruck war die Entscheidung des Landesgerichtes Ried im Innkreis über die endgültige Strafnachsicht bereits ergangen. Es durfte daher weder das erkennende Gericht noch ein anderes Gericht ohne vorangegangene prozessordnungsgemäße Kassation hierüber neuerlich absprechen (EvBl 1989/64 = JBl 1989, 400; RIS-Justiz RS0100454; 14 Os 66, 67/03). Wohl konnte wegen der Bindungswirkung des Feststellungsbeschlusses über die Endgültigkeit der Strafnachsicht der dennoch ergangene Widerrufsbeschluss keinerlei Rechtswirkung entfalten, doch war der Letztgenannte zur Klarstellung zu beseitigen und der zu Grunde liegende Antrag des öffentlichen Anklägers zurückzuweisen (12 Os 126/03; Jerabek, WK-StPO § 494a Rz 13).

Stichworte