OGH 14Os88/07h

OGH14Os88/07h28.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. August 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Hon. Prof. Dr. Schroll und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Gutlederer als Schriftführerin in der Strafsache gegen Sakir K***** wegen des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes Linz als Schöffengericht vom 18. April 2007, GZ 34 Hv 33/07t-21, und die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den gemeinsam mit dem Urteil gefassten Beschluss (§ 494a Abs 1 Z 2 StPO) nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde werden die Akten dem Oberlandesgericht Linz zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Sakir K***** des Verbrechens der Vergewaltigung nach § 201 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Danach hat er am 15. Juni 2006 in Traun Jasmin W***** mit Gewalt zur Duldung einer dem Beischlaf gleichzusetzenden Handlung genötigt, indem er ihr beide Arme nach hinten drückte, sie bäuchlings auf das Bett drückte, ihre Unterhose auszog, ihre Hände festhielt und den Analverkehr vollzog.

Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 5, 5a und 11 des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Ein Widerspruch im Sinne der Z 5 dritter Fall liegt (ua) dann vor, wenn Aussprüche über entscheidende Tatsachen nach Denkgesetzen und allgemeiner Lebenserfahrung nicht miteinander in Einklang zu bringen sind oder wenn die festgestellte Tatsache zu den dazu angestellten Erwägungen in einem derartigen Widerspruch steht (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 439). Der Hinweis auf Beweisergebnisse, die allenfalls gegen die getroffene Feststellung sprechen, ist dagegen unter dem Aspekt der Z 5 dritter Fall unbeachtlich (RIS-Justiz RS0117402). Die Frage, ob der Angeklagte das spätere Tatopfer über seinen bevorstehenden Besuch informierte oder „plötzlich unangekündigt vor der Haustür stand", betrifft keine entscheidende Tatsache. Weshalb die Konstatierung, Sakir K***** habe Jasmin W***** um 22.10 Uhr des Tattages telefonisch sein Kommen angekündigt (US 4), in einem nach Z 5 dritter Fall relevanten Widerspruch zur Ansicht der Tatrichter stehen sollte, die Aussage dieser Zeugin, sie hätte - entgegen den weiteren Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung - um

22.26 Uhr nicht mit Sakir K***** telefoniert, indiziere keine generelle Unzuverlässigkeit des gesamten Deponats, vielmehr sei davon auszugehen, dass sie sich an ein allenfalls geführtes Telefongespräch „schlichtweg nicht erinnern konnte" (US 12 ff), macht die Beschwerde (Punkt 1 des Rechtsmittels) nicht klar.

Indem sie aus den Divergenzen zwischen den Angaben der Belastungszeugin und den Ergebnissen der Rufdatenrückerfassung andere Schlüsse zieht als das Erstgericht und die Auffassung vertritt, Jasmin W***** hätte dem Angeklagten anlässlich eines der nach den Feststellungen mit ihm geführten Telefonate, in denen er ihr sein Kommen ankündigte, „sicherlich mitgeteilt", dass sie keinen sexuellen Kontakt wünsche, vermag sie auch keine erheblichen Bedenken gegen die dem Schuldspruch zugrunde liegenden entscheidenden Tatsachen im Sinne der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO zu wecken.

Soweit die weitere Mängelrüge (Punkt 4 des Rechtsmittels) versucht, einen unerörterten Widerspruch in der Aussage der Zeugin W***** im Zusammenhang mit dem Zeitpunkt der Ejakulation des Angeklagten darzutun (Z 5 zweiter Fall), ist ihr zu erwidern, dass das Schöffengericht nach § 270 Abs 2 Z 5 StPO von vornherein nur zu einer gedrängten Darstellung der Urteilsgründe, jedoch nicht dazu verhalten war, den vollständigen Inhalt sämtlicher Zeugenaussagen und sonstiger Beweise zu erörtern (RIS-Justiz RS0106642). Nichtigkeit nach Z 5 zweiter Fall läge nur dann vor, wenn das Gericht bei der für die Feststellung entscheidender Tatsachen angestellten Beweiswürdigung erhebliche, in der Hauptverhandlung vorgekommene (§ 258 Abs 1 StPO) Verfahrensergebnisse unberücksichtigt ließe, wovon bei der hier thematisierten Frage keine Rede sein kann, zumal der Angeklagte den Vollzug eines Analverkehrs mit Jasmin W***** gar nicht bestritten hat.

Mit eigenständigen Überlegungen zum Motiv der Zeugin, ihre ursprünglichen Angaben, Sakir K***** habe nach Vollzug des Geschlechtsverkehrs auf ihre Schlafdecke onaniert, dahin abzuändern, dass es „in ihr" zur Ejakulation kam und „auch etwas auf der Decke war", gelingt es dem Beschwerdeführer auch nicht, erhebliche Bedenken im Sinne des § 281 Abs 1 Z 5a StPO zu erwecken.

Die weitere Tatsachenrüge (Z 5a) vertritt mit Spekulationen zu einem vom Angeklagten „nach aller Lebenserfahrung zu erwartenden" Verhalten die Auffassung, der vom Erstgericht festgestellte Geschehensablauf wäre „unvereinbar mit jeglicher Lebenserfahrung". Aus dem Fehlen von Verletzungen versucht die Beschwerde erhebliche Bedenken gegen die Richtigkeit der Urteilsannahmen einer 10 Minuten andauernden heftigen Gegenwehr das Tatopfers abzuleiten und trachtet, die Verlässlichkeit der Zeugin Jasmin W***** auch mit der Begründung in Zweifel zu ziehen, dass sie unmittelbar nach dem in Rede stehenden Vorfall anlässlich eines Telefonats mit ihrer Freundin Marlies S***** (nach deren Angaben) behauptet hatte, vom Angeklagten „von vorne und hinten" vergewaltigt worden zu sein, während sie gegenüber Kriminalpolizei und Gericht stets nur von einem Analverkehr gesprochen hatte.

Damit stellt die Rüge den Urteilsannahmen bloß eigene Auffassungen und Erwägungen gegenüber und zielt solcherart - außerhalb der Anfechtungskategorien der Z 5a des § 281 Abs 1 StPO - auf eine über die Prüfung erheblicher Bedenken hinausgehende Auseinandersetzung mit der Überzeugungskraft von Beweisergebnissen ab, wie sie die Berufung wegen Schuld des Einzelrichterverfahrens einräumt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 490). Erhebliche Bedenken im Sinne des in Anspruch genommenen Nichtigkeitsgrundes werden damit nicht aufgezeigt.

Die Sanktionsrüge (Z 11 zweiter Fall) bringt mit ihrer Forderung nach Annahme der Milderungsgründe der §§ 35 und 34 Abs 1 Z 7 StGB nur Berufungsgründe zur Darstellung (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 728). Weshalb die beiden Vorverurteilungen des Angeklagten wegen §§ 27 Abs 1 und Abs 2 Z 2 erster Fall SMG, 50 Abs 1 Z 2 WaffG (AZ 33 Hv 229/04d des Landesgerichtes Linz) und § 27 Abs 1 SMG (AZ 7 U 78/05p des Bezirksgerichtes Steyr) nicht auf der gleichen schädlichen Neigung wie die aktuelle - mit der Zufügung einer Körperverletzung verbundene (US 6) und im Zustand „ziemlicher" Alkoholisierung (US 4) begangene - Vergewaltigung beruhen, sich darin also nicht ebenfalls ein Hang des Beschwerdeführers zum Konsum legaler und illegaler Drogen und zur Missachtung der körperlichen Integrität Dritter manifestieren sollte, legt sie nicht dar. Eine offenbar unrichtige rechtliche Beurteilung einer Strafzumessungstatsache im Sinne des herangezogenen Nichtigkeitsgrundes wird damit nicht aufgezeigt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufungen und die Beschwerde (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten beruht auf § 390a Abs 1 StPO.

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