Spruch:
Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters wird mangels der Voraussetzungen des § 62 Abs 1 AußStrG zurückgewiesen.
Text
Begründung
Die Ehe der Eltern der bei Beschlussfassung erster Instanz 5-jährigen Nina und des 4-jährigen David wurde mit Urteil des Bezirksgerichts Korneuburg vom 22. November 2005 rechtskräftig geschieden. Das Verschulden an der Zerrüttung traf beide Streitteile. Sowohl die Mutter, als auch der Vater stellten jeweils den Antrag, sie mit der Obsorge für die Kinder allein zu betrauen. Unter der Voraussetzung, das beide Kinder sich hauptsächlich bei ihm aufhielten, erklärte sich der Vater auch damit einverstanden, dass die Obsorge beider Elternteile aufrecht bleibe. Am 9. Dezember 2005 schlossen die Eltern eine vorläufige Regelung über die (tageweise) Betreuung der Kinder. Der Vater übt seit Frühjahr 2006 eine Vollzeitbeschäftigung bei einer Bank aus und bewohnt mit einer Lebensgefährtin die ehemalige Ehewohnung (ein Haus in Niederösterreich). Die Mutter arbeitet zwischen 20 und 30 Stunden in der Woche und studiert Betriebswirtschaftslehre. Sie bewohnt derzeit eine in Wien gelegene, etwa 75 m2 große Wohnung.
Am 31. Juli 2006 erklärte der Vater in einem an den Rechtsvertreter der Mutter gerichteten Brief, dass er nunmehr sein Aufenthaltsbestimmungsrecht für die Kinder in Anspruch nehme und die Mutter nur mehr berechtigt sei, die Kinder 14-tägig jeweils von Freitag nachmittags nach der Schule bis Sonntag abends zu sich zu nehmen; darüber hinaus einmal wöchentlich an einem noch zu vereinbarenden Wochentag.
Mit einstweiliger Verfügung des Pflegschaftsgerichts vom 24. August 2006 wurde vorläufig wiederum eine tageweise Betreuung durch die Mutter festgelegt (Dienstag und Donnerstag bis Samstag), an den übrigen Tagen durch den Vater.
Nun wies das Erstgericht allein der Mutter die Obsorge für beide Kinder zu. Das Rekursgericht bestätigte diesen Beschluss und sprach aus, dass der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig sei. Der außerordentliche Revisionsrekurs des Vaters ist mangels einer Rechtsfrage von erheblicher Bedeutung iSd § 62 Abs 1 AußStrG zurückzuweisen.
Rechtliche Beurteilung
1) Der auch im Obsorgeverfahren geltende Grundsatz, dass ein vom Rekursgericht verneinter Mangel des Verfahrens erster Instanz nicht mehr in dritter Instanz erfolgreich gerügt werden kann (RIS-Justiz RS0050037), wurde durch die Rsp dahin eingeschränkt, dass er dann nicht mehr zu gelten habe, wenn dies aus besonders schutzwürdigen
Interessen des Kindeswohls erforderlich sei (1 Ob 2292/96g = EvBl
1997/103 = RZ 1997/57 u.a.; RIS-Justiz RS0050037). Ungeachtet dessen,
dass bei der Entscheidung über die Obsorge das Kindeswohl im Vordergrund zu stehen hat, hängt die Frage, welche konkreten Beweise bei der Obsorgeentscheidung aufzunehmen sind und in welchem Umfang Beweisanboten einer Partei zu entsprechen ist, von den jeweiligen Umständen des Einzelfalls ab (6 Ob 219/00z). Im vorliegenden Fall hatte der Vater im Rahmen einer von der Gerichtssachverständigen an ihm vorgenommenen umfangreichen Exploration Gelegenheit, aus seiner Sicht die Situation der Kinder und die bisherigen Geschehnisse zu schildern. Nach Erhalt des Gutachtens verfasste er eine 53 Punkte umfassende Stellungnahme, die sich im Wesentlichen auf die neuerliche Darlegung der Situation aus seiner Sicht beschränkt (ON S-49).
a) Das Erstgericht erachtete eine Gutachtensergänzung nur zu zweien dieser 53 Punkte als erforderlich. Wenn nun das Rekursgericht das Vorliegen eines Verfahrensmangels unter Hinweis darauf verneinte, dass den übrigen Punkten, insbesondere den in der Stellungnahme des Vaters enthaltenen Aufzählung einzelner Begebenheiten, keine Entscheidungsrelevanz zukomme, stellt dies keine das Kindeswohl gefährdende grobe Fehlbeurteilung dar. Für das vom Rechtsmittelwerber geforderte Recht, der Sachverständigen „ungefiltert" Stellungnahmen bzw Fragen zwecks Gutachtensergänzung vorzulegen, bietet das Außerstreitgesetz keine ausreichende Grundlage.
b) Der Vater hat zum Beweis für sein in den 53 Punkten erstattetes Vorbringen u.a. die Einvernahme seiner nunmehrigen Lebensgefährtin und zur „Vervollständigung des Sachverhalts und insbesondere zur Einschätzung der für die Kinder besser geeigneten Obsorgesituation" die Einvernahme einer von der Mutter beschäftigen Pflegeperson beantragt. Die Ansicht des Rekursgerichts, nach Vorliegen des Gutachtens begründe die Unterlassung der Einvernahme dieser beiden Zeuginnen mangels Entscheidungsrelevanz keinen Verfahrensmangel, bedarf unter dem Gesichtspunkts aus Gründen des Kindeswohls ebenfalls keiner Korrektur.
c) Eine mündliche Verhandlung muss das Gericht dann anberaumen, wenn es dies zur Beschleunigung des Verfahrens, Erhebung des Sachverhalts oder Erörterung von Rechtsfragen zweckmäßig hält (Rechberger, AußStrG, § 18 Rz 2). Dies gilt auch, wenn - wie hier - ein Parteiantrag auf Anberaumung einer Verhandlung gestellt wurde. Für die Ausübung dieses Ermessens sind regelmäßig die besonderen Umstände des Einzelfalls maßgeblich. Im vorliegenden Fall verblieben nach schriftlicher Ergänzung des Gutachtens nur mehr Ausführungen bzw Stellungnahmen des Vaters, denen keine Entscheidungsrelevanz zukommt, sodass nicht ersichtlich ist, inwiefern das Erstgericht durch die Nichtanberaumung einer mündlichen Verhandlung seinen Ermessensspielraum überschritten bzw das Rekursgericht durch die Verneinung eines diesbezüglichen Verfahrensmangels das Kindeswohl gefährdet hätte.
Zusammenfassend liegen in dritter Instanz aufzugreifende Verfahrensmängel nicht vor.
2) Soweit mit der Rechtsrüge in Wahrheit Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen bekämpft werden, ist dies unzulässig, weil der Oberste Gerichtshof auch im Außerstreitverfahren nur als Rechts-, nicht aber als Tatsacheninstanz entscheidet (RIS-Justiz RS0006737; RS0108449).
3) Die nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffende Entscheidung, welchem Elternteil bei Gegenüberstellung der Persönlichkeit, der Eigenschaften und der Lebensumstände die Obsorge für das Kind übertragen werden soll, ist eine solche des Einzelfalls (RIS-Justiz RS0007101). Der Rechtsmittelwerber zeigt weder eine Verletzung der leitenden Grundsätze der Rsp durch die Vorinstanzen auf, noch gelingt es ihm darzulegen, dass auf das Kindeswohl nicht ausreichend Bedacht
genommen worden sei (6 Ob 178/06d mwN = EF-Z 2007/24 S 36 [Höllwerth]
= Zak 2007/12 S 14 [Nademleinsky] = FamZ 2007/57 S 104 [Fucik];
RIS-Justiz RS0115719). Vielmehr setzt er sich noch in seinem Revisionsrekurs darüber hinweg, dass er im Sommer 2006 seine damals 4- bzw. 5 ½-jährigen Kinder belastete, indem er sie - von der bestehenden einvernehmlichen Regelung einseitig abgehend - auf unbestimmte Zeit bei sich behielt und den Kontakt zur Mutter unterband. Weiters lässt er unerwähnt, dass dieser Zustand nur mittels einer einstweiliger Verfügung beendet werden konnte und vertritt weiterhin die Meinung, diese „Vorkommnisse" seien keinesfalls als Ausdruck seines geringen Einfühlungsvermögens in die Bedürfnisse der Kinder aufzufassen. Wenn die Vorinstanzen dem - zu gegenteiligen Schlussfolgerungen gelangenden - Gutachten folgten und letztlich davon ausgingen, möglichst günstige Voraussetzungen für die Entwicklung der beiden Kleinkinder seien in Hinkunft eher bei der Mutter gewährleistet, scheint das maßgebliche das Kindeswohl ausreichend berücksichtigt.
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