Spruch:
Es verletzen das Gesetz
1./ das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. Februar 2006, GZ 141 Hv 13/06z-61,
a./ in der rechtlichen Beurteilung der Rene E***** und Patrik F***** zu B./I./ und II./ zur Last liegenden Taten als das Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG in dieser Bestimmung;
b./ im hinsichtlich beider Angeklagten ergangenen Ausspruch über die Einziehung der bei ihnen sichergestellten Mobiltelefone in der Bestimmung des § 26 Abs 1 StGB;
c./ im - nicht in Form eines Beschlusses erfolgten - Ausspruch über die Erteilung von Weisungen und die Anordnung von Bewährungshilfe in der Bestimmung des § 50 StGB iVm § 498 Abs 1 StPO;
2./ das Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 15. Februar 2006, GZ 30 U 138/05s-20, im Schuldspruch des Patrik F***** in der Bestimmung des § 35 Abs 1 iVm § 37 SMG.
Das zu 2./ genannte Urteil des Bezirksgerichts Favoriten, welches hinsichtlich des Einziehungserkenntnisses der sichergestellten Suchtmittel unberührt bleibt, wird im Schuld- und Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Bezirksgericht Favoriten verwiesen.
Text
Gründe:
Rene E***** und Patrik F***** wurden mit (am selben Tag in Rechtskraft erwachsenem) Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 9. Februar 2006, GZ 141 Hv 13/06z-61, jeweils des Verbrechens nach § 28 Abs 2 SMG (A./) und „des" Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG (B./) schuldig erkannt. Letzterem zufolge haben sie in Wien Suchtgift erworben und besessen „und selbst konsumiert", und zwar B./I./ Patrik F***** in der Zeit von November 2004 bis Ende November 2005 Heroin in einer Gesamtmenge von mindestens ca 70 bis 80 Gramm, II./ Rene E***** in der Zeit von Anfang 2000 bis Ende November 2005 Heroin und Cannabisharz in nicht mehr feststellbarer Menge. Beide wurden nach § 28 Abs 2 SMG zu teilweise bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafen verurteilt und es wurde beiden im Urteil - und nicht in Form eines gesonderten Beschlusses - die Weisung erteilt, sich Suchtgiftentwöhnungsbehandlungen zu unterziehen; in ebendieser Form wurde hinsichtlich Rene E***** Bewährungshilfe angeordnet. Gemäß § 26 Abs 1 StGB wurden die „beiden bei den Angeklagten sichergestellten Mobilfunkgeräte" eingezogen (US 5), und zwar „sicherheitshalber", weil die Telefone der beiden Angeklagten auch zur Abwicklung der Suchtgiftgeschäfte verwendet wurden (US 11). In der Endverfügung (ON 64) wurde angeordnet, dass die SIM-Karten zum Akt genommen werden, das Verkaufsverfahren nur hinsichtlich der Mobiltelefone eingeleitet und der Erlös dem Bundesschatz zugeführt werde (S 464), was auch geschah.
Mit - in gekürzter Form ausgefertigtem - Urteil des Bezirksgerichts Favoriten vom 15. Februar 2006, GZ 30 U 138/05s-20, wurde Patrik F***** der Vergehen nach § 27 Abs 1 SMG schuldig erkannt, weil er den bestehenden Vorschriften zuwider in Wien ein Suchtgift erworben und besessen hat, und zwar
1./ vom 1. Juli 1999 bis 26. August 2004 sowie vom 28. August 2004 bis 18. Jänner 2005 täglich Heroin in geringer Menge, 2./ am 19. April 2005 „1" Heroin in geringer Menge; 3./ am 8. Mai 2005 drei Stück Substitol.
Er wurde zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe verurteilt. Auf die Vorverurteilung durch das Landesgericht für Strafsachen Wien wurde - in Ermangelung ihrer Aktenkundigkeit - nicht Bedacht genommen.
Rechtliche Beurteilung
Beide Entscheidungen stehen - wie der Generalprokurator in seiner zur Wahrung des Gesetzes erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde teilweise zutreffend aufzeigt sowie von Amts wegen wahrzunehmen ist (§ 290 Abs 1 StPO) - mit dem Gesetz nicht im Einklang.
Im Verfahren AZ 141 Hv 13/06z des Landesgerichts für Strafsachen Wien wurde das Gesetz mehrfach unrichtig angewendet. In Hinblick auf die Schuldsprüche der Angeklagten wegen „des" Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG, deren Begründung sich darin erschöpft, das Verhalten der beiden Angeklagten habe „objektiv und subjektiv den Tatbestand des Vergehens nach § 27 Abs 1 SMG" erfüllt (US 10), hat das Schöffengericht außer Acht gelassen, dass § 27 Abs 1 SMG ein kumulatives Mischdelikt darstellt, sodass den Angeklagten, denen sowohl der Erwerb als auch der Besitz des Suchtgifts zur Last liegt, jedenfalls (zumindest) jeweils zwei Vergehen, nämlich einerseits jenes nach § 27 Abs 1 erster Fall SMG, andererseits jenes nach § 27 Abs 1 zweiter Fall SMG vorzuwerfen sind (vgl Hinterhofer/Rosbaud, SMG § 27 Rz 5). Des weiteren enthält das Urteil keine Feststellungen darüber, ob die Angeklagten die von ihnen besessenen und konsumierten Suchtgiftmengen jeweils bei einem Vorgang oder aber in mehreren Angriffen erworben haben, wobei im letztgenannten Fall nicht von bloß einem, sondern von mehreren Vergehen nach § 27 Abs 1 erster Fall SMG auszugehen gewesen wäre, weil eine Zusammenrechnung zu verschiedenen Zeiten zum eigenen Gebrauch erworbener geringer Suchtmittelmengen nicht in Betracht kommt (RIS-Justiz RS0112991). Die unzutreffende rechtliche Beurteilung des Erstgerichtes wirkte sich jedoch nicht zum Nachteil der Angeklagten aus.
Rechtlich verfehlt war auch die Einziehung der sichergestellten Mobiltelefone (vgl 13 Os 83/06i, EvBl 2007/23, 117). Einziehung setzt nämlich nach § 26 Abs 1 StGB voraus, dass diese vorbeugende Maßnahme nach der besonderen Beschaffenheit des betroffenen Gegenstandes geboten erscheint, um der Begehung mit Strafe bedrohter Handlungen durch den Täter selbst oder durch andere Personen entgegenzuwirken. Von einer besonderen Deliktstauglichkeit von Mobiltelefonen kann in aller Regel nicht die Rede sein. Selbst wenn auf den Geräten „gefährliche Daten", wie etwa sonst nicht zugängliche Adressen von Suchtgiftabnehmern oder Lieferanten, gespeichert waren, wäre den Berechtigten vor einer Einziehung nach § 26 Abs 2 StGB angemessen Gelegenheit zu geben, diese besondere Beschaffenheit zu beseitigen (Ratz in WK² § 26 [2005] Rz 6, 15, 18; RIS-Justiz RS0121299). Dass das Gericht den Telefongeräten keine objektive Gefährlichkeit beimaß, ergibt sich bereits aus der Anordnung des Verkaufsverfahrens. Schließlich hätte die Erteilung von Weisungen und die Anordnung von Bewährungshilfe gemäß § 50 StGB iVm § 498 Abs 1 StPO nicht im Urteilsspruch, sondern mit gesondert zu verkündendem und auszufertigendem Beschluss zu erfolgen gehabt (Schroll in WK2 [2006] § 50 Rz 16; Danek, WK-StPO § 270 Rz 50).
Im Verfahren AZ 30 U 138/05s des Bezirksgerichts Favoriten mangelt es, obwohl nach der Aktenlage indiziert, an einer gemäß § 37 SMG vom Gericht vorzunehmenden Prüfung der Diversionsvoraussetzungen iSd § 35 Abs 1 SMG (vgl RIS-Justiz RS0113620; Kirchbacher/Schroll, RZ 2005, 170 f). Nach der Aktenlage bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass der Verurteilte mehr als geringe Mengen des genannten Suchtmittels zum eigenen Gebrauch erworben und besessen habe. Die Bezirksrichterin wäre daher gemäß § 37 SMG verpflichtet gewesen, vorerst Auskunft und Stellungnahme gemäß § 35 Abs 3 SMG sowie die Zustimmung des Angezeigten zu allenfalls notwendigen gesundheitsbezogenen Maßnahmen einzuholen und sodann zu beurteilen, ob die Voraussetzungen für eine Diversion iSd § 35 Abs 1 SMG gegeben sind. Dass das Verfahren gemeinsam mit dem Verfahren AZ 141 Hv 13/06z des Landesgerichts für Strafsachen Wien geführt werden hätte können, hindert eine vorläufige Verfahrenseinstellung ebenso wenig wie die einschlägigen Vorstrafen (15 Os 21/04).
Die Unterlassung dieser Prüfung erfordert hinsichtlich des Urteils des Bezirksgerichts Favoriten ein Vorgehen des Obersten Gerichtshofes nach § 292 letzter Satz StPO in Form der Urteilskassation und Anordnung der Verfahrenserneuerung, während es hinsichtlich der dem Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien anhaftenden Rechtsfehler mit deren Feststellung sein Bewenden haben kann. Im Zusammenhang mit diesem Schuldspruch des Bezirksgerichts Favoriten wird zudem bemerkt, dass Patrik F***** im Verfahren AZ 141 Hv 13/06z des Landesgerichts für Strafsachen Wien mit dem oben erwähnten Urteil schuldig erkannt worden war, weil er „in der Zeit von November 2004 bis Ende November 2005 Heroin in einer Gesamtmenge von ca 70 bis 80 Gramm" erworben, besessen und „selbst konsumiert" hat (ON 61). Die vom Schuldspruch des Bezirksgerichts Favoriten ebenfalls erfasste Tatzeiten von November 2004 bis 18. Jänner 2005 sowie 19. April 2005 betreffen angesichts des vorgeworfenen Erwerbs und Besitzes von gleichartigem Suchtgift die selbe Tat, derentwegen der Angeklagte bereits rechtskräftig verurteilt wurde. Insoweit liegt daher ein Verstoß gegen den Grundsatz „ne bis in idem" vor. Die Entscheidung ist auf einer insofern in tatsächlicher Hinsicht objektiv falschen Verfahrensgrundlage ergangen, ohne dass dem Gericht, das in schuldloser Unkenntnis der Vorverurteilung war, ein Rechtsfehler anzulasten ist. Eine außerordentliche Wiederaufnahme nach § 362 StPO (vgl Ratz, WK-StPO § 292 Rz 16) erübrigt sich in Hinblick auf die aus dem zuvor dargestellten Grund erforderliche Urteilskassation.
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