Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die klagende Partei ist schuldig, der beklagten Partei die mit EUR 665,66 (darin EUR 208,02 USt) bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Beklagte unterhält am Flughafen S***** eine Flugsicherungsstelle, der neben dem eigentlichen Fachbereich der Flugsicherung auch Flugwetterdienst, Technik und Flugtechnik angehören. Insgesamt umfasst die Flugsicherungsstelle 48 Mitarbeiter. Vor Ort sind Chief Terminals (früher „Fachdienstleiter") bestellt, die gegenüber den in ihrem Fachbereich tätigen Personen weisungsbefugt sind, die disziplinäre Aufsicht ausüben, Dienst- und Urlaubspläne festlegen und die Einhaltung der von der Zentrale ausgehenden Dienstvorschriften, etwa in Bezug auf Überstunden, überwachen. Eine gemeinsame Leitung der einzelnen Fachdienste der Flugsicherungsstelle besteht nicht. Der jeweilige Chief Terminal ist der jeweiligen Zentralabteilung berichtspflichtig. Der eigentliche Fachbereich der Flugsicherung umfasst den Tower (Flugplatzkontrollstelle), Approach (Anflugkontrolle) und ARO (Flugberatung). Der im Jahr 2000 zuständige Fachdienstleiter Franz K***** unterstand dem Leiter der Abteilung I/Flugsicherungsbetrieb, Karl W***** in der Wiener Zentrale, dieser unterstand wieder direkt dem Vorstand. Karl W***** erteilte dem Fachbereichsleiter K***** im Jahr 2000 den Auftrag, die Gesamteinsatzstunden am Flughafen Salzburg zu reduzieren, dh die Mitarbeiter für insgesamt weniger Arbeitsstunden einzuteilen. Im Allgemeinen oblag es dem Leiter der Abteilung I/Flugsicherungsbetrieb in Wien, die tägliche Gesamtarbeitszeit der Mitarbeiter am Flughafen Salzburg festzulegen. Die konkrete Erstellung von Dienstplänen und die Aufteilung der Mitarbeiter auf die vorgegebene Stundenzahl ist wiederum Aufgabe des örtlichen Fachdienstleiters. Franz K***** fürchtete, dass die angestrebte Stundenreduzierung einerseits Schwierigkeiten mit dem Personal bringen und andererseits zusätzliche Komplikationen bei der Einteilung der Sommerurlaube herbeiführen werde. Aus diesem Grund schloss er mit dem damaligen Vorsitzenden des klagenden Betriebsrates nach entsprechender Beschlussfassung des Betriebsrates am 20. 3. 2001 eine „Vereinbarung" folgenden Inhaltes ab, welche sowohl K***** als auch der Betriebsratsvorsitzende unterfertigten:
„A*****
Flugsicherungsbetrieb S*****
FB SZ 06bpo/2001
20. 3. 2001
Betr.: Dienstschichten beim FD Betrieb S*****:
Vereinbarung mit Betriebsrat
Vereinbarung zwischen A*****, FD Betrieb S***** und Betriebsrat der Flugsicherungsstelle Salzburg
Im Einvernehmen mit dem Betriebsrat der Flugsicherungsstelle Salzburg
wird
ab 01 APL 2001
bis auf weiteres die tägliche Arbeitsplatzbesetzung wie folgt
festgelegt:
CHF/TWR/T1 TWR/T2 TWR/T3 CHF/TWR/T4
H 8,5 H 11,0 H 11,5 H 9,0
(0545-1415) (0700.1800) (1000-2130) (1400-2300)
CHF/APP/A1 APP/A2 APP/A3 CHF/APP/A4
H 8,5 H 11,0 H 11,5 H 9,0
(0545-1415) (0700-1800) (1000-2130) (1400-2300)
ARO/B1 ARO/B3
H 10 H 10
(0630-1630) (1200-2200)"
Der Buchstabe „H" ist die Abkürzung für „hour" und regelt, wie viele Stunden die jeweilige Position besetzt sein muss, die in Klammer angeführten Zeiten geben die genaue Uhrzeit der Besetzung an. CHF bedeutet Chief, TWR Tower: „APP" und „ARO" sind die schon genannten weiteren Unterabteilungen des Fachbereichs. Von dieser Vereinbarung sind ca 20 Personen betroffen. Am linken unteren Ende dieser Vereinbarung findet sich der Vermerk „Vereinbarung BR". Diese „Vereinbarung" entsprach im Wesentlichen der schon zuvor durch mehrere Jahre hindurch praktizierten Schichteinteilung der Lotsen am Flughafen S*****. Der Fachdienstleiter K***** hatte vor Abschluss dieser Vereinbarung keine Verantwortlichen der Beklagten informiert. Die Aufgabe der Erstellung der monatlichen Dienstpläne hatte er mit Kenntnis der Beklagten bereits seit 1993 an den Vorsitzenden des Betriebsrates delegiert. Mit Schreiben vom 30. 3. 2001 übermittelte K***** die „Vereinbarung" seinem Vorgesetzten Karl W***** in Wien mit dem Bemerken, dass der Flugsicherungsbetrieb Salzburg unter eklatantem Personalmangel leide, daher im Einvernehmen mit dem Betriebsrat die tägliche Arbeitsplatzbesetzung bereits verkürzt worden sei und weitere Reduktionen nicht möglich seien. Karl W***** sah sich zu keinen weiteren Maßnahmen veranlasst. Er übermittelte die „Vereinbarung" auch niemand anderem und ließ sie auch nicht anschlagen. Am 28. 4. 2001 hielt der Kläger eine Betriebsratssitzung ab, an der neben dem Vorsitzenden auch dessen Stellvertreter, ein weiteres Mitglied, welches gleichzeitig designierter Nachfolger des bisherigen Fachdienstleiters war sowie der bereits in Pension befindliche Franz K***** teilnahmen. Im Protokoll dieser Sitzung wurde unter anderem festgehalten, dass der Fachdienstleiter Franz K***** mit dem Kläger eine Vereinbarung betreffend die Arbeitsplatzbesetzung (Stundensoll) beim Fachdienstbetrieb abgeschlossen habe.
Bei der Beklagten liegt ein „Betriebshandbuch" auf, welches jedem Mitarbeiter ausgehändigt wird und in dem Änderungen von den Mitarbeitern abzuzeichnen sind. Es enthält unter anderem folgenden Punkt: „1101 Die tägliche Arbeitsplatzbesetzung ist durch eine Vereinbarung mit dem örtlichen Betriebsrat und mit Zustimmung der Abteilung Flugsicherungsbetrieb (ATM) wie folgt festgelegt: ... (es folgt eine grundsätzliche, nach Funktionen gegliederte Schichtplanaufstellung) ....".
Bei der Beklagten besteht eine Betriebsvereinbarung über die Dienstzeit im Schichtdienst vom 28. 6. 1999, abgeschlossen zwischen der Geschäftsleitung der A***** Gesellschaft ***** mbH und dem Zentralbetriebsrat der A***** Gesellschaft ***** mbH. Die von den damaligen Geschäftsführern und dem Vorsitzenden des Zentralbetriebsrates gefertigte Betriebsvereinbarung enthält unter anderem folgende Regelungen:
Pkt 1.1 „Dienstzeit ...
Pkt 1.2 Dienstplanerstellung ...
Pkt 1.2.2 Der Dienstplan ist unter Zugrundelegung der monatlichen
Dienstzeit gemäß Pkt 1.1 bzw Pkt 1.1.2 einvernehmlich mit dem Betriebsrat zu erstellen.
Pkt 1.3 Bekanntgabe des Dienstplanes ...
Pkt 1.3.1 Der Dienstplan ist mindestens 15 Tage vor Beginn seiner Laufzeit bekannt zu geben. Zur Aufrechterhaltung des Dienstbetriebes tritt der Dienstplan auf Anordnung des Abteilungsleiters auch dann in Kraft, wenn das Einvernehmen mit dem Betriebsrat nicht hergestellt werden konnte; in diesem Fall ist die Geschäftsleitung schriftlich vom Abteilungsleiter in Kenntnis zu setzen."
Ausdrücklich nicht festgestellt werden kann, an welchen Stellen im Betrieb der Beklagten in Salzburg die Vereinbarung angeschlagen wurde und welche Personen von ihr Kenntnis nahmen.
Mit seiner mehr als drei Arbeitnehmer der Flugsicherungsstelle S***** betreffenden Klage begehrt der klagende Betriebsrat die Feststellung, dass es sich bei der Vereinbarung vom 20. 3. 2001 um eine Betriebsvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG handle. Die Vereinbarung sei ordnungsgemäß zwischen dem Betriebsrat und dem zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung befugten Fachdienstleiter des Betriebes S***** schriftlich abgeschlossen und ordnungsgemäß kundgemacht worden. Bei der Betriebsvereinbarung handle es sich inhaltlich um eine generelle Festsetzung von Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit auf den einzelnen Arbeitsplätzen und die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage Sonntag bis Samstag. Die individuelle Besetzung der Arbeitsplätze, welche gar nicht Gegenstand einer Betriebsvereinbarung sein könne, erfolge durch einen konkreten Schichtplan, welcher einvernehmlich mit dem Betriebsrat festzulegen sei.
Die Beklagte bestritt das Klagebegehren und beantragte die Abweisung der Klage. Soweit im Revisionsverfahren noch relevant, wendete sie ein, dass die Vereinbarung vom 20. 3. 2001 keine Betriebsvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG darstelle, weil sie keine Arbeitszeitfestsetzung für den ganzen Betrieb oder einzelne Betriebsteile bzw Abteilungen in der Weise enthalte, dass sie zumindest für mehrere nach allgemeinen Merkmalen bestimmte Arbeitnehmer zu gelten habe, sondern sie betreffe die tägliche Arbeitsplatzbesetzung einzelner Betriebsbereiche in den Abteilungen nach Kapazitätsgesichtspunkten. Es habe auch gar nicht der Absicht sowohl des Betriebsrates als auch des Fachdienstleiters entsprochen, eine „Betriebsvereinbarung" im Sinn des § 29 ArbVG abzuschließen. Der Fachdienstleiter sei auch nicht „Betriebsinhaber" und daher zum Abschluss gar nicht befugt gewesen. Vielmehr bestehe im Unternehmen die jahrelange betriebliche Übung, dass Betriebsvereinbarungen nur von den zuständigen Vertretungsorganen der Beklagten unterfertigt werden, nie jedoch vom Fachdienstleiter. Sämtliche als solche bezeichneten „Betriebsvereinbarungen" seien bislang ausnahmslos durch den Vorstand unterfertigt worden. Die verfahrensgegenständliche Vereinbarung sei auch nicht ordnungsgemäß kundgemacht worden, weil sie weder im Betrieb aufgelegt noch angeschlagen worden sei. Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass unter Anwendung der Auslegungsgrundsätze des § 914 ABGB klar gewesen sei, dass keine „Betriebsvereinbarung" zustandekommen sollte, sondern nur eine einvernehmliche Regelung der Dienststunden während der Sommerzeit 2001.
Das Berufungsgericht bestätigte das Urteil des Erstgerichtes. Es vertrat die Rechtsauffassung, dass die Vereinbarung vom März 2001 keinen nach § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG zulässigen Regelungsinhalt aufweise. Darin werde nämlich weder der Beginn und das Ende der täglichen Arbeitszeit für einen bestimmten Betriebsteil bzw eine bestimmte Abteilung festgesetzt, noch das bestimmte Ausmaß der Arbeitszeit auf einzelne Wochentage verteilt. Die Vereinbarung regle nur die tägliche Arbeitsplatzbesetzung. Es werde nur festgelegt, welcher Arbeitsplatz in welchem Zeitraum zu besetzen sei. Dabei handle es sich aber alleine um eine Entscheidung des Arbeitgebers, in welchem Zeitraum er die Besetzung eines bestimmten Arbeitsplatzes für notwendig erachte, es erfolge damit keine Regelung über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, weshalb auch auf Grund dieser Vereinbarung gar nicht überprüft werden könne, ob damit etwa die Grenzen der arbeitszeitrechtlichen bzw einzelvertraglichen Regelungen beachtet werden. Mangels zulässigen Regelungsinhalts entfalte die Vereinbarung vom 20. 3. 2001 daher keine normative Wirkung. Das Berufungsgericht sprach aus, dass die Revision zulässig sei, weil zur Frage des Gestaltungsspielraumes der Parteien einer Betriebsvereinbarung im Sinne des § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG Rechtsprechung fehle. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Revision des Klägers aus dem Grund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung mit dem Antrag, das angefochtene Urteil dahin abzuändern, dass dem Klagebegehren stattgegeben werde; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist zulässig, sie ist aber nicht berechtigt. Unabhängig davon, ob der vom Berufungsgericht bemängelte Inhalt zulässig ist oder nicht, entfaltet die Vereinbarung vom 20. 3. 2001 schon mangels ausreichender Vertretung der Arbeitgeberin beim Vertragsschluss keine Wirksamkeit.
Gemäß § 29 ArbVG sind Betriebsvereinbarungen schriftliche Vereinbarungen, die vom Betriebsinhaber einerseits und dem Betriebsrat (Betriebsausschuss, Zentralbetriebsrat, Konzernvertretung) andererseits in Angelegenheiten abgeschlossen werden, deren Regelung durch Gesetz oder Kollektivvertrag der Betriebsvereinbarung vorbehalten ist. Parteien beim Abschluss einer Betriebsvereinbarung sind daher einerseits der Betriebsinhaber und andererseits die Belegschaft des Betriebes (Strasser, ArbVG Komm § 29 Rz 7; Cerny in ArbVG II3, 185). Betriebsinhaber ist der Unternehmer, also der Arbeitgeber (Tomandl/Schrammel Arbeitsrecht I5 175, 110 f). Diese Interpretation ergibt sich auch aus der Judikatur, wonach aus Gründen der Rechtssicherheit für den gemäß § 31 ArbVG Normwirkung entfaltenden Vertrag die „firmenmäßige Zeichnung" der Betriebsvereinbarung zu fordern ist (9 ObA 178/95). Soweit sich der klagende Betriebsrat zum Beweise seiner Auffassung, dass die Leiter der jeweiligen Flugsicherungsstellen zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung im Sinn des § 97 Abs 1 Z 2 ArbVG befugt seien, auf die Entscheidung 9 ObA 143/95 beruft, ergibt sich daraus keine solche Rechtsauffassung: Dort ging es vielmehr darum, ob den örtlichen Flugsicherungsstellen, so auch der Flugsicherungsstelle S*****, Betriebseigenschaft zukomme. Lediglich zur Untermauerung der Betriebsqualität wurde ausgeführt, dass mit dem örtlichen Fachdienstleiter, der die disziplinäre Aufsicht habe, die Erstellung von Dienst- und Urlaubsplänen und die Überwachung der Einhaltung der von der Zentrale erlassenen Dienstvorschriften besorge und dem daher in der Praxis ein nicht unerheblicher faktischer Einfluss auf die Personalentscheidungen der Zentrale, etwa im Wege von Empfehlungen, zukomme, ein vom manchen Autoren geforderter „Ansprechpartner" des Betriebsrates bestehe. Keine Rede ist jedoch davon, dass daraus die Befugnis eines Betriebsleiters, der nicht Betriebsinhaber ist, zum Abschluss einer Betriebsvereinbarung abgeleitet werden kann.
Arbeitgeber ist im vorliegenden Fall die beklagte GmbH, die durch
ihre Organe (Geschäftsführer) bzw Prokuristen oder
Handlungsbevollmächtigte vertreten wird. Keine dieser Eigenschaften
traf auf den Fachdienstleiter K***** zu. Insbesondere ist es dem
Kläger auch nicht gelungen, eine allenfalls schlüssige
Bevollmächtigung des Fachdienstleiters darzutun. Wie aus der zwischen
der Geschäftsführung und dem Zentralbetriebsrat abgeschlossenen
Betriebsvereinbarung vom 28. 6. 1999 hervorgeht, wurde dort die
monatliche Dienstzeit in einem eigenen Punkt (1.1) von den
Betriebspartnern geregelt. Soweit im Punkt 1.2.2 auf die Erstellung
des Dienstplanes „einvernehmlich mit dem Betriebsrat" verwiesen wird,
handelt es sich dabei gerade um eine individuelle, die jeweiligen
Ruhezeiten enthaltende Regelung, aus der eine Bevollmächtigung des
jeweiligen Fachdienstleiters zum Abschluss von Betriebsvereinbarungen
nicht abzuleiten ist.
Im Übrigen steht auch fest, dass eine nachträgliche Genehmigung durch
ein vertretungsbefugtes Organ in der dafür vorgesehenen Schriftform
nicht erfolgt ist. Mangels Unterfertigung durch den „Betriebsinhaber"
kann daher von einer wirksamen Betriebsvereinbarung im Sinn des § 29
ArbVG nicht die Rede sein.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf §§ 41, 50 Abs 1 ZPO.
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