OGH 13Os62/07b

OGH13Os62/07b1.8.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 1. August 2007 durch den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher als Vorsitzenden sowie durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz, den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lässig und die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Höller als Schriftführerin im Verfahren zur Unterbringung des Latif D***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Betroffenen sowie die Berufung des Sachwalters gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 29. März 2007, GZ 112 S Hv 26/07z-50, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen wird das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Begehung der Anlasstaten unberührt bleibt, in der Unterbringung des Latif D***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher aufgehoben und die Sache im Umfang der Aufhebung an das Landesgericht für Strafsachen Wien verwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Betroffene und sein Sachwalter auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde die Unterbringung des Latif D***** in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB angeordnet, weil dieser unter dem Einfluss eines die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden, auf einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad beruhenden Zustands, nämlich einer schizoaffektiven Störung sowie einer Verhaltens- und Persönlichkeitsstörung durch Alkohol, mehrere mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Handlungen beging, nämlich mehrere Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 und 2 erster Fall StGB (A), das Vergehen des Hausfriedensbruchs nach § 109 Abs 3 Z 1 StGB (B), das Verbrechen der versuchten schweren Nötigung nach §§ 15, 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 1 erster Fall StGB (C) und das Verbrechen des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs 1 zweiter Fall StGB (D), indem er in Wien

A. seine Ehefrau Sultan D***** mit dem Tod gefährlich bedrohte, um sie in Furcht und Unruhe zu versetzen, und zwar

1. am 27. Juni 2006 durch die Worte: „Du bist eine Hure, ich werde dich umbringen, ich weiß, was ich dir antun werde.";

2. am 1. August 2006, dadurch, dass er mit einem Messer auf das Blatt einer zu ihrem Schutz verschlossenen Zimmertüre einstach und schrie:

„Ich bringe euch alle um, ich gehe ins Gefängnis. Ich möchte euer Blut trinken.", und gegenüber einem Beamten der Funkleitzentrale der Bundespolizeidirektion Wien - von der Bedrohten wahrgenommen - äußerte, er bringe seine Familie jetzt um;

B. am 27. Juni 2006 mit Gewalt die mit einer Sperrkette verschlossene Wohnung seiner Ehefrau auftrat, wobei er gegen diese Gewalt zu üben beabsichtigte;

C. am 3. Mai 2006 dadurch, dass er gegen eine verschlossene Zimmertüre trat, sie mit einem Gegenstand aufzubrechen trachtete und schrie: „Ich bringe euch alle um, wenn ihr die Türe nicht öffnet.", Sultan D***** und seine Kinder Eda und Derja D***** durch gefährliche Drohung mit dem Tod zum Öffnen zu nötigen versuchte;

D. am 3. Mai 2006 die Polizeibeamten Erich M***** und Martin E***** an einer Sachverhaltsaufnahme und seiner Festnahme durch gefährliche Todesdrohung mit den Worten hinderte: „Ich habe keine Angst, ich bringe euch alle um, ich habe ein Messer und stech' euch ab, ich habe so etwas schon hinter mir!"

Rechtliche Beurteilung

Der nominell aus Z 5 und 11 des § 281 Abs 1 StPO ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen kommt Berechtigung zu. Indem der Beschwerdeführer mit dem Ziel einer bedingten Nachsicht der Unterbringung die Annahme des Erstgerichts, er sei im Urteilszeitpunkt „weder krankheits- noch behandlungseinsichtig" gewesen (US 9), in Abrede stellt, macht er zwar bloß einen Berufungsgrund geltend.

Auch hat es das Schöffengericht nicht unterlassen, die vom Gesetz verlangte hohe Wahrscheinlichkeit einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen mit Bestimmtheit zu bejahen (US 10). Die Bedrohung von Familienangehörigen mit dem Tod entspricht, der Sanktionsrüge zuwider, gar wohl der von § 21 StGB angesprochenen Sozialschädlichkeit (vgl RIS-Justiz RS0116500, RS0108487). Ob der Betroffene auch mit Strafe bedrohte Handlungen „gegenüber familienfremden Personen" befürchten lässt, ist ohne rechtliche Bedeutung (Ratz in WK2 § 21 Rz 29).

Die Subsumtionsrüge (Z 11 zweiter Fall) vermisst allerdings, wie der Generalprokurator zutreffend darlegt, zu Recht über die bloße Zitierung des Gesetzeswortlautes hinausgehende konkrete Urteilsannahmen für das Vorliegen einer Prognosetat. Denn die bloße Wiedergabe der verba legalia, wonach - unter Berücksichtigung der Person und des Zustandes des Betroffenen sowie der Art der Anlasstaten - mit hoher Wahrscheinlichkeit zu befürchten sei, der Betroffene werde unter dem Einfluss seiner seelischen Abartigkeit höheren Grades „eine mit Strafe bedrohte Handlung mit schweren Folgen begehen" (US 10), stellt für sich allein - auch iVm dem (bloßen) Zitat von (entsprechende Ausführungen enthaltenden) Aktenseiten, vgl US 15, 21 - noch keine ausreichende Feststellungsgrundlage dar, die geeignet wäre, die angeordnete Unterbringung des Betroffenen in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB zu tragen. Die Prognosetat ist im Urteil zumindest ihrer Art nach näher zu umschreiben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 721; ders in WK2 § 21 Rz 26), um solcherart die rechtliche Beurteilung der zu erwartenden mit Strafe bedrohten Handlung(en) mit schweren Folgen (unter Beachtung der tatbestandsmäßigen Folgen wie auch sonstiger Tatauswirkungen) zu ermöglichen (11 Os 117/03, 11 Os 97/04; vgl auch 13 Os 179/03). In Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde des Betroffenen war daher das angefochtene Urteil, das im Ausspruch über die Begehung der Anlasstaten unberührt bleibt, im Ausspruch über die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher nach § 21 Abs 1 StGB aufzuheben und in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zu verweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Betroffene sowie sein Sachwalter auf diese Entscheidung zu verweisen.

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