OGH 13Os37/07a

OGH13Os37/07a20.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Juni 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Ratz als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Kirchbacher und Dr. Lässig, die Hofrätin des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und den Hofrat des Obersten Gerichtshofes Mag. Lendl, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Michel K***** wegen des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Wiener Neustadt als Jugendschöffengericht vom 9. August 2006, GZ 41 Hv 29/06k-43, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Michel K***** des Verbrechens der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach §§ 83 Abs 1, 86 StGB schuldig erkannt.

Danach hat er am 1. November 2005 in Wiener Neustadt Christoph S***** dadurch, dass er ihm einen kräftigen Faustschlag gegen den Kopf versetzte, wodurch dieser ein Schädelhirntrauma samt Blutungen erlitt, vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat infolge Herz-Kreislaufversagens den Tod des Christoph S***** zur Folge hatte.

Rechtliche Beurteilung

Die vom Angeklagten aus Z 4, 5 und 5a des § 281 Abs 1 StPO ergriffene Nichtigkeitsbeschwerde verfehlt ihr Ziel.

Der Kritik in der Verfahrensrüge (Z 4) zuwider wurden durch Abweisung des Antrages der Verteidigung, das Gutachten eines Privatsachverständigen, wonach der Angeklagte zur Tatzeit voll berauscht war, dem - dies verneinenden (S 461/I, S 15 ff/II) - gerichtlichen Sachverständigen zur gutachtlichen Stellungnahme vorzulegen (S 31/II), Verteidigungsrechte nicht verletzt. Denn entgegen dem Rechtsmittelstandpunkt verstößt die Abweisung des letztlich zum Nachweis eines Gutachtensfehlers des Gerichtssachverständigen gestellten Antrages schon deshalb nicht gegen das Fairnessgebot des Art 6 Abs 3 lit d MRK, weil der Verteidiger in der Hauptverhandlung ausreichend Gelegenheit erhielt, die in der Privatexpertise aufgeworfenen Aspekte durch gezielte Fragestellung an den Gerichtssachverständigen heranzutragen und auf dieser Basis allfällige Gutachtensmängel iSd §§ 125, 126 StPO aufzuzeigen (S 25 ff/II; vgl Hinterhofer, WK-StPO Vor §§ 116 ff Rz 22).

Dem Vorbringen in der Mängelrüge (Z 5) zuwider wurden die Aussagen der Zeugen Harald R*****, Alex V***** und Patrick H***** auch unter Berücksichtigung ihrer teils unterschiedlichen Angaben zum konkreten Tatgeschehen (nämlich ob der Angeklagte das Opfer mit der Faust oder mit der flachen Hand geschlagen hat) in den Entscheidungsgründen ebenso eingehend erörtert (US 14 ff) wie sich der Schöffensenat in Bezug auf die Feststellungen zu den Verletzungen des Opfers (US 6) auf das für unbedenklich befundene Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen bezog (US 26). Dass die Tatrichter aus den vorhandenen Beweisergebnissen andere Schlüsse als die vom Beschwerdeführer gewünschten gezogen haben, stellt keine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung dar (Z 5 zweiter Fall). Dem Einwand unzureichender Begründung der Feststellung, wonach der Angeklagte eine Alkoholisierung des Christoph S***** habe erkennen können (US 8), genügt es zu erwidern, dass das Erstgericht unabhängig von einer solchen Wahrnehmung des Angeklagten (US 29) dessen Kenntnis von den möglichen gravierenden Folgen eines Faustschlages auf dessen eigene Verantwortung gegründet (US 27 f) und dabei auch lebensnah den Sturz des Angeklagten unmittelbar vor der Tat zufolge eines Schlages in die Überlegungen einbezogen hat.

Zwar trifft es zu, dass die Tatrichter die Konstatierung, der Angeklagte habe zum Tatzeitpunkt 1,36 ‰ gehabt (US 7), nicht begründet haben, doch stellt der genaue Alkoholisierungsgrad des - nicht voll berauschten (US 7) - Angeklagten zur Tatzeit keine entscheidende Tatsache dar, sodass Nichtigkeit nach Z 5 vierter Fall nicht gegeben ist. Eine Aktenwidrigkeit liegt ebenfalls nicht vor, wurde doch durch diese Feststellung weder der Inhalt einer Aussage noch einer Urkunde unrichtig wiedergegeben (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 467).

Das weitere gegen die erstgerichtliche Annahme, der Angeklagte sei zur Tatzeit zwar alkoholisiert, aber nicht voll berauscht gewesen (US 7), gerichtete Vorbringen in der Mängelrüge bekämpft lediglich die Beweiswürdigung, ohne einen Begründungsmangel der Tatrichter aufzeigen zu können, die unter anderem das Ergebnis der Alkomatmessung, das Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen (S 461/I; S 15 ff/II) und ein polizeiärztliches Gutachten vom Vorfallstag (S 103 bis 105/I) nachvollziehbar ins Kalkül gezogen haben. Die diesbezüglichen Angaben der vernommenen Zeugen haben die Tatrichter ohnedies (auch) berücksichtigt. Zu einer Erörterung aller Details der diversen Aussagen war der Schöffensenat mit Blick auf das Gebot zu gedrängter Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) nicht verpflichtet (RIS-Justiz RS0106642).

In der gegen die erstgerichtliche Annahme einer Vorhersehbarkeit der Todesfolge des Schlages gerichteten Tatsachenrüge (Z 5a) wird durch Spekulationen darüber, was nach der Tat bis zum Eintreffen der Polizei passiert sei, durch eigenständige Interpretation und Bewertung der Aussagen der Zeugen P***** und Mag. D***** sowie durch selektives Herausgreifen eines einzelnen Beurteilungskriteriums des polizeiärztlichen Gutachtens (S 103/I) neuerlich versucht, das von den Tatrichtern als schlüssig erachtete Gutachten des gerichtlichen Sachverständigen zum Grad der Berauschung des Angeklagten in Zweifel zu ziehen. Sich aus den Akten ergebende erhebliche Bedenken des Obersten Gerichtshofes gegen die Richtigkeit der dem Schuldspruch zugrunde liegenden Feststellungen werden mit diesem Vorbringen jedoch nicht geweckt. Soweit sich der Nichtigkeitswerber auf das mit der Rechtsmittelschrift vorgelegte Privatgutachten bezieht, erübrigt sich im Hinblick auf das im Nichtigkeitsverfahren geltende Neuerungsverbot eine inhaltliche Erwiderung.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d Abs 1 StPO), woraus die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung folgt (§ 285i StPO).

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

Stichworte