OGH 11Os69/07t

OGH11Os69/07t19.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 19. Juni 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Zehetner als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Ebner und Dr. Danek als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Mag. Egger als Schriftführerin, in der Auslieferungssache des Stanislaw G*****, AZ 285 Ur 135/05b des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, über die Grundrechtsbeschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Oberlandesgerichtes Wien vom 3. Mai 2007, AZ 22 Bs 109/07a (ON 75 des Strafaktes), nach Anhörung der Generalprokuratur und Äußerung des Verteidigers (§ 35 Abs 2 StPO) in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Stanislaw G***** wurde im Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt.

Die Beschwerde wird abgewiesen.

Text

Gründe:

Am 3. Mai 2005 erließ das Rayonsgericht in Tarnow (Polen) gegen den polnischen Staatsangehörigen Stanislaw G***** einen Europäischen Haftbefehl zur Erwirkung des Vollzuges einer restlichen Freiheitsstrafe von einem Jahr, sieben Monaten und sieben Tagen aus einem Urteil dieses Gerichtes vom 23. August 1999.

In Entsprechung dieses gemäß § 18 Abs 1 EU-JZG auch als Ersuchen um Verhängung der Übergabehaft geltenden Haftbefehles wurde G***** am 7. August 2005 in Wien festgenommen, über ihn mit Beschluss der Untersuchungsrichterin vom 8. August 2005 die Übergabehaft verhängt und das Übergabeverfahren eingeleitet. Am 22. August 2005 wurde der Betroffene nach der gemäß § 18 Abs 2 EU-JZG iVm § 29 Abs 1 ARHG sinngemäß anzuwendenden Bestimmung des § 180 Abs 5 StPO gegen gelindere Mittel, darunter die Leistung des Gelöbnisses, an der von ihm angegebenen Wohnadresse zu wohnen und jeden Wechsel des Aufenthaltortes dem Gericht anzuzeigen, aus der Übergabehaft entlassen. Weil Stanislaw G***** einer in der Folge anberaumten Übergabeverhandlung fernblieb und an seiner Wohnadresse nicht angetroffen wurde, wurde gegen ihn ein Haftbefehl erlassen, der jedoch erst am 27. März 2007 durch seine Festnahme effektuiert werden konnte. Mit Beschluss der Untersuchungsrichterin vom 28. März 2007 wurde über ihn neuerlich die Übergabehaft aus dem Haftgrund der Fluchtgefahr nach § 180 Abs 2 Z 2 iVm § 18 Abs 2 EU-JZG und § 29 Abs 1 ARHG mit Wirksamkeit bis zum 10. April verhängt und - nach mittlerweile erfolgter Zulässig-Erklärung der Übergabe - vom Oberlandesgericht aus Anlass einer abweisenden Beschwerdeentscheidung mit dem nunmehr angefochtenen Beschluss aus demselben Haftgrund fortgesetzt.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen fristgerecht eingebrachte Grundrechtsbeschwerde geht fehl.

Mit seiner Behauptung, das Oberlandesgericht habe das Vorliegen des Haftgrundes der Fluchtgefahr unzulässig allein mit dem Bestehen des sich aus den Übergabeunterlagen ergebenden (im Übrigen für die Sicherung der Strafvollstreckung gar nicht) erforderlichen Tatverdachtes begründet, übergeht der Beschwerdeführer zunächst die vom Oberlandesgericht zur Begründung des herangezogenen Haftgrundes angeführten Umstände zur Gänze. Danach stützte das Beschwerdegericht die Annahme der Fluchtgefahr ausdrücklich auf die Tatsache, dass sich der Betroffene (ungeachtet seines Gelöbnisses) durch einen Zeitraum von fast eineinhalb Jahren hindurch verborgen hielt (S 503 dritter Absatz). Die rechtliche Annahme einer der von § 180 Abs 2 StPO genannten Gefahren wird vom Obersten Gerichtshof aber im Rahmen des Grundrechtsbeschwerdeverfahrens nur dahin überprüft, ob sie aus den angeführten bestimmten Tatsachen abgeleitet werden durfte, ohne dass die darin liegende Ermessensentscheidung als willkürlich angesehen werden müsste. Indem der Beschwerdeführer die Argumentation des Oberlandesgerichtes zum angenommenen Haftgrund ignoriert, entzieht sich das Beschwerdevorbringen einer sachbezogenen Auseinandersetzung. Der Beschwerde zuwider ist bei der grundsätzlich auch in Bezug auf eine Übergabehaft anzustellenden Verhältnismäßigkeitsprüfung die - hier überdies ausschließlich nach polnischem Recht zu beurteilende - Möglichkeit einer bedingten Entlassung aus dem Strafvollzug kein zu beachtendes Kriterium.

Die gegen die Heranziehung des in der Vergangenheit gelegenen Verhaltens des Betroffenen als Begründung für die Ablehnung der Substituierbarkeit der Übergabehaft durch die Anwendung gelinderer Mittel geübte Kritik wiederum legt nicht dar, weshalb dem Oberlandesgericht angesichts des Gelöbnisbruches des Beschwerdeführers hierin ein Fehler unterlaufen sein sollte. Stanislaw G***** wurde daher in seinem Grundrecht auf persönliche Freiheit nicht verletzt, weshalb die Grundrechtsbeschwerde ohne Kostenausspruch (§ 8 GRBG) abzuweisen war.

Stichworte