OGH 14Os56/07b

OGH14Os56/07b12.6.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 12. Juni 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Holzweber als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Philipp und Dr. Lässig sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofes Mag. Hetlinger und Mag. Fuchs in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Frizberg als Schriftführerin in der Strafsache gegen Baki S***** wegen des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 6. März 2007, GZ 31 Hv 13/07t-29, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufung werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des bisherigen Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Baki S***** des Verbrechens der versuchten Vergewaltigung nach §§ 15, 201 Abs 1 StGB (A.), des Verbrechens der schweren Nötigung nach §§ 105 Abs 1, 106 Abs 1 Z 3 letzter Fall StGB (B.I.a.) und der Vergehen der Nötigung nach § 105 Abs 1 StGB (B.I.b. und II.) sowie der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (C.) schuldig erkannt.

Danach hat er in Wien

A. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Anfang Juli 2006 Ayla K***** dadurch, dass er sie festhielt, gewaltsam entkleidete, sich auf sie legte und ihr Schläge versetzte, wobei er versuchte, seinen Penis in ihre Vagina einzuführen, mit Gewalt zur Duldung des Beischlafs zu nötigen versucht;

B. Nachgenannte mit Gewalt und teils durch gefährliche Drohung zu Handlungen, Duldungen und Unterlassungen genötigt, und zwar

I. Ayla K*****

a. zu einem nicht mehr feststellbaren Zeitpunkt Anfang Juli 2006 durch die Äußerung, er werde sie vergewaltigen, wenn sie nicht mehr mit ihm zusammen sein wolle, wobei er ihr den Mund zuhielt und eine Hand in ihre Hose steckte, jedoch ohne dass es zu einer Berührung der Vagina kam, zur Wiederaufnahme der Beziehung mit ihm, sohin zu einer Handlung, die besonders wichtige Interessen der Genötigten verletzte;

b. am 18. Juli 2006 dadurch, dass er sie gewaltsam zu seinem PKW zerrte und über den Gehsteig schleifte, zum gemeinsamen Aufsuchen seines PKW;

II. Bekannte der Ayla K***** am 18. Juli 2006 durch Vorhalt eines Messers unter Ausführung von Stichbewegungen in deren Richtung, sohin durch Drohung mit zumindest einer Verletzung am Körper, zur Abstandnahme von der Hilfeleistung bei dem unter Punkt B.I.b. beschriebenen Vorfall;

C. am 18. Juli 2006 Ayla K***** durch die zu Punkt B.I.b. beschriebene Tathandlung vorsätzlich am Körper verletzt, wodurch die Genannte Hautabschürfungen am linken Ellenbogen und am linken Außenknöchel sowie Blutunterlaufungen am rechten Ober- und Unterarm, an der rechten Brust und an beiden Oberschenkeln erlitt. Die dagegen vom Angeklagten aus den Gründen der Z 4 und 5a des § 281 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde, die sich inhaltlich bloß gegen die Schuldsprüche A. und B.I.a. richtet, geht fehl.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der Verfahrensrüge (Z 4) bedeutete die Abweisung des in der Hauptverhandlung vom 6. März 2007 gestellten Antrags auf Einvernahme des Zeugen Ersin K***** zum Beweis dafür, „dass die Zeugin K***** bis 18. Juli 2006 aus freien Stücken mit dem Angeklagten zusammen war, dass es ein harmonisches Zusammensein über mehrere Stunden hinweg vor mehreren Personen war" (S 237), keine Schmälerung der Verteidigungsrechte des Angeklagten.

Gegenstand der Vernehmung von Zeugen sind nicht deren Schlussfolgerungen oder Wertungen, sondern ihre Wahrnehmungen von Tatsachen (Kirchbacher, WK-StPO § 247 Rz 4 f mwN; Ratz, WK-StPO § 281 Rz 352).

Dass Alya K***** die Beziehung zum Angeklagten in der Folge der den Schuldsprüchen A. und B.I.a. zugrunde liegenden Vorfälle fortgesetzt hat, nahmen die Tatrichter ohnehin als erwiesen an, folgten dabei jedoch ihren - als glaubwürdig beurteilten - Angaben, wonach dies (aus Angst) zum Schein geschah (US 6 und 10). Ob der Zeuge das Motiv für ihr „über mehrere Stunden hinweg" dauerndes Verhalten in Gegenwart des Angeklagten anders beurteilt hat als das Erstgericht, ist kein Thema seiner Befragung.

Soweit in der Beschwerde Beweisthemen angesprochen werden, die im abgewiesenen Begehren nicht genannt wurden, verfehlt die Verfahrensrüge ihr Prozessziel, welches in der Prüfung der inhaltlichen Berechtigung eines Antrags zum Antragszeitpunkt liegt (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 325).

Das auf § 281 Abs 1 Z 5a StPO gestützte Vorbringen verkennt, dass Tatsachenfeststellungen nur insoweit mit (Mängel- und) Tatsachenrüge (Z 5 und 5a) anfechtbar sind, als sie die Frage nach der rechtlichen Kategorie einer oder mehrerer strafbarer Handlungen beantworten und solcherart im Sinne der Z (5 und) 5a entscheidend sind (Ratz, WK-StPO § 281 Rz 398 f). Die Begehungszeit einer Straftat zählt nicht zu den wesentlichen, die Eindeutigkeit bestimmende Merkmalen, soferne sich - wie hier - ergibt, dass Anklage und Urteil das selbe Tun erfassen (RIS-Justiz, RS 0098557).

Soweit sich die Rüge in Spekulationen darüber ergeht, dass der Angeklagte in der Lage gewesen wäre, Alibibeweise anzubieten, wenn die Zeugin Alya K***** die genauen Zeitpunkte der von den Schuldsprüchen A. und B.I.a. erfassten Vorfälle hätte nennen können, was ihr nach Ansicht des Nichtigkeitswerbers sowohl möglich als auch zumutbar gewesen wäre, vermag sie aus dem Akteninhalt keine erheblichen Bedenken an der Richtigkeit der den Schuldsprüchen zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen zu erwecken. Gleiches gilt für die vermisste amtswegige Abhörung der Zeugin zum „exakten Tattag", war doch der Verteidiger nicht gehindert, in den der Fällung des Unzuständigkeitsurteils voran gegangenen Hauptverhandlungen vom 29. September und 17. November 2006 selbst entsprechende Fragen zu stellen (ON 13 und 18).

Soweit die Tatsachenrüge auch die Unterlassung weiterer Beweisaufnahmen durch das Erstgericht mit dem Ziel, den genauen Begehungszeitpunkt zu eruieren, kritisiert, spricht sie demnach zum Einen keine entscheidende Tatsache an und lässt zum Anderen ein Vorbringen dazu vermissen, wodurch der Angeklagte an sachgerechter Antragstellung in der Hauptverhandlung gehindert war und daher hätte belehrt werden müssen, um so die Ermittlung der Wahrheit zu fördern. Mit der sukzessive gesteigerten Belastung des Angeklagten durch die Zeugin haben sich die Tatrichter ausführlich auseinandergesetzt, darin aber mit mängelfreier Begründung kein Indiz für eine globale Unzuverlässigkeit ihrer Angaben gesehen (US 8 f). Mit dem Vorbringen, dass dem Angeklagten diese Argumente nicht überzeugend scheinen, wird der in Anspruch genommene Nichtigkeitsgrund ebenfalls nicht aufgezeigt, sondern vielmehr unzulässig das Beweiswürdigungsermessen des Schöffengerichtes angegriffen.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher bereits bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen (§ 285d StPO). Daraus folgt die Kompetenz des Gerichtshofes zweiter Instanz zur Entscheidung über die Berufung (§ 285i StPO).

Die Kostenersatzpflicht des Angeklagten gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO.

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