OGH 12Os55/07s

OGH12Os55/07s31.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat am 31. Mai 2007 durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Mayrhofer als Vorsitzenden sowie die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Schroll, Dr. Schwab, Dr. Lässig und Dr. T. Solé als weitere Richter, in Gegenwart der Richteramtsanwärterin Dr. Kurz als Schriftführerin, in der Strafsache gegen Manuel O***** und einen anderen Angeklagten wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten Manuel W***** sowie die Berufung des Privatbeteiligten Christoph P***** gegen das Urteil des Jugendgeschworenengerichtes beim Landesgericht Wiener Neustadt vom 21. Februar 2007, GZ 36 Hv 144/06k-56, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde und aus deren Anlass werden das angefochtene Urteil, nicht jedoch der diesem zugrunde liegende Wahrspruch, sowie demzufolge auch die unter einem gefassten Beschlüsse auf Absehen vom Widerruf bedingter Strafnachsichten aufgehoben und die Strafsache zu neuer Verhandlung sowie Entscheidung im Umfang der Aufhebung an ein anderes Jugendgeschworenengericht beim Landesgericht Wiener Neustadt mit dem Auftrag verwiesen, den unberührt gebliebenen Wahrspruch der Entscheidung zugrunde zu legen.

Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde zurückgewiesen. Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte Manuel W***** sowie der Privatbeteiligte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die Angeklagten Manuel O***** und Manuel W***** aufgrund des Wahrspruchs der Geschworenen des versuchten (§ 15 StGB) Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 zweiter und dritter Fall StGB schuldig erkannt. Danach haben sie im einverständlichen Zusammenwirken dadurch mit Gewalt gegen eine Person zumindest einem der Nachgenannten fremde bewegliche Sachen mit auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtetem Vorsatz wegzunehmen versucht, dass sie Christoph P***** eine schwere Körperverletzung verursachende Faustschläge gegen das Gesicht sowie den Kehlkopf versetzten und ihm Manuel W***** mit einer Injektionsnadel Stiche zu versetzen trachtete, wobei sie von dem Angegriffenen sowie seinen Begleiterinnen Sabrina Wi*****, Susan Wi***** und Alexandra S***** Geld sowie Zigaretten forderten.

Rechtliche Beurteilung

Die dagegen aus Z 6 und 9 des § 345 Abs 1 StPO erhobene Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Manuel W***** ist teilweise im Recht.

Die Fragenrüge weist zutreffend darauf hin, dass die Aussagen der Zeugen Christoph P***** (S 377 f/I, s auch S 387 f/I), Sabrina Wi***** (S 401 f/I, s auch S 397/I) und Susan Wi***** (s S 407/I iVm S 409/I) Indizien für die Annahme enthalten, die Angeklagten hätten die Tatausführung freiwillig aufgegeben. Diese Beweisergebnisse stellen ein Tatsachenvorbringen iSd § 313 StPO dar (vgl Schindler, WK-StPO § 313 Rz 6 ff), womit an die Geschworenen eine Zusatzfrage nach dem Strafaufhebungsgrund des § 16 Abs 1 StGB zu richten gewesen wäre. Plausibilitätserwägungen sind hiebei ohne Belang, weil die Beweiswürdigung allein den Geschworenen vorbehalten ist (11 Os 102/03; Schindler, WK-StPO § 313 Rz 8).

Es war daher der Nichtigkeitsbeschwerde in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort Folge zu geben (§§ 285e, 344 StPO).

Da die fehlerhafte Fragestellung auch den Angeklagten Manuel O*****, der das Urteil unangefochten ließ, betrifft, war gemäß §§ 290 Abs 1 zweiter Satz, 344 StPO von Amts wegen auch der diesen betreffende Schuldspruch aufzuheben.

Gemäß § 349 Abs 2 StPO war dem Gericht, an das die Sache verwiesen wird, aufzutragen, den vom geltend gemachten Nichtigkeitsgrund nicht betroffenen Wahrspruch der Entscheidung mit zugrunde zu legen. Im zweiten Rechtsgang werden die Angeklagten und alle Zeugen zu den Voraussetzungen des Rücktritts vom Versuch (§ 16 Abs 1 StGB) zu befragen sein. Im Falle diesen Strafaufhebungsgrund indizierender Aussagen werden eine entsprechende Zusatzfrage (§ 313 StPO) sowie eine Eventualfrage (§ 314 Abs 1 StPO) nach dem Vergehen der schweren Körperverletzung (§§ 83 Abs 1, 84 Abs 1 StGB) an die Geschworenen zu richten sein.

Soweit die Rüge aus Z 9 aus dem Umstand, dass zwei der acht Geschworenen die „Raubabsicht" verneint haben (S 519/I), eine Undeutlichkeit des Wahrspruchs abzuleiten trachtet, entzieht sie sich mangels argumentativen Substrats einer sachbezogenen Erwiderung. Korrespondierendes gilt für die begründungslos vorgetragene Behauptung, die Fragestellung (der Sache nach Z 6) und die Rechtsbelehrung (der Sache nach Z 8) seien hinsichtlich der subjektiven Tatseite unrichtig gewesen.

In ihrem erfolglosen Teil war die Nichtigkeitsbeschwerde daher gemäß §§ 285d Abs 1, 344 StPO schon bei nichtöffentlicher Beratung sofort zurückzuweisen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte Manuel W***** sowie der Privatbeteiligte Christoph P***** auf die Kassation des Strafausspruchs sowie des Adhäsionserkenntnisses zu verweisen. Festzuhalten bleibt, dass die Fortsetzung der Hauptverhandlung (S 447/I) - nicht unter Nichtigkeitssanktion stehend - rechtsfehlerhaft war, weil die Wiederholung der Verhandlung im - hier (auch) vorliegenden (s S 315, 443/I) - Fall der geänderten Zusammensetzung des Gerichtes nicht verzichtbar ist (§ 276a zweiter Satz StPO).

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