Spruch:
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde wird das angefochtene Urteil, das im Übrigen unberührt bleibt, im Strafausspruch (einschließlich der Vorhaftanrechnung) aufgehoben und im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:
Josef H***** wird unter Anwendung des § 28 Abs 1 StGB nach § 206 Abs 1 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von zwei Jahren verurteilt.
Die Vorhaft vom 25. April 2006, 15.30 Uhr, bis 31. Mai 2007, 10.30 Uhr, wird auf die verhängte Strafe angerechnet.
Im Übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Der Berufung gegen den Privatbeteiligtenzuspruch wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Josef H***** der Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB (I), der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB (II) und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB (III) schuldig erkannt.
Danach hat er im Zeitraum Sommer 2003 bis 22. April 2006 in Oberpullendorf
I. mit der am 10. Mai 1992 geborenen Tanja S***** (ersichtlich gemeint:) dem Beischlaf gleichzusetzende geschlechtliche Handlungen unternommen, indem er an ihr einen Oralverkehr vornahm, mit der Hand ihre Scheide streichelte und dabei seinen Finger in die Scheide einführte;
II. außer dem Fall des § 206 StGB eine geschlechtliche Handlung an Tanja S***** vorgenommen und von ihr an sich vornehmen lassen, indem er sie - außer den zu Punkt I genannten Tathandlungen - in einer Vielzahl von Angriffen an der Scheide streichelte, ihre Brüste betastete und ihre Hand zu seinem Penis führte;
III. an einer Person, die seiner Erziehung oder Aufsicht unterstand, unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber dieser Person durch die zu
I und II genannten Tathandlungen eine geschlechtliche Handlung vorgenommen oder an sich vornehmen lassen, indem er seine durch die Beziehung entstandene Vertrauensposition sowie die daraus entstandenen, von der Mutter unbeobachteten Gelegenheiten für diese Tathandlungen ausnützte.
Rechtliche Beurteilung
Gegen diesen Schuldspruch richtet sich die auf Z 5, 5a und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten, der teilweise Berechtigung zukommt.
Die Tatrichter haben die leugnende Verantwortung des Beschwerdeführers insbesondere durch die Aussage der Zeugin Tanja S***** in Verbindung mit den Ausführungen des Sachverständigen Mag. Holger E***** für widerlegt erachtet und waren daher angesichts der gänzlichen Verwerfung seiner Einlassung - in Entsprechung der Verpflichtung zu gedrängter Darstellung der Urteilsgründe (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO) - nicht gehalten, auf die in der Hauptverhandlung vom Angeklagten geäußerten Vermutungen über mögliche Motive seiner Lebensgefährtin und des Tatopfers, ihn zu Unrecht zu belasten, einzugehen. Die geltend gemachte Unvollständigkeit (Z 5 zweiter Fall) liegt daher nicht vor.
Mit behaupteten Widersprüchen in der Aussage der Zeugin Tanja S***** zu möglichen Missbrauchshandlungen in der Wohnung A*****gasse 41 bereits in den Jahren 2000 bzw 2001 spricht die Tatsachenrüge (Z 5a) keinen entscheidenden Umstand an, weil der vom Schuldspruch umfasste Tatzeitraum erst im Jahre 2003 einsetzte. Außerdem hat Tanja S***** anlässlich ihrer kontradiktorischen Vernehmung deponiert, die sexuellen Übergriffe hätten nach der Übersiedlung in die Wohnung A*****gasse 37 begonnen (S 134, 143), während es in der in A*****gasse 41 wohl zu Annäherungen, doch noch nicht zu deutlich sexualbezogenen Handlungen gekommen sei (S 143).
Auch eine Diskrepanz in den Angaben der Zeugin Sonja S***** über den Beginn ihrer Lebensgemeinschaft mit dem Angeklagten betrifft keinen für die Schuld- oder Subsumtionsfrage bedeutenden Umstand. Schließlich werden mit der bloßen Behauptung der Unrichtigkeit der gegen den Angeklagten in anderem Zusammenhang erhobenen Anschuldigungen der Sonja S***** und dem Hinweis auf die Erklärung der Staatsanwaltschaft vom 15. September 2006 (S 1d), zur weiteren Verfolgung des Beschwerdeführers wegen §§ 83 Abs 1, 92 Abs 1 StGB keinen Grund zu finden, keine sich aus den Akten ergebenden erheblichen Bedenken gegen die Richtigkeit der dem Ausspruch über die Schuld zugrunde gelegten entscheidenden Tatsachen geweckt. Die gegen die Beurteilung als Verbrechen des schweren sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 206 Abs 1 StGB gerichtete Behauptung der Subsumtionsrüge (Z 10), der Oralverkehr und das Einführen eines Fingers in die Scheide seien nur kurz begonnen und über Aufforderung des Tatopfers abgebrochen worden, orientiert sich nicht an den Urteilsfeststellungen, wonach der Angeklagte in intensiver Weise mit dem Finger in die Scheide eindrang und Tanja S***** Schmerzen verursachte (US 4), er die Penetration mit der Zunge erst beendete, als das Tatopfer zu weinen begann, nachdem es zuvor versucht hatte, ihn wegzudrücken, und übergeht, dass die Tatrichter in beiden Fällen, gestützt auf die Angaben der Zeugin S*****, nicht nur von einem flüchtigen Berühren bzw Eindringen in die Scheide, sondern von einer drastischen Tathandlung ausgegangen sind (US 7). Damit verfehlt sie jedoch ebenso den vom Gesetz geforderten Bezugspunkt wie mit der begründungslosen Behauptung, die zum Schuldspruch II angenommenen Tathandlungen erfüllten nicht den Tatbestand des § 207 Abs 1 StGB, sondern lediglich jenen des § 212 Abs 1 StGB.
Im Recht ist die Beschwerde allerdings mit ihrem Einwand (dem Sinne nach Z 11 zweiter Fall, 12 Os 119/06a [verst Senat]), der Nichtigkeitswerber habe bloß versucht, in zwei Angriffen die Hand des Mädchens zu seinem Penis zu führen. Denn die zur Tatvollendung geforderte Berührung des Geschlechtsteils (RIS-Justiz RS0096677; Schick, WK² [2006] § 207 Rz 7, 20) scheiterte daran, dass die Zeugin S***** ihre Hand wegzog (US 4 zweiter Absatz). Das Erstgericht ist daher in diesen Fällen zu Unrecht von der Vollendung der Verbrechen des sexuellen Missbrauchs von Unmündigen nach § 207 Abs 1 StGB und der Vergehen des Missbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach § 212 Abs 1 Z 2 StGB ausgegangen und hat demzufolge in offenbar unrichtiger Beurteilung der hiefür maßgeblichen Feststellungen (Strafzumessungstatsachen) den Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB nicht angenommen.
In teilweiser Stattgebung der Nichtigkeitsbeschwerde war das angefochtene Urteil, das im Schuldspruch unberührt bleibt, somit im Ausspruch über die Strafe aufzuheben und gemäß § 288 Abs 2 Z 3 StPO mit Strafneubemessung vorzugehen.
Dabei waren der Umstand, dass es teilweise beim Versuch geblieben ist, mildernd, erschwerend hingegen das Zusammentreffen mehrerer Verbrechen mit mehreren Vergehen, der lange Tatzeitraum, die vielfachen Angriffe und die zahlreichen, wenngleich bereits länger zurückliegenden einschlägigen Vorstrafen zu werten. Mit Blick auf den fast drei Jahre währenden intensiven Missbrauch des Tatopfers und den Umstand, dass sich der Milderungsgrund des § 34 Abs 1 Z 13 StGB lediglich auf zwei nicht strafsatzbestimmende Angriffe erstreckt, sieht sich der Oberste Gerichtshof im Hinblick auf Tatgewicht und Täterschuld zu keiner anderen als der vom Erstgericht gefundenen (von der Staatsanwaltschaft nicht bekämpften) Sanktion bestimmt.
Deren auch nur teilweise bedingte Nachsicht verbietet sich sowohl aus spezial- als auch aus generalpräventiven Erwägungen. Mit seiner Berufung gegen den Strafausspruch war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Gemäß § 369 Abs 1 StPO verurteilte das Schöffengericht den Angeklagten weiters zur Zahlung eines Schmerzengeldbetrages von 500 Euro. Der gegen den Privatbeteiligtenzuspruch gerichteten, eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg anstrebenden Berufung kommt keine Berechtigung zu, wendet sie sich durch Verweis auf die Ausführungen der insoweit erfolglosen Nichtigkeitsbeschwerde doch ausschließlich gegen den aus den Tathandlungen des Angeklagten resultierenden Grund des Anspruchs, der durch die vom Ersturteil abweichende rechtliche Beurteilung in zwei Fällen keine Änderung erfahren hat. Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 390a Abs 1 StPO, die Vorhaftanrechnung auf § 38 Abs 1 Z 1 StGB.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)