OGH 8Ob29/07h

OGH8Ob29/07h21.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch die Vizepräsidentin des Obersten Gerichtshofs Hon. Prof. Dr. Langer als Vorsitzende, den Hofrat des Obersten Gerichtshofs Dr. Kuras sowie die Hofrätinnen des Obersten Gerichtshofs Dr. Lovrek, Dr. Glawischnig und Dr. E. Solé als weitere Richter in der Unterhaltsvorschusssache des mj. Stefan D*****, vertreten durch das Amt für Jugend und Familie - Rechtsfürsorge, Bezirke 17, 18, 19, Gatterburggasse 14, 1190 Wien, über den ordentlichen Revisionsrekurs des Minderjährigen gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 30. November 2006, GZ 48 R 229/06s-U26, mit dem der Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 24. Mai 2006, GZ 8 P 80/99h-U21, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Text

Begründung

Der Vater Stole D*****, ein serbisch-montenegrinischer Staatsbürger, ist laut Beschluss des Bezirksgerichts Hernals vom 23. 2. 2000 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von ATS 2.400,-- = EUR 174,41 verpflichtet, und zwar ausgehend von einem monatlichen Durchschnittseinkommen des Vaters von EUR 944,75 (ohne Sonderzahlungen).

Nach dem Versicherungsdatenauszug des Hauptverbandes der österreichischen Sozialversicherungsträger war der Vater ab 1994 in Österreich überwiegend bei Baufirmen beschäftigt, zuletzt im Jahr 2003. Von 27. 5. 2004 bis 25. 3. 2005 verbüßte er eine Strafhaft, wurde am 25. 3. 2005 in Schubhaft übernommen und am 1. 4. 2005 aus Österreich nach Serbien abgeschoben. Sein nunmehriger Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Konkrete Anhaltspunkte für eine Rückkehr des Vaters nach Österreich gibt es nicht.

Die Mutter, eine deutsche Staatsangehörige, bezieht Notstandshilfe. Mit rechtskräftigem Beschluss vom 24. 5. 2006 wies das Erstgericht den Antrag des Kindes auf Gewährung von Titelvorschüssen nach §§ 3, 4 Z 1 UVG in Höhe von monatlich EUR 174,41 im Hinblick auf begründete Bedenken nach § 7 Abs 1 UVG ab.

Mit der am 27. 1. 2006 überreichten Eingabe beantragte das Kind die Gewährung von Unterhaltsvorschüssen nach § 4 Z 2 UVG ab 1. 1. 2006 mit der Begründung, es sei nicht offenbar, dass der Vater zu keinerlei Unterhaltsleistung imstande sei. Die Voraussetzungen des § 4 Z 2 UVG seien erfüllt, da der Vater unbekannten Aufenthalts sei und Ungewissheit über seine Lebensverhältnisse herrsche. Die Tatsache der Abschiebung nach Serbien allein sei noch kein Beweis für die Leistungsunfähigkeit des Vaters. Es sei durchaus möglich, dass er sich bereits wieder in Österreich aufhalte.

Das Erstgericht wies diesen Antrag ab. Dass das Kind keine bzw keine angemessenen Unterhaltsleistungen erhalte, liege nicht daran, dass eine Titelschaffung oder -erhöhung nicht möglich sei, sondern an der mangelnden Durchsetzbarkeit der Unterhaltsansprüche aufgrund des unbekannten Aufenthalts des Vaters. Dass dem Kind eine höhere als die titelmäßig festgesetzte Unterhaltsleistung zustehe oder der Versuch einer Titelerhöhung schon nach der Aktenlage aussichtslos erscheine, sei im Antrag gar nicht behauptet worden.

Das Rekursgericht gab dem Rekurs des Kindes nicht Folge. Im vorliegenden Fall sei davon auszugehen, dass sich die (Einkommens-)Verhältnisse des Vaters bzw seine Erwerbsmöglichkeiten im Sinne einer Anspannung gegenüber den der seinerzeitigen Untrhaltsfestsetzung zugrunde liegenden Umständen nicht verbessert hätten. Angesichts der Abschiebung des Vaters nach Serbien und seines unbekannten Aufenthalts sei es nahezu ausgeschlossen, dass er nunmehr - trotz der seit Titelschaffung verstrichenen sechs Jahre - in der Lage wäre, mehr als die im Titel festgesetzten EUR 174,41 zu bezahlen.

Damit sei aber keine der beiden Alternativen für eine Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG erfüllt.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Kindes mit dem sinngemäßen Antrag auf Abänderung im antragsstattgebenden Sinn.

Entgegen dem Ausspruch des Rekursgerichts ist der Revisionsrekurs nicht zulässig.

Rechtliche Beurteilung

Im Revisionsrekurs wird darauf hingewiesen, dass ein gesonderter Hinweis auf den gestiegenen Unterhaltsanspruch des Kindes nicht erforderlich sei, weil sich dieser schon aus dem Umstand ergebe, dass der Unterhaltstitel bereits vor sechs Jahren geschaffen worden sei; gerade für Fälle wie den vorliegenden solle § 4 Z 2 UVG Abhilfe schaffen. Außerdem sei nicht bewiesen, dass der Unterhaltsschuldner nach seinen Kräften nicht zu einer Unterhaltsleistung imstande wäre. Damit wird jedoch keine erhebliche Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG aufgezeigt.

§ 4 Z 2 UVG regelt zwei unterschiedliche Fälle: Einerseits soll ein Anspruch auf Unterhaltsvorschuss dann bestehen, wenn "die Festsetzung des Unterhaltsbeitrages überhaupt ... nicht gelingt", also die Schaffung eines Unterhaltstitels zugunsten des Unterhaltsberechtigten gegen den Unterhaltsschuldner nicht möglich ist; dann ist die Vorschussgewährung nur ausgeschlossen, wenn der Unterhaltsschuldner nach seinen Kräften offenbar zu einer, also zu irgend einer, wenngleich nur geringfügigen Unterhaltsleistung nicht imstande ist. Diese Voraussetzungen liegen hier im Hinblick auf den bestehenden Unterhaltstitel zweifellos nicht vor.

Die zweite Fallgruppe des § 4 Z 2 UVG erfasst Unterhaltsberechtigte, die zwar über einen mehr als drei Jahre alten Unterhaltstitel verfügen, jedoch eine Erhöhung der Unterhaltsverpflichtung aus "Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners" nicht erreichen können; zu diesen Gründen zählt insbesondere ein unbekannter Aufenthalt des Unterhaltsschuldners, verbunden mit der daraus resultierenden Unmöglichkeit, dessen Einkommens- und Vermögensverhältnisse festzustellen. In diesen Fällen soll grundsätzlich Unterhaltsvorschuss gebühren.

Diese Rechtsfolge ist allerdings im Hinblick auf den in § 4 Z 2 UVG vorgesehenen Ausnahmefall (... außer der Unterhaltsschuldner „ist nach seinen Kräften offenbar zu einer Unterhaltsleistung beziehungsweise einer höheren Unterhaltsleistung nicht imstande") dann nicht gerechtfertigt, wenn sich die (Einkommens-)Verhältnisse des Unterhaltsschuldners - bzw seine Erwerbsmöglichkeiten im Sinne einer "Anspannung" - gegenüber den der seinerzeitigen Unterhaltsfestsetzung zugrunde liegenden Umständen offenbar nicht verbessert haben (1 Ob 262/03s = EvBl 2004/103 = ÖA 2004, 324/UV 213; RIS-Justiz RS0118524; Neumayr in Schwimann, ABGB3 I § 4 UVG Rz 28). Gerade davon ist im vorliegenden Fall auszugehen. Nach den Feststellungen wurde der Titel zu einem Zeitpunkt geschaffen, als der Vater noch in Österreich bei Baufirmen berufstätig war. Am 1. 4. 2005 wurde er nach Verbüßung einer Strafhaft aus Österreich nach Serbien abgeschoben. Sein nunmehriger Aufenthaltsort ist nicht bekannt. Hinweise auf eine Rückkehr des Vaters nach Österreich gibt es nicht. Die auf dieser Tatsachengrundlage im angefochtenen Beschluss vertretene Rechtsansicht, dass der Vater zu einer höheren Unterhaltsleistung als der mit ATS 2.400,-- = EUR 174,41 monatlich titelmäßig festgesetzten Leistung nicht imstande ist, weshalb die Voraussetzungen für die beantragte Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG nicht gegeben sind, entspricht der zitierten höchstgerichtlichen Rechtsprechung. Entgegen der Auffassung des Revisionsrekurswerbers reicht es nicht aus, dass der Unterhaltsschuldner zu irgendeiner Unterhaltsleistung in der Lage ist. Dies würde nur dann die Vorschussgewährung nach § 4 Z 2 UVG rechtfertigen, wenn die Schaffung eines gerichtlichen Unterhaltstitels aus Gründen auf Seite des Unterhaltsschuldners niemals möglich gewesen wäre, was jedoch hier nicht der Fall ist (1 Ob 262/03s = EvBl 2004/103 = ÖA 2004, 324/UV 213).

Mangels einer erheblichen Rechtsfrage im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG ist der Revisionsrekurs zurückzuweisen.

Stichworte