OGH 10Ob53/07b

OGH10Ob53/07b11.5.2007

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Schinko als Vorsitzenden sowie durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Fellinger, Dr. Hoch, Hon. Prof. Dr. Neumayr und Dr. Schramm als weitere Richter in der Pflegschaftssache der mj Melissa E*****, geboren am 30. November 2003, ***** vertreten durch die Stadt Wien, Amt für Jugend und Familie, Rechtsvertretung Bezirk 22, Kapellenweg 35, 1220 Wien, wegen Unterhalt, infolge des „Einspruchs" (außerordentlichen Revisionsrekurses) des Vaters Mehmet Ö*****, Türkei, gegen den Beschluss des Landesgerichtes für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Juli 2006, GZ 43 R 384/06y-U33, womit infolge Rekurses des Vaters der Beschluss des Bezirksgerichtes Floridsdorf vom 14. Dezember 2005, GZ 1 P 86/05g-U8 bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung den Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Der Akt wird dem Erstgericht zurückgestellt.

Text

Begründung

Mehmet Ö***** ist laut Vaterschaftsanerkenntnis vom 11. 1. 2005 Vater der am 30. 11. 2003 von Daniela E***** geborenen Melissa E*****. Am 29. 3. 2005 stellte die Mutter den Antrag, den Vater ab 1. 12. 2003 zu einer monatlichen Unterhaltsleistung von EUR 320,-- zu verpflichten (ON U1). Das Erstgericht forderte daraufhin den in der Türkei wohnhaften Vater gemäß § 17 AußStrG auf, sich binnen sechs Wochen zu dem Antrag zu äußern; sonst würde angenommen werden, dass er dem Antrag keine Einwendungen entgegensetzt. Diese Aufforderung samt einer Gleichschrift des Antrags wurde dem Vater am 6. 7. 2005 mittels internationalem Rückschein in der Türkei zugestellt; eine Übersetzung in die türkische Sprache war nicht angeschlossen. Da sich der Vater innerhalb der gesetzten Frist nicht geäußert hatte, wurde er vom Erstgericht mit Beschluss vom 14. 12. 2005 zu einem monatlichen Unterhalt von EUR 320,-- ab 1. 12. 2003 verpflichtet (ON U8). Dieser Beschluss (samt Übersetzung in die türkische Sprache) wurde dem Vater im Wege des Bundesministeriums für Justiz am 3. 4. 2006 zugestellt (ON U29). Dem am 14. 4. 2006 beim Erstgericht eingelangten Rekurs des Vaters, in dem er sowohl seine Vaterschaft bezweifelte als auch die angenommene Leistungsfähigkeit bestritt, gab das Rekursgericht nicht Folge (ON U33). Da die dem Vater eingeräumte Äußerungsfrist von sechs Wochen ungenützt verstrichen sei, habe das Erstgericht gemäß § 17 AußStrG antragsgemäß zu entscheiden gehabt. Die behauptete Unrichtigkeit der Vaterschaft könne nicht im Unterhaltsbemessungsverfahren als Vorfrage aufgegriffen werden. Betreffend das Einkommen enthalte der Rekurs keine prüfbaren Ergebnisse, sodass nicht darauf eingegangen werden könne, abgesehen davon, dass die erstgerichtliche Beschlussfassung im Hinblick auf die fehlende Äußerung des Vaters erfolgt sei.

Das Rekursgericht sprach aus, dass der Revisionsrekurs nicht zulässig sei, weil keine Rechtsfragen im Sinne des § 62 Abs 1 AußStrG zu beurteilen gewesen seien.

Der Beschluss des Rekursgerichtes wurde dem Vater nach seinen Angaben am 15. 12. 2006 zugestellt (ON U44); das Datum der über das Bundesministerium für Justiz eingeleiteten Zustellung ist aus dem Akt nicht ersichtlich. Am 18. 12. 2006 gab der Vater einen „Widerspruch gegen den Beschluss vom 05. Juli 2006" zur Post (ON U44). Am 12. 2. 2007 forderte das Erstgericht den Vater auf, „binnen 14 Tagen eine Zulassungsvorstellung, verbunden mit dem ordentlichen Revisionsrekurs, welcher von einem Rechtsanwalt oder Notar unterschrieben sein muss, beim gegenständlichen Gericht einzubringen". Diese - wiederum nicht in die türkische Sprache übersetzte - Verfügung wurde dem Vater am 19. 2. 2007 mit internationalem Rückschein in der Türkei zugestellt (ON U48). Mit Telefax vom 3. 3. 2007 (laut Kopfzeile) übermittelte der Vater dem Erstgericht ein an das Rekursgericht adressiertes, von einem türkischen Anwalt mitunterfertigtes Schreiben, in dem er „Einspruch gegen den Beschluss vom 05. Juli 2006" erhob; das Schreiben wurde vom Erstgericht mit dem Eingangsdatum „6. MRZ. 2007" versehen (ON U49). Mit weiterer Verfügung vom 19. 3. 2007 forderte das Erstgericht den Vater auf, das Schreiben vom 6. 3. 2007 binnen 14 Tagen im Original vorzulegen; sonst würde der Revisionsrekurs zurückgewiesen werden (ON U50). Diese Verfügung wurde dem Vater am 26. 3. 2007 mit internationalem Rückschein in der Türkei zugestellt; eine Übersetzung ist nicht ersichtlich. Tatsächlich war das Original bereits am 15. 3. 2007 zur Post gegeben worden; es langte am 19. 3. 2007 beim Rekursgericht ein, von wo es an das Erstgericht weitergeleitet wurde; dort ist es am 22. 3. 2007 eingelangt (ON U51). Das Erstgericht übermittelte den „Einspruch" (Revisionsrekurs) dem Jugendwohlfahrtsträger zur allfälligen Revisionsrekursbeantwortung binnen 14 Tagen (ON U52). In seiner Stellungnahme stellt der Jugendwohlfahrtsträger den Antrag, das Rechtsmittel des Vaters zurückzuweisen.

Den Einspruch (außerordentlichen Revisionsrekurs) des Vaters legte das Erstgericht unmittelbar dem Obersten Gerichtshof vor. Diese Vorgangsweise widerspricht der Rechtslage.

Rechtliche Beurteilung

Nach § 62 Abs 3 AußStrG ist der Revisionsrekurs - außer im Fall des § 63 Abs 3 AußStrG - jedenfalls unzulässig, wenn der Entscheidungsgegenstand an Geld oder Geldeswert insgesamt EUR 20.000,-- nicht übersteigt und das Rekursgericht nach § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG den ordentlichen Revisionsrekurs für nicht zulässig erklärt hat. Unter diesen Voraussetzungen kann eine Partei gemäß § 63 Abs 1 und 2 AußStrG einen - binnen 14 Tagen nach der Zustellung der Entscheidung des Rekursgerichtes - beim Erstgericht einzubringenden Antrag an das Rekursgericht stellen (Zulassungsvorstellung), den Ausspruch dahin abzuändern, dass der ordentliche Revisionsrekurs doch für zulässig erklärt werde. Die Zulassungsvorstellung ist mit der Ausführung des ordentlichen Revisionsrekurses zu verbinden. Für die Berechnung des maßgebenden Entscheidungsgegenstands sind Unterhaltsansprüche gemäß § 58 Abs 1 JN mit der dreifachen Jahresleistung zu bewerten (RIS-Justiz RS0103147 [T2]). Ausgehend davon übersteigt der Gegenstand, über den das Rekursgericht entschieden hat, nicht EUR 20.000,-- (EUR 320,-- x 36 = EUR 11.520,--).

Ungeachtet des vom Erstgericht eingeleiteten Verbesserungsverfahrens war das Rechtsmittel des Vaters nicht dem Obersten Gerichtshof vorzulegen, weil im Streitwertbereich des § 63 AußStrG Rechtsmittel gegen Entscheidungen, gegen die nach dem Ausspruch des § 59 Abs 1 Z 2 AußStrG der ordentliche Revisionsrekurs nicht zulässig ist, dem Gericht zweiter Instanz vorzulegen sind (§ 69 Abs 3 AußStrG). Solange das Rekursgericht nicht auf eine Abänderung des Zulässigkeitsausspruches entschieden hat, ist der Oberste Gerichtshof sowohl betreffend die Fragen der Zulässigkeit und der Rechtzeitigkeit des Revisionsrekurses als auch dessen inhaltlicher Berechtigung funktionell unzuständig (RIS-Justiz RS0109516 [T3]). Das Erstgericht wird daher den Revisionsrekurs des Vaters dem Rekursgericht vorzulegen haben.

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